Nick Cowell, Gründer von Elephant Aware Projekt © Elephant Aware Project
Nick Cowell, Gründer von Elephant Aware Projekt © Elephant Aware Project

WWF: Vielen Dank, Nick, dass du uns für eine Interview zur Verfügung stehst. Könntest du dich unseren Lesern in Deutschland mit ein paar Worten vorstellen?

Nick Cowell: Ich habe zusammen mit meiner Frau Elizabeth das „Elephant Aware Project“ im Siana-Schutzgebiet in der Masai-Mara-Landschaft ins Leben gerufen.

Ich habe viele Jahre Erfahrung im kenianischen Naturschutz, habe mich um die Schutzmaßnahmen für Nashörner im Lake Nakuru National Park gekümmert und war lange als ehrenamtlicher Wildhüter für den Kenya Wildlife Service im Kampf gegen die Elefantenwilderei tätig. Ich bin der Leiter von Elephant Aware mit Sitz im zentralen Teil des Siana-Schutzgebietes.

„Elephant Aware“ und der WWF arbeiten in der Siana Conservancy in der Masai Mara eng beim Schutz der Elefanten zusammen. Wie genau sieht diese Zusammenarbeit aus?

„Elephant Aware“ arbeitete partnerschaftlich mit dem WWF bei der Gründung der Mara Siana Conservancy zusammen.

Das war sehr wichtig, denn es ging darum, große Teile des herrlichen Mara-Lebensraumes langfristig zu schützen und den Lebensraum dieser reichen Tierwelt zu sichern. Und es ging auch darum, dem Volk der Massai in diesem Gebiet langfristig einen echten Nutzen zu bringen. Die Massai sind die Landbesitzer:innen und haben historisch eine große Rolle als Hüter:innen der wunderschönen Wildnisgebiete Kenias gespielt.

Die Partnerschaft von WWF und „Elephant Aware“ ist wichtig, weil sie Lebensräume sichert, weil sie Elefanten, große Beutegreifer und alle anderen Wildtierarten schützt, und weil sie den Lebensunterhalt der lokalen Gemeinschaft sichert.

Diese Kooperation bringt die Menschen vor Ort zusammen, die in vielerlei Hinsicht spürbar profitieren – zum Beispiel durch Arbeitsplätze. Die Dorfgemeinschaft, die Landbesitzer:innen und ihre Familien erzielen durch die Schaffung von Schutzgebieten und Wildtierkorridoren wertvolle Pachteinnahmen.

Viele Ranger-Jobs und andere Arbeitsplätze im Naturschutz wurden durch diese Zusammenarbeit geschaffen, und das hat zu einer echten Selbstverwaltung  der Massai in ihrer Gemeinde geführt. Der Wunsch, auch in Zukunft nachhaltig Einkommen aus Naturschutz und Tourismus zu erzielen, ist daher groß.

„Die Partnerschaft von WWF und „Elephant Aware“ ist wichtig, weil sie Lebensräume sichert, weil sie Elefanten, Raubtiere und alle anderen Wildtierarten schützt, und weil sie den Lebensunterhalt der lokalen Gemeinschaft sichert.“

Nick Cowell, Gründer von „Elephant Aware“

Die Minderung von Konflikten zwischen Menschen und wildlebenden Tieren gehört zu den Hauptaufgaben der Gemeindewildhüter:innen und der Arbeit von Ranger:innen in der Siana Conservancy. Welcher Art sind diese Konflikte? 

Leider kommt es in den Wildtiergebieten Kenias immer wieder zu Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren, beziehungsweise zwischen Menschen und Elefanten. Menschen, die in Gebieten mit Wildtieren leben, leben mit dem Risiko, dass sie durch Konflikte mit Wildtieren verletzt und sogar getötet werden.

Das Siana-Gemeindeschutzgebiet hat eine hohe Elefantenpopulation, und auch alle anderen für die Mara-Landschaft typischen Wildtierarten kommen hier vor. Daher ist es unglaublich wertvoll und wichtig, Konflikte zu verhindern, noch bevor sie entstehen. Oft dringen Elefanten auf der Suche nach grünem Gras oder Wasser in eingezäuntes Massai-Land ein, besonders wenn es sehr trocken ist.

