Seinen Namen hat Lippenbär (Melursus ursinus) wohl seinen langen und gut beweglichen Lippen zu verdanken. Lippenbären fressen, auch wenn die Hauptnahrung aus Früchten besteht, sehr gerne Insekten und Honig. Die langen Lippen fungieren dabei als Saugapparat. Der Bestand des Lippenbären wird von der Weltnaturschutzunion IUCN als „gefährdet“ eingestuft. In Schutzgebieten sind die Populationen zwar relativ stabil, außerhalb dieser jedoch immer mehr durch Lebensraumzerstörung, zunehmende Besiedlung des Landes durch den Menschen und Jagd bedroht.
Der Lippenbär im Steckbrief
Verwandtschaft | Ordnung der Raubtiere, Familie der Bären |
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Größe | 1,4 – 1,9 m Kopfrumpflänge |
Gewicht | Männchen schwerer als Weibchen, Männchen wiegen 70 – 145 kg (selten bis zu 190 kg), Weibchen 50 – 95 kg (selten bis zu 120 kg) |
Besonderheiten | Die besonders beweglichen Lippen sind eine Anpassung an die hauptsächlich aus Insekten bestehende Ernährung. |
Soziale Organisation | wie alle Bären Einzelgänger |
Fortpflanzung | Paarungszeit von Mai bis Juli |
Jungtiere | in der Regel 2 Jungtiere |
Lebenserwartung | wenig erforscht, in Zoos um die 30 Jahre |
Geografische Verbreitung | Indien, Nepal, Bhutan und Sri Lanka |
Ernährung | Hauptsächlich Ameisen und Termiten sowie Früchte, aber auch Honig |
Bestandsgröße | schätzungsweise 10.000 – 20.000 Individuen (IUCN, Stand 2016) |
Gefährdungsstatus | IUCN: „gefährdet“, in Bangladesch ausgestorben (IUCN, Stand 2013) |
Wo werden Lippenbären in der zoologischen Systematik eingeordnet?
Von Ordnungen, Familien und Arten
Der Lippenbär (Melursus ursinus) ist ein Raubtier aus der Familie der Bären (Ursidae). Zwei Unterarten sind anerkannt: M. u ursinus in Indien, Nepal, Bhutan und Bangladesh sowie M. u. iornatus in Sri Lanka.
Wie sehen Lippenbären aus?
Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten
Seinen Namen hat der Lippenbär wohl seinen langen und gut beweglichen Lippen zu verdanken. Sie fungieren bei der Nahrungsaufnahme als „Saugapparat“. Lippenbären fallen auch durch ihr langes, zottiges Fell auf, welches vorwiegend schwarz gefärbt ist. Selten gibt es auch braune oder rötlich-braune Tiere. Das lange Fell dient dem Bären als Isolation gegen die tropische Hitze. Häufig haben Lippenbären auf der Brust eine weiß-gelbliche, V- oder U-förmige Zeichnung. Auch an den Ohren haben Lippenbären langes Fell, dafür haben sie kein Unterfell und wenig Fell im Bauchbereich.
Die Schnauze ist sehr kurz behaart und bis zu den Augen deutlich heller gefärbt. Die Kopfrumpflänge der Lippenbären beträgt 140 bis 190 Zentimeter. Männliche Lippenbären wiegen 70 bis 145 Kilogramm (selten bis 190 Kilogramm), die Weibchen 50 bis 95 Kilogramm (selten bis 120 Kilogramm.) Die Unterart m. u. Iornatus in Sri lanka ist kleiner und hat weniger zotteliges Fell als die andere Unterart. Die Krallen an den Vorderfüßen sind lang und leicht gebogen, sodass die Bären mit ihnen gut graben können. An den Hinterfüßen sind die Krallen kürzer. Anders als bei den meisten andern Bären sind die Fußballen der Lippenbären nackt; einzigartig unter den Bären ist, dass die Fußballen teilweise miteinander verwachsen sind und eine fast gerade Linie bilden.
Wie leben Lippenbären?
