Von alters her müssen Menschen ihre Felder, ihr Vieh und manchmal auch ihr Leben vor wildlebenden Tieren schützen. Weil der Mensch jedoch immer mehr Raum für sich beansprucht, wird es für viele Arten eng. Sogenannte Mensch-Wildtier-Konflikte nehmen weltweit zu – mit verheerenden Folgen für beide Seiten.

Die Ursachen von Mensch-Wildtier-Konflikten weltweit sind zahlreich und komplex: Lebensraumverlust durch massive Umwandlung von Wildnis in Agrarflächen, Entwaldung, Rohstoffabbau und Infrastrukturentwicklung erhöhen das Konfliktpotenzial zwischen Mensch und Tier, aber auch der Klimawandel und Naturkatastrophen tragen ihren Teil bei.

Kurz: Je kleiner die angestammten Lebensräume der Wildtiere werden, desto größer werden die Flächen, die von Menschen und Wildtieren gemeinsam genutzt werden – Konflikte sind vorprogrammiert.

Nicht nur eine ökologische Herausforderung

Tiger in der Kamerafalle in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK
Tiger in der Kamerafalle in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK

Die Folgen? Sind so zahlreich wie die Ursachen und nicht nur ökologischer, sondern auch sozialer, ökonomischer und humanitärer Natur.

Der Lebensraumverlust führt dazu, dass manche Arten ihr Territorial- und Bewegungsverhalten ändern und menschliches Eigentum, Felder und Ernten zerstören. Dadurch droht lokale Ernährungsunsicherheit; und die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Menschen vor Ort nehmen ab.

Manchmal werden die Tiere auch zur Gefahr für Leib und Leben. Lässt man die betroffenen Menschen und Gemeinden mit dieser Bedrohung allein, töten sie die Tiere, um sich und ihre Ernte zu schützen. Das hat kaskadenartige Folgen: Die Toleranz gegenüber Wildtieren und Schutzmaßnahmen sinkt insgesamt, was manche Arten an den Rand des Aussterbens bringen kann. Und geht eine Art verloren, gerät auch das fein austarierte Gleichgewicht des Ökosystems ins Wanken oder wird gar ganz zerstört.

Der Preis von Schutzmaßnahmen

Sicherheitsvorkehrungen und Managementmaßnahmen verursachen außerdem Kosten, die überproportional von denen getragen werden, die in unmittelbarer Nähe der Wildtiere leben – oft sind das die am stärksten marginalisierten Gemeinschaften der Welt. Wohingegen vom Gewinn, den der Schutz der Arten für die Biodiversität hat, alle Menschen profitieren.

Mensch-Wildtier-Konflikte verschärfen also auch ökonomische Ungleichheiten – und sie haben massiven Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung: 15 der insgesamt 17 globalen UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sind direkt mit Mensch-Wildtier-Konflikten verknüpft.

Werden diese Konflikte nicht gelöst, wird das Erreichen der UN-Ziele bis 2030 schwierig. Der WWF fordert deshalb, Mensch-Wildtier-Konflikte explizit in die Umsetzungspläne der SDGs und in die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) aufzunehmen.

Treiber und Stressfaktoren von Mensch-Wildtier-Konflikten © WWF

Vom Konflikt zur Koexistenz

Wolf betrachtet Schafherde © Staffan Widstrand / WWF
Wolf betrachtet Schafherde © Staffan Widstrand / WWF

Alle Zusammenstöße von Menschen und Wildtieren verhindern zu wollen, ist sicher nicht möglich. Gelingt es uns aber, Mensch-Wildtier-Konflikte deutlich zu reduzieren, profitieren wir alle davon: Mensch, Tier, Natur.

Wie kann der Weg vom Konflikt zu einer langfristigen Koexistenz aussehen? Es bedarf eines koordinierten, ganzheitlichen und effektiven Mensch-Wildtier-Konfliktmanagements, durch das lokale Gemeinschaften vom Schutz der Wildtiere profitieren, weil der Wert der Koexistenz mit Wildtieren höher ist als die Kosten.

Sechs Elemente eines ganzheitlichen Mensch-Wildtier-Konfliktmanagements

Ein solches ganzheitliches Konfliktmanagement bezieht alle Beteiligten und Betroffenen mit ein und umfasst sechs Elemente:

  • Monitoring. Alle Maßnahmen müssen kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit überprüft und an sich verändernde Situationen angepasst werden.
  • Forschung. Konfliktursachen sind komplex. Nur wenn man weiß, was den Konflikt auslöst, kann man ihn beheben. Forschung liefert dafür wichtige Informationen.
  • Politik. Mensch-Wildtier-Konfliktmanagement funktioniert nur mit Unterstützung auf politischer Ebene. Managementpläne müssen rechtlich verankert und von Behörden umgesetzt werden.
  • Reaktion. Damit akute Konflikte zwischen Mensch und Wildtier nicht eskalieren, müssen lokal sogenannte Rapid-Response-Teams gebildet und Warn- und Meldemechanismen etabliert werden.
  • Prävention. Zäune, sichere Arbeitsumgebungen, Frühwarnsysteme und andere Sicherheitsvorkehrungen verhindern Mensch-Wildtier-Konflikte, bevor sie entstehen.
  • Entschädigung. Menschen und Gemeinschaften, die von Mensch-Wildtier-Konflikten betroffen sind, müssen einen Ausgleich erhalten – in Form von Entschädigungsfonds, Versicherungen und alternativen Einkommensmöglichkeiten.

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Viele positive Beispiele weltweit

Der Report „A Future for All: The Need for Human-Wildlife Coexistence“ von WWF und UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, analysiert Ursachen und Auswirkungen dieses drängenden, aber viel zu wenig beachteten Problems und zeigt anhand zahlreicher Projektbeispiele Lösungen auf.

Die zahlreichen erfolgreichen Projekte, die der WWF/UNEP-Report vorstellt, machen Hoffnung, dass eine friedliche Koexistenz von Menschen und Wildtieren möglich ist!

So können Sie den WWF beim Kampf gegen das Artensterben unterstützen: