Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland stellt viele Interessengruppen vor neue Herausforderungen. Was für den Artenschutz ein großer Erfolg ist, stellt viele Nutztierhalter vor Probleme, denn eine ungeschützte Nutztierherde kann leicht zur Beute der Wölfe werden.

Gejagter Jäger

Grauwolf in Deutschland © Ralph Frank / WWF
Grauwolf in Deutschland © Ralph Frank / WWF

Vielerorts bleibt der Wolf ein gejagter Jäger, denn nicht überall ist er willkommen. Immer wieder gibt es Mensch-Tier-Konflikte mit Nutztierhalter:innen und die Wolfsrisse nehmen Jahr um Jahr zu. Die Rückkehr des Wolfes stellt Weidetierhalter:innen und Naturschutz vor neue Herausforderungen. Herdenschutzmaßnahmen müssen etabliert und flächendeckend angewendet werden.

Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist Swen Keller. Seine Schafsherde beweidet Flächen des WWF in der Nähe von Dessau und betreiben so Landschaftspflege. 2017 hatte er einen Wolfsriss. Seitdem engagiert er sich bundeweit für besseren Herdenschutz und berät andere Weidetierhalter.

Noch immer ist diese Region Wolfsgebiet, doch seitdem er mit Unterstützung des WWF einen Elektrozaun gebaut hat und Herdenschutzhunde einsetzt, kam es zu keinen weiteren Wolfsübergriffen. „Es gibt immer ein Restrisiko von 5 Prozent, das kann man nicht ausschließen“, erklärt Keller, aber mit diesen beiden Maßnahmen sei der bestmögliche Schutz gewährleistet.

Die Herdenschutzhunde Bolek und Hans arbeiten als Sicherheitschefs rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Jeder Eindringling wird sofort verbellt – ob Mensch, Rehe oder eben Wölfe, die immer wieder in den umliegenden Wäldern langstreifen, wie Kamerafallen und Spuren zeigen.

Herdenschutz: Grundlage für die Akzeptanz des Wolfes

Mit steigenden Schäden durch den Wolf, insbesondere in der Schafhaltung, wird die Forderung nach effizienten Schutzmaßnahmen laut. Das hier entstehende Konfliktpotential kann nur durch einen gut funktionierenden Herdenschutz entschärft werden. Denn: Nur sinnvolle Schutzmaßnahmen bilden die Grundlage für die Akzeptanz des europaweit geschützten Wolfes!

Die lange Abwesenheit von Großen Beutegreifern wie WolfBär oder Luchsen hat die Zäunungs- und Schutzmethoden für Nutztierherden in den letzten hundert Jahren geprägt. Bis vor wenigen Jahren erfolgte das Einzäunen einer Schafherde nur unter dem Gesichtspunkt der Ausbruchsicherheit, nicht aber zum Zweck des Schutzes vor Eindringlingen. Diese Art der Tierhaltung erleichtert dem Wolf das Beutemachen in Nutztierherden. Eine gut geschützte Herde ist für einen Beutegreifer jedoch ein risikobehaftetes Ziel und wird in der Regel gemieden. So kann sich der traditionelle Konflikt zwischen Nutztierhalter und Wolf verringern.

Schutzmaßnahmen

Herdenschutzhund © Peter Jelinek / WWF
Herdenschutzhund © Peter Jelinek / WWF

Es gibt eine Reihe von praktikablen Schutzmaßnahmen. Dabei soll der Wolf durch Negativerlebnisse abgeschreckt werden und somit verhindert werden, dass er eine geeignete Jagdmethode auf Nutztiere erlernt. In der Praxis haben sich einige Schutzmethoden bewährt:

Zäunung: Bis vor wenigen Jahren war der Einsatz von 1-3 stromversorgten Drahtlitzen als Schutz vor dem Ausbrechen von Schafherden gängig. Inzwischen hat sich in der Schafhaltung der Einsatz von Euronetzen mit einer Mindesthöhe von 90 cm durchgesetzt. Die Höhe der Zäune ist jedoch nicht entscheidend, sondern die Funktonsfähigkeit. Das Wichtigste ist eine angemessene Stromversorgung (mind. 3500 Volt), gute Erdung und ein ordentlicher Bodenabschluss. In der Regel werden auch nur relativ kleine Flächen eingezäunt, sodass andere Wildtiere außen herum wandern können. Auch die Auszäunung von Wassergräben und anderen natürlichen Hindernissen gehört zu den Mindestanforderungen.

Alpakas und Esel: Esel und Alpakas können eine gute zusätzliche Schutzmöglichkeit darstellen, allerdings erfordert ihr Einsatz Fachkenntnis und Mehraufwand. Esel haben ein ausgezeichnetes Gehör und warnen bei Bedrohung frühzeitig und lautstark. Im Ernstfall können sie eine Herde mit Beißen und Treten recht gut verteidigen. Ihre natürliche Abneigung gegen Hundeartige macht sie einerseits zu guten Wächtern vor Wölfen, kann jedoch die Arbeit mit Hüte- oder Schutzhunden erschweren. Mit einer entsprechenden Sozialisation und Ausbildung ist jedoch die Zusammenarbeit mit Hüte- und Schutzhunden möglich und kann den Schutz der Herde erhöhen. Zu bedenken ist jedoch, dass Esel ursprünglich aus kargen Gebieten kommen und fette Weiden, wie sie in unseren Regionen oftmals üblich sind, nicht vertragen. 

Herdenschutzhunde: Der Einsatz von Herdenschutzhunden ist eine sehr alte und effiziente Form des Herdenschutzes. Mit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland gelangt diese Methode immer mehr in den Fokus der Nutztierbetriebe. In Ländern, in denen der Wolf und andere große Beutegreifer nie ausgestorben waren, wurde die Tradition der Arbeit mit Herdenschutzhunden praktisch nie unterbrochen. Nach dem Vorbild der Schweiz, wo in Zusammenarbeit mit dem WWF ein national organisiertes Herdenschutzprogramm entstanden ist, wird nun auch in Deutschland verstärkt mit Herdenschutzhunden gearbeitet und versucht, diese Arbeit zu vernetzen. Der Einsatz von Schutzhunden in Verbindung mit einer solideren Zäunung stellt für die Nutztierbetriebe den größtmöglichen Schutz dar, ist jedoch mit erheblichem betrieblichem und finanziellem Mehraufwand verbunden.

Stallhaltung: Der WWF empfiehlt keine pauschale Stallhaltung von Nutztieren als Wolfsschutzmaßnahme. Nur in bestimmten, sensiblen Situationen, z.B. Abkalbung oder Abpfohlung kann es sinnvoll sein, die Mutter- und Jungtiere für einen begrenzten Zeitraum im Stall zu halten.  

  • Wolf © iStock Getty Images Wölfe

    Der Wolf, seit dem Mittelalter systematisch bejagt und in Deutschland im Jahr 1904 schließlich ausgerottet, kehrt wieder zurück. Weiterlesen ...