Die soziale Organisation, Aktivität und Kommunikation
Ausgewachsene Tiere sind vorwiegend nachtaktiv, wobei Mütter mit Jungtieren eher tagsüber auf Streifzüge gehen – vermutlich, um nachtaktiven Raubtieren aus dem Weg zu gehen. Dass erwachsene Tiere eher nachtaktiv sind, ist vermutlich eine Anpassung an die Hitze und den spärlichen Schatten in ihren Lebensräumen. In Nepal, in einem Nationalpark mit dichtem Bewuchs, vielen schattenspendenden Bäumen und gemäßigten Temperaturen wurde beobachtet, dass die Bären sowohl tagsüber als auch nachts aktiv sind.
Die Reviere der einzelgängerisch lebenden Tiere sind unterschiedlich groß. Bekannt sind Reviergrößen zwischen zwei und neu Quadratkilometern bei Weibchen und vier bis 14 Quadratkilometern bei Männchen. Die Reviere werden mit Kratzspuren an Bäumen markiert, sie überschneiden sich aber in der Regel, die Bären fressen gelegentlich in unmittelbarer Nähe zu Artgenossen. Es wurde außerdem beobachtet, dass Jungbären, die nicht verwandt sind, mehrere Wochen lang zusammenbleiben. Geschwister bleiben bis zu 19 Monate lang zusammen, nachdem sie ihre Mutter verlassen haben. Vermutlich, um sich gegen Angriffe von älteren Bären oder anderen Raubtieren zu schützen. Die Weibchen lassen sich in der Regel in der Nähe ihrer Mutter nieder. Die männlichen Jungbären wandern vermutlich ab, dazu gibt es aber nicht ausreichend empirische Daten.
Lippenbären halten keine Winterruhe, nur trächtige Weibchen verkriechen sich im Winter in Höhlen, um zu gebären. Lippenbären verfügen nicht über große Fettreserven wie die überwinternden Bären anderer Arten, sie können aber zwei Monate lang ohne Essen und Trinken überleben. Etwa zwei Wochen, bevor die Weibchen mit ihren Jungen aus der Wurfhöhle kommen, beginnen sie die Höhle nachts zum Fressen zu verlassen.
Was ist über die Fortpflanzung von Lippenbären bekannt?
Von der Paarung über die Entwicklung der Jungen bis zum Erwachsenenalter
Die Paarungszeit der Lippenbären ist von Mai bis Juli. Die Männchen versammeln sich in der Nähe der brünstigen Weibchen und kämpfen untereinander darum, sich paaren zu dürfen. Die Weibchen paaren sich mit bis zu drei Männchen und die Männchen mit mehreren Weibchen. Die Paare bleiben zwischen einer Stunde und zwei Tagen zusammen und paaren sich währenddessen mehrmals.
Die Einnistung des Eis in die Gebärmutter findet verzögert statt, sodass die Jungen im Zeitraum zwischen November und Januar geboren werden. Die durchschnittliche Wurfgröße liegt bei zwei, auch Würfe mit nur einem Jungtier kommen vor. Die Jungen kommen in Höhlen zur Welt und verlassen diese gemeinsam mit ihrer Mutter im Alter von zwei bis zweieinhalb Monaten.
Die Weibchen tragen die Jungen auf dem Rücken, das lange Haar in der Nähe der Schultern der Mutter ist dabei ein bevorzugter Platz, denn hier finden die Jungen guten Halt. Die Jungen bleiben sogar auf dem Rücken, wenn die Mutter in tiefen Löchern energisch nach Termiten gräbt. Etwa sechs bis neun Monate lang werden die Jungen auf dem Rücken getragen, mit zunehmendem Alter verbringen sie immer mehr Zeit auf dem Boden. Wenn sie sich bedroht fühlen, flüchten die Jungtiere lieber auf den Rücken ihrer Mutter, als auf einen Baum zu klettern.
Über die Lebenserwartung von Lippenbären in freier Wildbahn ist wenig bekannt, in Zoos gehaltene Tiere werden um die 30 Jahre alt.
Wo leben Lippenbären?
