Nana Imbile sitzt vor einer Hütte mit Strohdach, etwa eine Dreiviertelstunde flussabwärts von ihrem Hauptquartier in Monkoto – einem Dorf in der Demokratischen Republik Kongo. Sie beendet das in Bananenblätter eingewickelte Abendessen und macht sich daran, die Betten für sich und die anderen Ranger zu richten. Der Wald um Imbile herum lebt hörbar durch die Rufe der Affen, die Schreie der Regenwald-Baumschliefer und das Schnattern der Graupapageien, die in kleinen Gruppen über den Himmel ziehen. Im Morgengrauen wird Imbiles Patrouille für zwei Wochen tief in Salongas Dschungel vordringen.
Nana Imbile ist Rangerin in Afrikas größtem Regenwaldschutzgebiet Salonga. Sie kämpft gegen eine der drängendsten Gefahren hier, die Wilderei. Salonga steht auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten. Dabei ist der Nationalpark eines der unberührtesten Gebiete unserer Erde. Was bedroht diese Unberührtheit und was kann und muss man dagegen tun?
In den Sümpfen Salongas
Imbile ist eine von nur 16 Frauen, die als Parkrangerin in Salonga arbeiten, und eine von nur acht, die im Park patrouillieren. In Kleingruppen von 15 Rangern durchforsten sie den Regenwald und teilen sich hier oft noch einmal auf, um ein größeres Gebiet abdecken zu können. Es gibt kaum richtige Wege. Die meiste Zeit waten die Patrouillen durch tiefen Sumpf, das Wasser reicht den Rangern oft bis zur Taille. Sie halten Ausschau nach Fußabdrücken und kleinen, abgebrochenen Ästen: Damit markieren Wilderer im Hänsel-und-Gretel-Stil ihre Pfade.
300 Ranger gegen die organisierte Kriminalität
Nur 300 Ranger überwachen in Salonga eine Fläche so groß wie Nordrhein-Westfalen. Dabei sind sie und ihre Ausrüstung den Wilderern oft unterlegen. „Früher waren die Wilderer Dorfbewohner, die Tiere für den lokalen Markt jagten“, erzählt Bokele Loko Lolongo. Er hat 40 Jahre lang als Ranger in Salonga gearbeitet. Heute ist er 73 und im Ruhestand. „Anfang der 1980er Jahre erschienen dann Männer mit schweren Waffen und Sturmgewehren. Diese neue Art Wilderer begann, Elefanten in Massen zu töten.“ Heute arbeitet die Wildtiermafia in organisierten Netzwerken mit automatischen Waffen und hochmodernen Kommunikationsmitteln, um einen internationalen Markt zu bedienen.
Wilderei: Größte Bedrohung in Salonga
Nach wie vor tötet die Wildereimafia im Salonga-Nationalpark gezielt Elefanten für ihr Elfenbein. „Schwer bewaffnet können Wilderer an einem Tag bis zu 30 Elefanten abschießen“, beklagt Bokele. Salonga ist Heimat der stark gefährdeten Waldelefanten. Aufgrund seiner enormen Größe könnte der Park leicht 70.000 Elefanten beherbergen. Heute leben hier nicht einmal fünf Prozent davon. Doch auch Antilopen, Büffel, Affen, Papageien, Pangoline und viele andere Arten werden in Salonga durch die Wilderei bedroht und ihre Populationen erheblich dezimiert.
Der Salonga-Nationalpark liegt abgeschieden in der Tiefe des Kongobeckens. Seine enorme Artenvielfalt und die globale Bedeutung der riesigen, nahezu unberührten Wälder machen ihn zum Weltnaturerbe. Besonders die Wilderei jedoch und ein Parkmanagement, das den Bedrohungen des Schutzgebietes lange nicht genug entgegensetzen konnte, ließen die UNESCO den Park als "Welterbe in Gefahr" einstufen. Das muss sich ändern.
Buschfleisch und der Handel mit lebendigen Tieren
Über die Flüsse transportieren die Wilderer ihre Beute weit hinaus aus dem Salonga-Nationalpark – dorthin, wo Wildtierfleisch als eine Delikatesse zu hohen Preisen gehandelt wird. Gerade in städtischen Gebieten ist die Nachfrage nach Buschfleisch groß. Betroffen sind nahezu alle Arten, vor allem jedoch Antilopen und kleine Primaten. Jungen Bonobos, den kleinsten Menschenaffen der Welt, droht eine weitere Gefahr: der Handel mit Jungtieren. Um sie lebend zu fangen, wird meist ihre ganze Familie getötet, die dann als Buschfleisch auf den Markt gelangt. Die Jungtiere werden auf dem Markt lebend verkauft. Auch andere Affenarten und Graupapageien sind Ziel dieses illegalen Tierhandels.
