Laute Vogelrufe tönen aus einer geschlossenen Decke grüner Baumkronen, Affen schwingen sich durch die Wipfel. Der Wald ist dicht und sumpfig, ab und zu durchbrochen von großen, grasbewachsenen Lichtungen, Baïs genannt. Daneben durchziehen tausende Kilometer Flüsse und Bäche den Salonga-Nationalpark, gesäumt von Sandstränden und schwer zugänglichen Galeriewäldern. Abends gehört die Luft hier den Fledermäusen. Mit einer Größe von 33.500 Quadratkilometern ist der Nationalpark größer als Nordrhein-Westfalen.
Der Salonga-Nationalpark gehört zu den wenigen Gebieten weltweit, in denen die natürlichen Evolutionsprozesse noch fast ungestört durch den Menschen ablaufen. Der größte geschützte Primärregenwald in Afrika und gleichzeitig das drittgrößte tropische Waldschutzgebiet der Erde bietet einer Vielzahl charismatischer Arten ein Zuhause. Über die Rettung einer einzigartigen, weitgehend unerforschten Region.
Unerforscht und voller Leben
Salonga liegt im Herzen des Kongo-Beckens, südlich des majestätischen Flusses Kongo. Es ist der einzige Nationalpark der Erde, der die am wenigsten erforschte Menschenaffenart – den Bonobo – beherbergt. Etwa 15.000 Bonobos leben hier. Salonga ist damit wahrscheinlich die wichtigste Bastion aller freilebenden Bonobos und von immenser Bedeutung für den Schutz dieser Art. Außerdem ist der Nationalpark Heimat für Leoparden, Antilopen, Flusspferde, Riesenschuppentiere und einen wichtigen Bestand der stark bedrohten Waldelefanten. Dabei bergen Flora und Fauna von Salonga auch heute noch viele Geheimnisse.
Grüne Lunge
Es führen nicht viele Wege nach Salonga, der Park ist nur per Flugzeug oder Boot erreichbar. Wer sich aus der Luft mit einem Propellerflugzeug nähert, erblickt undurchlässiges Grün, soweit das Auge reicht, unterbrochen nur von den typischen Öffnungen entlang größerer Flüsse und den sogenannten Baïs (große Lichtungen). Salonga besteht zu fast 95 Prozent aus Wald und die Dichte der Vegetation ist atemberaubend.
Von oben betrachtet erinnert die Form des Parks an die zwei Flügel menschlicher Lungen: Salonga trennt ein etwa 45 Kilometer breiter Korridor in zwei große Blöcke, den „Norden“ und den „Süden“ des Parks. In diesen grünen Lungenflügeln atmet die Natur wirklich. Nicht nur die Biodiversität, sondern auch Kohlenstoffspeicherung und Klimaregulierung der riesigen Wälder sind von globaler Bedeutung. Wie ein Schwamm sichern die Gewässer und Sümpfe außerdem die Wasserversorgung des Kongobeckens.
Die Demokratische Republik Kongo ist das biologisch vielfältigste Land Afrikas. Im Landesinneren und extrem abgeschieden liegt mit Salonga einer der letzten intakten tropischen Regenwälder unserer Erde. Die Region besticht durch einen enormen Artenreichtum – darunter auch viele international gefährdete Tiere und Pflanzen wie Bonobos, Waldelefanten, Duiker-Antilopen, Nashornvögel und das Westafrikanische Panzerkrokodil.
Welterbe in Gefahr
Die Unberührtheit Salongas, der Artenreichtum und der enorme Wert, den die Wälder für das Kongobecken und die gesamte Erde haben, ließen die UNESCO den Nationalpark 1984 zum Weltnaturerbe erklären. Salonga sei eines der sehr seltenen, absolut intakten Biotope Zentralafrikas, bescheinigte das Komitee. 15 Jahre später nahm die UNESCO Salonga wegen schwerer Wilderei in die Liste gefährdeter Welterbestätten auf. Zu dieser Zeit waren insbesondere die Elefantenzahlen drastisch gesunken. Das Parkmanagement konnte die massiven Wildereiangriffe nicht verhindern.
Im Juli 2021 dann das Aufatmen: Das Welterbekomitee der Unesco gab auf seiner 44. Sitzung bekannt, dass der Salonga Nationalpark nach mehr als 20 Jahren nicht mehr auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten steht. Das 2015 gestartete gemeinsame Park-Management der kongolesischen Naturschutzbehörde ICCN und WWF habe zu einem deutlich besseren Schutz-Zustand in allen Bereichen geführt. Dank des Rückgangs der Wilderei würden sich bedrohte Tierarten wie Bonobos und Waldelefanten wieder erholen. Gleichzeitig honorierte das Komitee die Klarstellung der kongolesischen Regierung, keine Ölbohrungen im Park zuzulassen.
„Die Entscheidung des Komitees ist eine große Auszeichnung und zeigt, dass Salonga auf einem guten Weg ist“, sagt Julia Bayer, Projektmanagerin für Zentralafrika beim WWF Deutschland. „Es gibt nur noch ganz wenige Orte auf der Welt, wo die Natur noch so unberührt ist und es unendlich viel zu erforschen gibt. Wir möchten diese fantastische Artenvielfalt erhalten – für die Menschheit insgesamt und mit und für die lokalen Gemeinschaften vor Ort.
Wohl und Übel der Abgeschiedenheit
Noch ist der Salonga-Nationalpark weitestgehend intakt und die Abholzungsrate mit 0,01 Prozent im Jahr verschwindend gering. Doch der Druck auf die Wälder steigt. Ihre Entlegenheit in der Tiefe des Kongobeckens ist Wohl und Übel zugleich, zu viel illegale Jagd bleibt unentdeckt. Nach wie vor ist die Wilderei Hauptbedrohung für Salongas Artenvielfalt. Die Nachfrage nach Buschfleisch, lebenden Tieren und Elfenbein reißt nicht ab und auch die Überfischung der Flüsse ist ein Problem.
Rettung eines Welterbes
„Salonga ist riesig. Wie soll man mehr 33.500 Quadratkilometer Nationalpark mit nur 300 Rangern sichern?“ Parkdirektor Pierre Kafando bringt eines der drängendsten Probleme auf den Punkt. Salonga braucht mehr Ranger. Und diese müssen besser ausgerüstet und professionalisiert werden. Eine funktionierende Infrastruktur muss aufgebaut und die Grenzen des Parks für die Bevölkerung klar ersichtlich sein. Ein gutes Bio-Monitoring kann außerdem zeigen, ob die Maßnahmen gegen die Wilderei greifen oder wie sie verbessert werden können.
Jäger aus Tradition und Alternativlosigkeit
Die Menschen, die rund um den Nationalpark in der tiefen Wildnis des Kongobeckens leben, sind ursprünglich Jäger. Das ist in ihren Traditionen tief verwurzelt und Traditionen aufgeben fällt schwer. Noch dazu, wenn es kaum Alternativen gibt. Will man den Druck auf die natürlichen Ressourcen des Parks mindern, muss man alternative Einkommensquellen schaffen, die Anrainerbevölkerung in das Naturschutzkonzept einbeziehen und Stolz für „ihren“ Park und damit Unterstützung für den Naturschutz zu wecken.
Salonga und der WWF
Um sich den Herausforderungen in Salonga zu stellen, den Park zu retten und ihn irgendwann endgültig von der Liste bedrohter Naturerbe streichen zu können, hat der WWF 2016 gemeinsam mit der Kongolesischen Naturschutzbehörde (ICCN) die Leitung des Nationalparks übernommen. Über das reine Parkmanagement hinaus geht es dabei um die Strukturentwicklung einer ganzen Region. Denn zur wirklich nachhaltigen Bekämpfung von Wilderei und illegaler Ausbeutung der natürlichen Ressourcen gehört die Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung.
Seither ist viel passiert und der Zustand des Naturerbes hat sich deutlich verbessert. Im November 2021 haben der WWF und die ICCN ihre Vereinbarung erneuert, Salonga und seine Reichtümer zu bewahren. Das Ziel beider Parteien ist es, eines der wichtigsten Waldgebiete Zentralafrikas zu schützen und gleichzeitig die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Das neue Abkommen stellt die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Naturschutzarbeit. Es fördert einen integrativen Naturschutz, der den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung gerecht wird und sie als Hauptakteure der Naturschutzarbeit sieht.
Der Salonga-Nationalpark und sein Umland ist Heimat von mehr als einer Million Menschen, für viele ist der Wald Lebensgrundlage, sie haben kaum Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Bildung und Lebensmitteln – umso wichtiger ist es, eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen zusammen mit der Bevölkerung zu etablieren und alternative Einkommensquellen für sie zu schaffen.
An der Seite von WWF und ICCN arbeitet nun auch die Menschenrechtsorganisation Jurec (Juristes pour l'Environnement au Congo), die bei der Verankerung von auf Rechten basierenden Konzepten mitwirken soll und den lokalen Beschwerdemechanismus managt.
Auch die weitere Anti-Wilderei-Arbeit ist Inhalt der Vereinbarung zwischen WWF und ICCN: Die Organisation Chengeta Wildlife hilft bei der Ausbildung und Professionalisierung von staatlichen Eco Guards, um den Park besser zu schützen und die Strafverfolgung im Falle von Wilderei, auch mit Bezug auf Menschenrechte, zu verbessern.
WWF und ICCN sind entschlossen, sowohl aus den positiven als auch den schwierigen Erfahrungen zu lernen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen, in dem nachhaltige Entwicklung und Naturschutz Hand in Hand gehen.
Eine Zukunft für Salonga
„Salonga soll ein Leuchtturm im Herzen Zentralafrikas werden, wo Entwicklung und Naturschutz Hand in Hand gehen.“ Parkdirektor Pierre Kafando beschreibt ein ambitioniertes Ziel und eine extrem umfassende Aufgabe. Unterstützt wird der Park dabei vom Europäischen Entwicklungsfonds, von der deutschen Bundesregierung durch die KfW und von der amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID).
- Kongo-Becken
- Salonga: Naturschutz und Menschenrechte
- Salonga: Inventur eines Schutzgebietes
- In Zukunft Kaffee aus Salonga
- Sanftmütig und rätselhaft: Bonobos in Salonga
- Salongas Wilderern auf der Spur
- Salonga: Naturschutz als Motor von Entwicklung
- Neue Hoffnung für Salonga
- Salonga: Wald der 1000 Gesichter
- Eine Fischfarm im Salonga-Nationalpark
Weitere Informationen