Der Tapanuli-Orang-Utan wurde erst im Jahr 2017 als eigene Art anerkannt. Damit erhöht sich die Zahl der Orang-Utans auf drei Arten und die der Menschenaffen auf insgesamt acht Arten. Kaum erkannt gelten die Tapanuli-Orang-Utans auch schon gleich als vom Aussterben bedroht. Mit einem Gesamtbestand von gerade mal ca. 767 Individuen (Stand 2019) sind die sie außerdem die seltenste und gleichzeitig die wahrscheinlich am stärksten bedrohte Menschenaffenart der Welt. Obwohl Tapanuli-Orang-Utans gemeinsam mit den Sumatra-Orang-Utans benachbart auf der indonesischen Insel Sumatra leben, sind sie näher mit den Borneo-Orang-Utans verwandt. Ihr zuhause ist eine einzige Region im Norden Sumatras südlich des Tobasees. Der malaiische Name der Orang-Utans bedeutet „Waldmensch“. Alle Orang-Utan-Arten sind Waldbewohner, verbringen ihre meiste Zeit in den oberen Etagen der Bäume und steigen nur sehr selten zum Waldboden hinab. Selbst zum Schlafen verbleiben sie in luftiger Höhe und beziehen abends ihre Schlafnester. Orang-Utans übernehmen wichtige Funktionen in ihrem Lebensraum. Zum Beispiel fungieren sie als Samentaxi für Urwaldpflanzen und helfen mit ihrer Futterwahl die Ausbreitung von schädlichen Insekten zu regulieren. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag das Gleichgewicht des Ökosystems zu erhalten. Während sich die Anwesenheit von Orang-Utans positiv auf den Wald auswirkt, wird der Lebensraum der Tapanuli-Orang-Utans von großangelegten Infrastrukturprojekten für Wasserkraft und Bergbau sowie von Umwandlung in landwirtschaftlich genutzte Flächen bedroht.
Der Tapanuli-Orang-Utan im Steckbrief
Verwandtschaft | Ordnung der Primaten, Familie der Menschenaffen |
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Größe | Männchen bis zu 150 cm, Weibchen bis zu 137 cm |
Gewicht | Männchen abhängig vom Alter bis zu 90 kg, Weibchen durchschnittlich 40 kg |
Besonderheiten | wurden erst 2017 als eigenständige Unterart erkannt |
Soziale Organisation | überwiegend einzelgängerisch |
Fortpflanzung | Weibchen bekommen erstes Jungtier mit ca. 15 Jahren; im Laufe des Lebens nur vier bis fünf Mal Nachwuchs |
Jungtiere | meist nur ein Jungtier, in seltenen Fällen auch Zwillinge |
Lebenserwartung | bis zu 40 Jahre in freier Wildbahn |
Geografische Verbreitung | Batang-Toru-Ökosystem, welches sich südlich des Tobasees im Norden der indonesischen Insel Sumatra befindet |
Lebensraum | tropische bis subtropische feuchte Laubwälder |
Ernährung | überwiegend Früchte, aber auch Blätter und Rinde, teilweise auch von Nadelhölzern |
Bestandsgröße | ca. 767 Individuen (Stand 2019) |
Gefährdungsstatus | laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als „vom Aussterben bedroht“ geführt |
Wo werden Tapanuli-Orang-Utans in der zoologischen Systematik eingeordnet?
Von Ordnungen, Familien und Arten
Die Orang-Utans sind eine Gattung der Primaten (Herrentiere) aus der Familie der Menschenaffen (Hominidae) und werden in drei Arten unterteilt: in den Borneo-Orang-Utan (P. pygmaeus), den Sumatra-Orang-Utan (P. abelii) und den Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis). Der Tapanuli-Orang-Utan wurde erst im Jahr 2017 als eigene Art anerkannt.
Genetischen Untersuchungen zufolge spaltete sich die Linie der Sumatra-Orang-Utans als erstes vor rund 3,38 Millionen Jahren von gemeinsamen Vorfahren ab. Die Linien der Borneo- und Tapanuli-Orang-Utans entwickeln sich hingegen erst seit rund 674.000 Jahren getrennt voneinander. Der Tapanuli-Orang-Utan ist nach seiner Heimatregion im Norden der indonesischen Insel Sumatra getauft. Aufgrund der noch jungen Neuentdeckung als eigene Art gibt es bisher wenige artspezifische Informationen über Tapanuli-Orang-Utans.
Wie sehen Tapanuli-Orang-Utans aus?
Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten
Der Tapanuli-Orang-Utan ähnelt in seiner Körperform und dem rotbraunen Fell dem Sumatra-Orang-Utan. Er unterscheidet sich phänotypisch von diesem hauptsächlich durch seine Kopfform. Der Schädel ist insgesamt kleiner als der der anderen Orang-Utans. Im Vergleich zum Sumatra-Orang-Utan stehen die Augen näher beieinander und sind schmaler. Auch die Zähne unterscheiden sich und die Haare sind krauser. Das Gesicht ist spärlich mit Haaren versehen und bei erwachsenen Tieren schwarz. Jungtiere haben einen rosa Farbton um die Augen und die Schnauze.
Die Männchen werden bis zu 1,50 Metern groß und 90 Kilogramm schwer. Erwachsene Männchen besitzen ausgeprägte Wangenwülste und einen Kehlsack, mit dessen Hilfe sie die charakteristischen Rufe erzeugen, die im Regenwald über mehrere Kilometer hörbar sind. Die Rufe der Männchen erreichen mit 800 Hertz eine höhere Frequenz als beim Sumatra-Orang-Utan und mit mehr als 111 Sekunden eine längere Dauer als beim Borneo-Orang-Utan. Die Weibchen wiegen bei durchschnittlich 1,37 Metern Körpergröße etwa 40 Kilogramm. Trotz der beachtlichen Körpermaße verbringen alle Orang-Utans die meiste Zeit in den oberen Baumwipfeln und steigen nur sehr selten zum Waldboden hinab. In den Baumkronen bauen sie auch ihre Schlafnester und werden daher als die größten echten Baumsäugetiere bezeichnet. Mit ihren langen Armen und den hakenförmigen Greifhänden und -füßen sind Orang-Utans hervorragend an die Fortbewegung in den Baumkronen angepasst.
Wie leben Tapanuli-Orang-Utans?
Die soziale Organisation, Aktivität und Kommunikation
Alle Orang-Utans leben im Gegensatz zu ihren afrikanischen Menschenaffenverwandten überwiegend als Einzelgänger. Ihr täglicher Aktionsradius liegt meist unter einem Quadratkilometer. Dennoch haben ausgewachsene Weibchen Streifgebiete von einem bis mehreren Quadratkilometern. Die der Männchen sind wesentlich größer. Sie bewohnen Gebiete von mehreren Dutzend Quadratkilometern. Meist überlappen sich die Streifgebiete benachbarter Artgenossen.
Was ist über die Fortpflanzung von Tapanuli-Orang-Utans bekannt?
Von der Paarung über die Entwicklung der Jungen bis zum Erwachsenenalter
Die Geschlechtsreife der Orang-Utans tritt erst mit vierzehn bis fünfzehn Jahren ein. In ihrem natürlichen Lebensraum erreichen Orang-Utans ein maximales Lebensalter von bis zu 40 Jahren. Weibchen bekommen alle sechs bis acht Jahre Nachwuchs. Einzelgeburten sind die Regel. Eine Zwillingsgeburt ist eine seltene Ausnahme. Die Orang-Utan-Kinder bleiben etwa sieben Jahre bei ihrer Mutter, mit der sie einen engen Kontakt pflegen. Sie werden von ihren Müttern schrittweise zur Selbstständigkeit erzogen. Wenn die Weibchen ein weiteres Junges bekommen haben, lösen sich die älteren Kinder typischerweise von ihren Müttern ab. Ein Orang-Utan-Weibchen zieht in seinem Leben insgesamt wahrscheinlich nicht mehr als vier bis fünf Kinder auf.
Wo leben Tapanuli-Orang-Utans?
Ihr Verbreitungsgebiet früher und heute
Die drei Orang-Utan-Arten sind die einzigen heute noch lebenden großen Menschenaffen in Asien. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Orang-Utans erstreckte sich von Java über die malaiische Halbinsel und Indochina bis nach Südchina. Heute kommen Orang-Utans nur noch im Norden Sumatras, in Zentralsumatra und auf Borneo vor.
Tapanuli-Orang-Utans sind zwar näher mit den Borneo-Orang-Utans verwandt, leben aber gemeinsam mit den Sumatra-Orang-Utans auf Sumatra. Ihr eng begrenztes Verbreitungsgebiet befindet sich nur etwa 100 Kilometer südlich von der südlichen Verbreitungsgrenze der Sumatra Orang-Utans. Das Verbreitungsgebiet der Tapanuli-Orang-Utans besteht aus zwei Waldblöcken. Dort bewohnen sie eine Fläche mit der Größe von insgesamt etwa 1.022 Quadratkilometern.
In welchem Lebensraum kommen Tapanuli-Orang-Utans vor?
Der malaiische Name der Orang-Utans bedeutet „Waldmensch“. Und, wie der Name schon sagt, leben Orang-Utans im Wald. Den Lebensraum der Tapanuli-Orang-Utans kennzeichnen im Vergleich zu dem des Sumatra Orang-Utans kühlere Durchschnittstemperaturen und relativ hohe durchschnittliche Jahresniederschläge.
Wie ernähren sich Tapanuli-Orang-Utans?
Alles über ihre Nahrung und Ernährungsweise
Tapanuli-Orang-Utans wurden beobachtet, wie sie sich von einer Reihe von Pflanzen ernährten, die zuvor nicht als Orang-Utan-Futterarten erfasst worden waren, wie Nadelhölzer und eine nicht immergrüne Baumart. Die Nahrung der Tapanuli-Orang-Utans besteht zu etwa 60 Prozent aus Früchten (z.B. Durian, Lychee, Mango, Feigen). Bei der Futtersuche bewegen sich Orang-Utans langsam durch das Kronendach. Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit finden sie dabei die ergiebigsten Fruchtbäume. Ganz offensichtlich kennen sie nicht nur die Standorte der einzelnen Bäume in dem von ihnen bewohnten Waldstück ganz genau, sondern wissen auch, wann welche Früchte reifen.
Orang-Utans sind also wichtige Samenverbreiter und tragen wesentlich zur Verbreitung der verschiedenen Pflanzenarten bei. Studien haben gezeigt, dass die Passage der Samen durch den Darm eines Orang-Utans die Keimung bei einigen Pflanzenarten erleichtern kann. Die asiatischen Menschenaffen sind allerdings keine reinen Vegetarier. Insekten sind eine wichtige Proteinquelle, besonders für die trächtigen Weibchen. Orang-Utans spielen durch ihre Diät eine Rolle bei der Kontrolle der Insektenausbreitung, die vor allem die jungen Blätter der Urwaldriesen befallen. Sie helfen dadurch das Gleichgewicht des Ökosystems, in dem sie leben, zu erhalten. Insgesamt bestimmt vor allem das Nahrungsangebot wie viele Tiere in einem Gebiet leben können.
Wie viele Tapanuli-Orang-Utans gibt es?
Ihr Bestand in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Bei den Tapanuli-Orang-Utans sind zwei Populationen bekannt. Der Gesamtbestand umfasst nach letzten Schätzungen aus dem Jahr 2019 insgesamt ca. 767 Individuen. Damit ist die neue Spezies Pongo tapanuliensis nun die seltenste Menschenaffen-Art der Welt. Zudem ist der Tapanuli-Orang-Utan mit nur zwei Populationen, einem Gesamtbestand von insgesamt weniger als 800 Individuen und einem Verbreitungsgebiet von gerade Mal rund 1.000 Quadratkilometern wahrscheinlich die am stärksten bedrohte Menschenaffenart.
Die ca. 767 Orang-Utans verteilen sich auf zwei Populationen, von denen eine aus etwa 605 Individuen und die andere aus etwa 162 Tieren besteht. Nur die größere Population der beiden gilt als groß genug, um langfristig überlebensfähig zu sein.
Sind Tapanuli-Orang-Utans vom Aussterben bedroht?
Ihr Gefährdungs- und Schutzstatus
Der Tapanuli-Orang-Utan wird von der Weltnaturschutzunion IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft und gehört zu den 25 am stärksten vom Aussterben bedrohten Affenarten auf der Roten Liste. Laut dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) dürfen Orang-Utans seit 1975 nicht mehr zu kommerziellen Zwecken international gehandelt werden (Anhang I–Art).
Die Bedrohungsfaktoren
Die Tapanuli-Orang-Utans werden akut von Infrastrukturprojekten für Wasserkraft und Bergbau, Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Flächen und Wilderei bedroht. Mit dem geplanten Wasserkraftwerk werden auch Straßen und andere Infrastruktur kommen, die das Habitat der einzigen überlebensfähigen Population weiter fragmentieren werden und so die Art an den Rand der Ausrottung treiben könnte.
Weitere Informationen zu Borneo-Orang-Utans
- Orang-Utans: Die mit dem roten Fell
- Borneo und Sumatra
Tierporträts im WWF-Artenlexikon
- Borneo-Orang-Utan
- Sumatra-Orang-Utan
- Bonobo