Verwandtschaft | Klasse der Muscheln, Familie der Austern (Ostreidae), Gattung Ostrea. |
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Größe | bis 20 cm |
Besonderheiten | filtert bis zu 240 Liter Meerwasser täglich. Wächst zu Klumpen, Bänken und Riffen zusammen (Ökosystembildner). |
Fortpflanzung | wechseln mehrfach ihr Geschlecht. Bis zu 2 Millionen Eier, befruchtete Eier bis zu 10 Tage in der Auster, Larven werden ins Freiwasser abgegeben. |
Lebenserwartung | bis zu 30 Jahre |
Geografische Verbreitung | historisch belegt ursprünglich von Norwegen bis Marokko an den europäischen Atlantikküsten, im Mittelmeer sowie im Schwarzen Meer. Heute gilt die Europäische Auster in weiten Bereichen als ausgestorben. |
Lebensraum | bevorzugt tiefere Meeresbereiche von 30 – 50 Meter Wassertiefe, bis kurz unterhalb der Niedrigwasserlinie. Ansiedlung bevorzugt auf Schalenmaterial der eigenen Art. |
Ernährung | Filtrierer, lebt von Plankton und Detritus, die aus dem Meerwasser gefiltert werden. |
Gefährdungsstatus | aufgrund massiver Überfischung in Europa sehr selten geworden. IUCN Rote Liste: noch nicht bewertet. OSPAR-Liste der bedrohten, im Rückgang befindlichen marinen Tierarten und Lebensräume für den Nordostatlantik: Deutschland: Rote Liste (vom Aussterben bedroht). Austernriffe als Lebensraumtyp „Riff“ durch die EU Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie besonders geschützt. |
Ökosystemleistungen | Austernbänke/-riffe als biologischer Hotspot durch erhöhte Artenvielfalt; Nahrung, Schutz, Laichgrund und Lebensraum für viele Tierarten; Verbesserung der Wasserqualität durch hohe Filterleistung; Verringerung lokaler giftiger Algenblüten; Erhöhung der bentho-pelagischen Kopplung (Aufnahme und Abgabe von Nährstoffen zwischen Boden und Wassersäule, wichtig für CO2-Transport), Festigung loser Sedimente und damit Küstenschutz. |
Die Europäische Auster im Steckbrief
Wo werden Europäische Austern in der zoologischen Systematik eingeordnet?
Von Ordnungen, Familien und Arten
Die Europäische Auster Ostrea edulis gehört zur Familie der Austern (Ostreidae) aus der Klasse der Muscheln. Zur Familie Ostreidae gehören insgesamt neun Gattungen weltweit, mit Dutzenden unterschiedlichen Arten. Nur wenige Arten dienen dem menschlichen Verzehr. In Europa ist die bekannteste Art inzwischen die Pazifische Auster (Crassostrea gigas). Sie wurde zuerst 1960 aus Amerika in die Niederlande für die Aquakultur eingeführt, in den Achzigerjahren auch in eine Austernanlage auf Sylt. Von den Zuchtanlagen erfolgte die Ausbreitung, daher gilt die Pazifische Auster als invasive Art. Inzwischen ist sie als gebietsfremde Art im gesamten Wattenmeer verbreitet, vor allem in den trockenfallenden Bereichen, wo sie vor allem auf Miesmuschelbänken siedelt. Die Europäische Auster Ostrea edulis ist die in der Nordsee heimische Auster. Natürliche Restbestände sind jedoch nicht mehr vorhanden.
Wie sehen Europäische Austern aus?
Merkmale und Eigenschaften
Die Europäische Auster hat eine rundliche bis eiförmige Schalenform. Die untere Schalenhälfte ist leicht gewölbt, die obere Schalenhälfte verschließt die Auster wie ein flacher Deckel (daher ihr englischer bzw. französischer Name „Flat Oyster“ bzw. „Huître plâte“ – flache Auster). Ihre Färbung ist bräunlich bis grau. Die Schalenhälften sind nur flach geriffelt, wohingegen die Pazifische Auster deutliche Wölbungen an der unteren Schalenhälfte aufweist. Die Europäische Auster wird etwa 15 bis maximal 20 Zentimeter groß. Sie siedelt sich bevorzugt auf Schalenmaterial der eigenen Art an und kann Bänke und Riffe bilden.
Europäische Austern können bis zu 30 Jahre alt werden, die meisten aber erreichen nur ein Alter von acht bis zehn Jahren. Mit rund drei Jahren werden sie geschlechtsreif.
Was ist über die Fortpflanzung von Europäischen Austern bekannt?
Von der Paarung über die Entwicklung der Jungen bis zum Erwachsenenalter
Europäische Austern wechseln mehrfach ihr Geschlecht zwischen Weibchen und Männchen im Laufe ihres Lebens. Die von den Männchen ins Wasser abgegebenen Spermapakete werden von den Weibchen mit dem Wasserstrom aufgenommen. In der Auster werden die bis zu zwei Millionen Eier befruchtet. (Dies ist eine Besonderheit im Gegensatz zur Pazifischen Auster, bei der – deutlich mehr – Eier außerhalb der Auster befruchtet werden.) Sechs bis zehn Tage entwickeln sich die kleinen Larven in der Auster, bevor sie in die Umgebung abgegeben werden. Nach mehreren Tagen im Freiwasser siedeln sich die Larven mit ihrem Fuß auf anderen Austernschalen, Muscheln oder Steinen an. Dort kleben sie sich dann mit einer Art „Zement“ fest.