Das Team von „Elephant Aware“ wird dann von der Gemeinde herbeigerufen und reagiert schnell: um sicherzustellen, dass niemand verletzt wird, dass kein Eigentum beschädigt wird und um den Elefanten zu helfen, sicher wieder herauszukommen.

Die Ranger:innen von „Elephant Aware“ sind selbst Mitglieder der Gemeinde und haben daher bereits ein gutes Verhältnis zu den anderen Landbesitzer:innen. Ihre Priorität ist es, dass die Menschen in diesen Situationen Ruhe und Geduld bewahren, um so sicherzustellen, dass auch die Elefanten ruhig und gelassen bleiben. Ängstliche und aufgeregte Elefanten können die Lage gefährlich und kompliziert machen, und das ist mit der richtigen Herangehensweise absolut vermeidbar.

Durch jahrelange Erfahrung mit dieser Art von Vorfällen hat unser Team gelernt, was funktioniert und was nicht. Eine enge Zusammenarbeit mit den Massai-Landbesitzer:innen ist dabei unabdingbar, um eine dauerhafte Koexistenz von Mensch und Wildtieren zu sichern.

Mit Elefanten kommt es besonders oft zu Konflikten. Warum ist das so, und welcher Art sind diese Konflikte?

Mit Elefanten zu leben, ist eine große Herausforderung für die Massai-Gemeinschaften, denn der für Wildtiere verfügbare Raum wird immer kleiner.

Wenn Menschen und Wildtiere um Raum und Ressourcen wie Wasser konkurrieren, können diese Vorfälle tödlich enden – mit Verlust von Leben auf beiden Seiten. Landnutzungsänderungen verursachen große Probleme, zum Beispiel der derzeitige Trend, einzelne Grundstücke auf Gemeinschaftsland einzuzäunen. Dabei werden manchmal große Flächen eingezäunt, und eingezäuntes Land ragt in ehemals unberührte Gebiete hinein, die von Elefanten und anderen Arten aufgesucht werden.

Aus diesem Grund arbeitet „Elephant Aware“ mit dem WWF intensiv an der Entwicklung von Wildtier-Korridoren und hilft dabei, Anreize zu schaffen, dass die Landbesitzer Zäune wieder entfernen.

Eine Elefantenherde, getrennt durch einen Zaun von den Bewohnern © Elephant Aware Project
Eine Elefantenherde, getrennt durch einen Zaun von den Bewohnern © Elephant Aware Project

Was können die Gemeindewildhüter:innen oder Ranger:innen tun, damit solche Konflikte schon im Vorfeld minimiert werden? 

Wir versuchen, unseren Ansatz eher proaktiv als reaktiv zu gestalten, das heißt: Konflikte verhindern, bevor sie entstehen, wo immer dies möglich ist.

Die Ranger:innen von „Elephant Aware“ bringen jahrelange gemeinsame Erfahrung mit und sind in den wichtigsten Aspekten ihrer Aufgaben geschult, zum Beispiel dem Schutz der Wildtiere, der Überwachung der Gebiete und wie sie die Menschen vor Ort einbeziehen.

Ihre Tätigkeit umfasst auch die Ortung und Beobachtung von Elefantenherden. Die Ranger:innen sind außerdem gut darin geschult, Elefanten auf der Grundlage bewährter Techniken zu identifizieren. Einzelne Elefanten allein durch ihr Erscheinungsbild zu erkennen, ist äußerst hilfreich, denn jeder Elefant verhält sich je nach seinen bisherigen Erfahrungen anders und kann in verschiedenen Situationen unterschiedliches Verhalten zeigen, ähnlich wie Menschen.

Die Warnung der Menschen vor der Anwesenheit von Elefanten kann lebensrettend sein – zum Beispiel, wenn Elefanten in der Nähe von Siedlungen oder Straßen gesichtet werden, oder wenn es in der Nähe von Wasserquellen oder in den Hügeln und in Waldgebieten gefährlich werden könnte, wo die Tiere schwer zu entdecken sind. All dies trägt dazu bei, Konflikte zu vermeiden und sowohl Menschen als auch das Vieh zu schützen.

Ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Konflikten und zur Aufrechterhaltung des friedlichen Miteinanders ist auch das Schaffen eines Bewusstseins für potenzielle Gefahren durch Wildtiere und die Vermeidung unnötiger Risiken in der Nähe von wilden Tieren wie Elefanten.