Dabei handeln die Wilderer zumeist aus Armut und Not heraus. Jahrelange Kriege im Land haben die Entwicklung einer Landwirtschaft verhindert, die mehr leistet, als von der Hand in den Mund zu leben. Die Jagd war bisher immer ein adäquates Mittel, um die Proteinversorgung oder das Einkommen des Haushaltes zu erhöhen. Dadurch, dass die Tiere außerhalb des Parks aufgrund fehlender Jagdquoten schon stark dezimiert sind, scheint das Schutzgebiet als Jagdgebiet besonders attraktiv.
Klare Grenzen
Salongas Flüsse sind durch die unkontrollierte und zum Teil illegale Fischerei bedroht. Es sind vor allem lokale Fischer, die mit Dynamit, Gift und engmaschigen Moskitonetzen Flussleben und Fischbestände gefährden. An seinen Rändern verschwimmen außerdem die Grenzen des Nationalparks. Eine stetig wachsende, arme Bevölkerung sichert ihr Überleben auch durch Jagd im Schutzgebiet. Dabei spielt auch oft die Unwissenheit über die Grenzen des Parks eine Rolle.
Was muss noch passieren, um das Welterbe Salonga zu retten?
2016 hat der WWF gemeinsam mit der kongolesischen Naturschutzbehörde ICCN das Parkmanagement übernommen, um den Bedrohungen des Nationalparks wirksam zu begegnen. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung der Wildhüter - auch EcoGuards genannt - für eine professionellere Wildereibekämpfung. Die EcoGuards werden spezieller geschult und besser ausgerüstet. Auch Menschenrechtstrainings sind dabei Teil des Kurrikulum.
Gemeinsam mit der Bevölkerung
Über die Kontrolle hinaus ist ein steter Dialog mit örtlichen Behörden und Gemeinden unerlässlich. Und nicht zuletzt gehört auch die Bekämpfung der Armut in der Region zur Rettung Salongas. Der WWF und seine Partner in Salonga schaffen deshalb alternative Einkommensquellen – beispielsweise durch eine ertragreichere, nachhaltige Landwirtschaft, die Schaffung von Marktzugängen für lokale Produkte und den Aufbau von Wertschöpfungsketten.
Biomonitoring und Forschung
Man kann nur wirkungsvoll schützen, was man kennt. Der Nationalpark Salonga birgt eine faszinierende biologische Vielfalt, die bisher in weiten Teilen unerforscht ist. Verschiedene Forschungsprojekte mit unterschiedlichen Partnern vertiefen das Wissen über Flora und Fauna, ökologische Zusammenhänge und vom Menschen verursachte Auswirkungen in Salonga. Konsequentes Monitoring hilft, die Strategie zur Wilderei-Bekämpfung ständig zu verbessern.
Kamerafallen in den typischen Baïs
Baïs werden die charakteristischen, großen, grasbewachsenen und eigentlich geschützten Lichtungen in den Wäldern Salongas genannt, wo sich zum Beispiel Waldelefanten sammeln – wo sie aber auch leicht von Wilderern entdeckt werden können. In einigen der Baïs und anderen sensiblen Lebensräumen wurden Kamerafallen aufgestellt, um gefährdete Arten wie Waldelefanten oder auch Bonobos zu überwachen und illegale Aktivitäten aufzudecken.
Alles geben für die Wildtiere
Nana Imbile entdeckt die Abdrücke eines Leoparden und setzt eine GPS-Markierung. Insgesamt zwei Wochen, also etwa 336 Stunden, ist sie mit einer kleinen Gruppe Ranger durchgehend im schwer zugänglichen Dschungel unterwegs, um Wilderern auf die Spur zu kommen und ihre Fallen zu beschlagnahmen – aber auch, um die Sichtung von Tieren und ihren Spuren zu dokumentieren. Inzwischen ist die Sonne fast untergegangen und einige Strass-Steine glitzern auf dem Kopftuch, das Imbile unter ihrem Standard-Armeehut trägt. "Es gibt Tiere, die verschwinden werden", sagt sie kopfschüttelnd. "Wenn wir nicht gut arbeiten, werden Wilderer sie ausrotten." Soweit darf es nicht kommen. Der Nationalpark Salonga ist eines der letzten intakten Biotope unserer Erde und muss als solches erhalten bleiben.
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