Wie ernähren sich Europäische Austern?
Alles über ihre Nahrung und Ernährungsweise
Europäische Austern sind Filtrierer: sie filtern aus dem Meerwasser ihre Nahrung. Mit leicht geöffneten Schalen strudeln sie Meerwasser durch ihre Kiemen. Mit Hilfe kleinster Härchen an den Kiemen entnimmt sie dabei dem Wasser Sauerstoff und Nahrung, zum Beispiel winzig kleines Plankton und abgestorbene Reste von Kleinstorganismen. Besonders bedeutsam ist die Filterleistung der Europäischen Auster: Eine einzelne Auster filtert bis zu 240 Liter Meerwasser täglich und damit deutlich mehr als eine Miesmuschel. Sie trägt damit auch zu einer Verbesserung der Wasserqualität bei. Diese enorme Filterleistung konnte in verschiedenen Forschungsprojekten nachgewiesen und veranschaulicht werden.
Wie leben Europäische Austern und was macht sie so besonders?
Ihre Lebensweise und Aktivität, Bedeutung für das Ökosystem
Wenn die kleinen Austernlarven ihre Freiwasserphase überlebt haben, siedeln sie sich auf hartem Untergrund an – bevorzugt auf anderen Austernschalen, aber auch auf Felsgestein oder Schalen anderer Muscheln. Zunächst wachsen mehrere Austern zu Klumpen zusammen, die auf dem Sandboden oder an kleinen Steinen liegen. Nach und nach wachsen immer mehr Austern zusammen, und es entstehen daraus Austernbänke und regelrechte Riffe. Solche biogenen, also von Lebewesen aufgebauten Riffe, sind im Unterwasserbereich von Nordsee und Wattenmeer sehr selten geworden.
Wo leben Europäische Austern?
Ihr Verbreitungsgebiet und Lebensraum früher und heute
Der ursprüngliche, historisch belegte Verbreitungsraum der Europäischen Auster reichte von Norwegen bis Marokko an den europäischen Atlantikküsten. Diese Austernart kam im Mittelmeer sowie im Schwarzen Meer vor.
Kleinste Restbestände natürlicher Vorkommen sind sehr selten, beispielsweise an der französischen Atlantikküste oder in Schottland. In der Deutschen Bucht (Nordsee) gab es früher riesige Vorkommen, und auch in den Wattströmen und Prielen des Wattenmeeres war die Europäische Auster zu finden.
Das historische Verbreitungsgebiet der Europäischen Auster in der heutigen deutschen Nordsee erstreckte sich über das Nord- und Ostfriesische Wattenmeer, die Helgoländer Austernbank und die weit draußen im Meer gelegenen Austerngründe in der Deutschen Bucht. Allein diese Austerngründe umfassten nach alten Aufzeichnungen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts noch ein riesiges Gebiet von etwa 21.000 Quadratkilometern.
Im Wattenmeer waren die Vorkommen deutlich kleiner. Im Ostfriesischen Wattenmeer lagen die Austernbänke entlang der Seegatten und auf den Wattflächen bzw. in den Prielen auf der dem Festland zugewandten Seite.
Vor der Westküste Schleswig-Holsteins befanden sich nach den historischen Untersuchungen von Möbius (1877) 47 Austernbänke, die größte davon rund drei Kilometer lang. Die Bänke hier lagen alle im so genannten Sublitoral, also dem ständig überfluteten Bereich. Sie lagen damals in einer Tiefe von sechs bis neun Metern und waren auch bei normalem Niedrigwasser mindestens mit zwei Meter Wasser bedeckt. Das größte natürliche Hindernis für die Entstehung von Austernbänken war damals die Bodenbeschaffenheit im Wattenmeer, denn Europäische Austern benötigen möglichst schlickfreien Boden und Muschelschalen oder harten Untergrund für die Ansiedlung. Die meisten Bänke befanden sich im Nordfriesischen Wattengebiet, wie alte Fischereiaufzeichnungen belegen, fast keine im Dithmarscher Watt.
Weitere Untersuchungen Anfang der 20. Jahrhunderts zeigten drei verschiedene Standorttypen der Austernbänke: in den großen Prielen (Stromrinnen mit hartem Untergrund) mit viel Nahrung, aber starker Strömung; im Inneren des Wattenmeeres gelegene Flachbänke mit wenig Strömung und teils starker Larvenproduktion und die an den Hängen kleinerer Priele gelegenen Binnenbänke, an denen Larven gute Ansiedlungsmöglichkeiten fanden. Zusätzliche Informationen, Abbildungen und Karten sind in einer bereits 2014 vom Bundesamt für Naturschutz beauftragten Studie zur Europäischen Auster zu finden.