Ist es deshalb wichtig, mehr feste Ranger:innen-Stationen in der Conservancy zu haben? 

Ranger:innen-Stationen an strategischen Orten innerhalb eines Wildtiergebiets sind sehr wichtig für eine effektive und schnelle Reaktion auf etwaige Vorfälle in „Hot-Spot-Gebieten“ und für die Durchführung täglicher Gemeindebesuche.

Letztendlich können Mitarbeiter:innen von den Stationen aus direkt patrouillieren, einen größeren Lebensraum überwachen und schneller ein größeres Gebiet abdecken.

Wie viele Rangerstationen werden es insgesamt sein, wenn die beiden neuen Stationen fertig sind? Werden sie dann ausreichen, um das Gebiet gut abzudecken?

Die Gesamtzahl in dem Gebiet, in dem „Elephant Aware“ arbeitet, beträgt dann drei. Wir hoffen, in naher Zukunft einen weiteren Ranger:innen-Stützpunkt in einem anderen potenziellen Korridorgebiet einzurichten.

Alle zusammen werden enorm effektiv sein, um die Wildtiere und ihre Lebensräume langfristig ebenso zu sichern wie das Land der Massai.

Woran fehlt es noch, damit die Gemeindewildhüter:innen und Ranger:innen ihre Arbeit möglichst gut machen können?

Es fehlt noch einiges an Ausrüstung für die Ranger:innen. Wir hoffen, ein weiteres Einsatzfahrzeug zu bekommen, um damit Vorräte und Wasser zu den Ranger-Stationen zu liefern.

Außerdem muss unser Wasserversorgungssystem so schnell wie möglich modernisiert werden, da wir das Wasser für jede unserer Ranger-Stationen die ganze Woche über aus einem mehrere Kilometer entfernten gemeinschaftlichen Versorgungsbrunnen holen müssen. Dies ist sowohl zeitaufwendig als auch auf Dauer schwierig. Eine Lösung wäre ein Wassertank, den man auf einem Anhänger hinter einem Fahrzeug herziehen kann.

Und wie ist derzeit die Situation bezüglich Wilderei? Werden Elefanten gewildert? 

Zum Glück hat die Elefantenwilderei in Kenia stark abgenommen.

Eine der größten Bedrohungen für Elefanten sind heute die Konflikte zwischen Menschen und Elefanten. Dies ist ein sehr komplexes Problem, und das „Elephant Aware“-Team arbeitet rund um die Uhr an der Verhinderung solcher Konflikte. Damit weder Menschen noch Elefanten in solchen Fällen zu Schaden kommen.

Noch eine persönliche Frage: Wie kam es, dass du dich besonders für den Schutz von Elefanten engagierst?

Um das  Jahr 2008 herum wurde die Elefantenwilderei in Kenia und in Siana immer schlimmer. Mit unserer Erfahrung im Kampf gegen Wilderei hatten wir eigentlich keine andere Wahl, als unsere Aufmerksamkeit auf die Krise der Elefantenwilderei zu richten, die wir damals leider fast täglich miterleben mussten. Die Mittel zur Hand zu haben und die Vision im Kopf, etwas zu verändern, war alles, was mein Team und ich brauchten, um uns persönlich in den schwierigen Kampf zur Rettung der Elefanten einzubringen.

Eine Elefantenkuh liegt verletzt im Schlamm © Elephant Aware Project
Eine Elefantenkuh liegt verletzt im Schlamm © Elephant Aware Project

Gibt es vielleicht ein besonderes Erlebnis, das du teilen möchtest? Einen besonderen Moment im Zusammenhang mit deiner Arbeit, der dich berührt hat?

Dieses Bild zeigt eine Elefantenkuh namens Nalakite, um die sich unser Team gekümmert hatte, nachdem sie in den Schlamm gefallen war und nicht mehr aufstehen konnte. Sie war eine besondere Matriarchin und hatte ihre drei Kälber bei sich. Unsere Ranger:innen und unser ganzes Team versuchten unermüdlich, sie wieder auf die Beine zu bringen. Wir arbeiteten bis spät in die Nacht und hofften, dass sie aufstehen würde. Eine großartige Teamleistung!

 

Nick, ganz herzlichen Dank für das Interview!

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