Verbreitungsgebiet und Lebensraum der Lippenbären
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Lippenbären umfasst große Teile Indiens, Sri Lanka, Nepal und Bhutan. Heute gibt es noch Lippenbären in Indien (mehr als 90 Prozent der Gesamtpopulation, IUCN, Stand 2016), in Nepal und in Sri Lanka. In Bhutan sind sie sehr selten geworden, in Bangladesch sind sie inzwischen ausgestorben (IUCN, Stand 2013). Lippenbären besiedeln ein breites Spektrum an Lebensräumen, wie Monsun- und Regenwälder, Sal-Wälder (nach dem Sal-Baum Shorea robusta) und benachbartes Grasland. Charakteristisch für die Art ist, dass sie im Tiefland lebt und hauptsächlich auf Lebensräume unterhalb von 1.500 Metern beschränkt ist. In den Wäldern der Westghats (ein Gebirge im Westen Indiens) kommen Lippenbären auch in Höhen bis zu 2.000 Meter vor.
Wie ernähren sich Lippenbären?
Alles über ihre Nahrung und Ernährungsweise
Ameisen, Termiten und Früchte dominieren die Ernährung von Lippenbären, wobei die Anteile regional und saisonal variieren. Als Anpassung an seine Ernährungsweise sind die Vorderkrallen der Bären sehr lang, mit ihnen graben sie sich in Erdhügel oder unterirdische Kolonien von Termiten. Auch ihre vorgewölbten und sehr beweglichen Lippen sind eine Anpassung an ihre Ernährungsweise. Mit ihnen können sie wunderbar Termiten „aufsaugen“. Die charakteristischen „Sauggeräusche“ sind noch aus 200 Metern Entfernung zu hören.
Während des Saugens können Lippenbären ihre Nase schließen, indem sie sie gegen die Seite der Termitenhöhle drücken. Früchte suchen sich Lippenbären meist am Boden, sie klettern jedoch gut und gern, um an Honig zu gelangen. In Gebieten, in denen ihr Lebensraum durch intensive menschliche Nutzung stark geschädigt ist und die meisten ihrer normalen Nahrungsmittel nicht zur Verfügung stehen, ernähren sich Lippenbären stark von kultivierten Früchten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Erdnüssen, Mais, Kartoffeln und Süßkartoffeln.
Wie viele Lippenbären gibt es?
Ihr Bestand in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Obwohl es keine verlässlichen großräumigen Bestandsschätzungen für diese Art gibt, gehen die positivsten Schätzungen von etwa 20.000 oder weniger Tieren im gesamten Verbreitungsgebiet aus (IUCN, Stand 2016). Die starke Fragmentierung und der Verlust von Lebensraum lassen vermuten, dass ihr Bestand weiter abnehmen wird, schätzungsweise um mehr als 30 Prozent in den nächsten 30 Jahren (IUCN, Stand 2016). In Bangladesch sind die Lippenbären inzwischen ausgestorben (IUCN, Stand 2013). Das macht deutlich, dass das Überleben der Bären in kleinen isolierten Populationen im gesamten Verbreitungsgebiet ernsthaft gefährdet ist.
Sind Lippenbären vom Aussterben bedroht?
Ihr Gefährdungs- und Schutzstatus
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wird der Lippenbär als „gefährdet“ eingestuft. Auch im Washingtoner Artenschutzabkommen CITES ist er in Anhang I gelistet. Darüber hinaus ist die Art in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet durch nationale Wildtiergesetze in unterschiedlichem Maße geschützt (ihre Tötung ist zum Schutz von Leben und Eigentum erlaubt).
Die Bedrohungsfaktoren
In Schutzgebieten sind die Populationen zwar relativ stabil, außerhalb dieser jedoch immer mehr durch Lebensraumzerstörung, zunehmende Besiedlung des Landes durch den Menschen und Jagd bedroht. Besonders ihrer Galle wegen werden viele Bären geschossen. Die Galle findet in der traditionellen asiatischen Medizin beispielsweise bei Kopfschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden Verwendung.
In einigen Teilen Indiens stellt der Fang von lebenden Bärenjungen, um sie als „Tanzbären“ auszubilden, nach wie vor eine große Bedrohung dar, da die entsprechenden Gesetze nicht angemessen durchgesetzt werden.
Der WWF und TRAFFIC wollen in ihren Projekten den Schmuggel mit Bärengalle unterbinden und die letzten Wildpopulationen der Lippenbären sichern. Dazu wird vom WWF Aufklärungsarbeit geleistet und Projekte zum Schutz der verbliebenen Lebensräume der Lippenbären durchgeführt.
Tierporträts im WWF-Artenlexikon
- Brillenbär
- Kragenbär
- Malaienbär