Wodurch sind Europäische Austern bedroht und wie lassen sie sich schützen?
Bedrohungen, Gefährdungsstatus und Möglichkeiten der Wiederansiedlung
Austern – und auch die Europäische Auster – waren in früheren Jahrhunderten eine wichtige Nahrungsquelle der Küstenbewohner. Schon im 12. und 13. Jahrhundert war die Austernfischerei eine der ersten kommerziell betriebenen Fischereien, in späteren Jahrhunderten durch Lizenzen auch in gewisser Weise „reglementiert“. Aber letztlich führte die hemmungslose Überfischung im Laufe des 19. Jahrhunderts nach und nach zum Kollaps der natürlichen Bestände in ganz Europa. Nur wenige Bestände überlebten bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein. Zwei Zahlen verdeutlichen die massive Entnahme von Austern: im Jahr 1864 wurden allein in London 700 Millionen Austern konsumiert. 1877 wurden zum Beispiel auf der Helgoländer Austernbank innerhalb der 21 Tage Fangsaison mehr als 500.000 Austern „geerntet“. Die ostfriesischen Austernbänke im Wattenmeer waren bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebeutet, während im nordfriesischen Wattenmeer noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommerziell gefischt wurde.
Die wahrscheinlichen Gründe für den Zusammenbruch: Es wurde stetig eine viel zu große Anzahl erwachsener Austern entnommen, so dass immer weniger Austern für Nachwuchs sorgen konnten. Das Schleppgeschirr, die aus Eisen bestehende Dredge, schädigte die verbleibenden Strukturen der Austernklumpen und -bänke zusätzlich. Es fehlten die Strukturen, an denen sich Austernlarven ansiedeln konnten. Zusätzlich schwächten Krankheitserreger, vor allem aber auch Eiswinter und Stürme die degradierten Restbestände. Die Belastung mit Schadstoffen, zum Beispiel mit dem die Fortpflanzung behindernden Tributylzinn (TBT, ein inzwischen verbotener Stoff in Antifouling-Anstrichen), beeinträchtigte die Austern in einigen Gebieten zusätzlich.
Fischerei mit Bodenschleppnetzen oder -geschirren stellt heutzutage die größte Gefährdung für die Europäische Auster dar. Nur in Gebieten ohne grundberührende Fischerei besteht die Chance auf eine Wiederansiedlung der Europäischen Auster.
Aufgrund des hohen Gefährdungsgrades steht die Europäische Auster auf der OSPAR-Liste der bedrohten und/oder in Rückgang befindlichen Arten. Ihr Gefährdungsstatus für die verschiedenen OSPAR-Regionen wird regelmäßig neu bewertet. Für die Rote Liste der Internationalen Naturschutz-Union (International Union for the Conservation of Nature, IUCN) läuft derzeit der Bewertungsprozess.
Ist die Europäische Auster noch zu retten?
Als Riffbildner ist die Europäische Auster eine Schlüsselart mit wichtigen Ökosystemleistungen und steht daher im Fokus europäischer Meeresschutzbemühungen. Europaweit engagieren sich Forschungseinrichtungen, Behörden und Naturschutzverbände für den Schutz der letzten Restbestände und die Wiederansiedlung dieser Austernart im Meer. Sie haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, der Native Oyster Restoration Alliance, kurz NORA. Wichtige Ergebnisse zur Wiederansiedlung (Restoration) der Europäischen Auster und ihrer Riffe werden in diesem Netzwerk ausgetauscht, um voneinander zu lernen und diese besondere Art zu retten.
Auch der WWF engagiert sich, beispielsweise in der Nordsee nördlich der niederländischen Insel Schiermonnikoog, mit einem Versuch zur Wiederansiedlung von Europäischen Austern. Im niederländischen Voordelta gibt es ein Riff, in dem sich die Europäische Auster auf natürlichem Weg angesiedelt hat, und wo sie gemeinsam mit der Pazifischen Auster und anderen Muschelarten vorkommt. Ein erster Erfolg: im Juni 2021 wurde ein vorübergehender Fischereiausschluss für dieses Areal beschlossen.
In Deutschland engagiert sich das Bundesamt für Naturschutz (BfN) seit mehreren Jahren für den Schutz der Europäischen Auster. Mit Förderung des BfN arbeitet das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) an verschiedenen Projekten zur Wiederansiedlung der Europäischen Auster. Die Restoration eines Pilotriffs im rund 30 Kilometer seewärts von Borkum gelegenen Naturschutzgebiet Borkum-Riffgrund ist vielversprechend und macht Hoffnung.
Ob die Europäische Auster auf natürlichem Weg, oder ausgehend von den genannten Projekten auch wieder in das Wattenmeer zurückkehrt, bleibt abzuwarten.
Weitere Informationen
- Fischerei im Wattenmeer: Unter Wasser fehlt der Schutz
- Nationalpark Wattenmeer
- Ungewollter Beifang: Tödliche Verschwendung
Weitere Informationen und Downloads
Tierporträts im WWF-Artenlexikon
- Butterfisch
- Nordseegarnele
- Miesmuschel