Der Chiribiquete-Nationalpark ist ein Ort von unschätzbarem Reichtum. Er ist nicht nur der größte Regenwald-Nationalpark der Welt, sondern wurde 2018 aufgrund seines enormen kulturellen und ökologischen Wertes als gemischte Stätte in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Doch illegale Abholzung ist nach wie vor eine latente Bedrohung für das Naturparadies. Im Rahmen des IKI-Projekts „Protected Areas and Peace“ arbeitet der WWF mit den Menschen der lokalen Gemeinden zusammen, um die Entwaldung zu bekämpfen.

Haupttreiber der Waldzerstörung sind Siedler:innen, die aus dem Wald Kapital schlagen wollen. Sie eignen sich Brachflächen an oder roden den Wald, um ihn für die Viehzucht oder den Anbau illegaler Pflanzen zu nutzen. Auch der Bau von Straßen und Siedlungen setzt Chiribiquete zu. Hinzu kommen indirekte Ursachen wie Korruption, illegaler Bergbau und nicht zuletzt die Klimakrise.

Auch die Menschen, die direkt um das Schutzgebiet herum leben, sind für die Abholzung verantwortlich – allerdings nur zu einem sehr geringen Teil. Sie nutzen den Wald, weil sie keine andere Wahl haben. Sie brauchen ihn, das Holz, das er liefert, und das Land, das man ihm abringen kann, zum Überleben.

Der WWF arbeitet seit vielen Jahren mit mehreren Projekten im und um den Chiribiquete-Nationalpark. Die Projekte, die der WWF hier gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung durchführt, zeigen, wie wichtig es für die Naturschutzarbeit ist, den Menschen Wege aus der nicht nachhaltigen Nutzung des Waldes aufzuzeigen.

Wege zu nachhaltiger Landwirtschaft

Und das beginnt schon bei der Planung von landwirtschaftlichen Betrieben, die wiederum mit einer Bestandsaufnahme beginnt: Wer lebt auf dem Hof? Was brauchen die Familien? Was wird produziert? Was möchten sie produzieren? Wie ist das Land beschaffen, auf dem der Hof liegt? Diese und andere Fragen klären die Menschen gemeinsam mit dem WWF und anderen Institutionen, die sich für den Erhalt der Wälder einsetzen.

Nach der Planung besprechen die Expert:innen mit den Familien die Maßnahmen, die sie auf ihren Höfen umsetzen wollen. Die Höfe sind die Lebensgrundlage der Menschen, deshalb ist es so wichtig, auf ihre Bedürfnisse einzugehen, damit der Hof das abwirft, was die Familie zum Überleben braucht.

„Zuerst haben wir die Farm vermessen und dann kleine Weiden angelegt. Früher brauchten wir viel Land für jede Kuh, also haben wir den Wald gerodet. Jetzt legen wir kleinere Weiden an und lassen die Kühe rotieren. Wir stellen Wasser in die Koppeln, damit die Rinder nicht zum Trinken an den Fluss müssen. So bleibt das Wasser sauber, denn ich weiß, dass viele Menschen auf das Wasser in der Nähe meines Hofes angewiesen sind.“

Niny Jhonana Martínez, ein Landwirt aus Guaviare

Diese Form der Landnutzungsplanung ermöglicht es den bäuerlichen Gemeinschaften – mit Unterstützung von lokalen Regierungen und Organisationen wie dem WWF – die Ursachen der Entwaldung zu reduzieren, wie z.B. extensive Viehhaltung. In Kombination mit nachhaltiger Bewirtschaftung tragen die Familien so maßgeblich zum Erhalt der Natur bei und verringern den Druck, den die Landwirtschaft auf die Wälder und die darin lebenden Tiere ausübt.

Kennen, was man schützt

Edwin Rodríguez nimmt die Daten aus den Messungen von Bäumen mit einem Durchmesser von mehr als 2 cm © Stefany Olaya / WWF Kolumbien
Edwin Rodríguez nimmt die Daten aus den Messungen von Bäumen mit einem Durchmesser von mehr als 2 cm © Stefany Olaya / WWF Kolumbien

Die Waldinventur ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit des WWF im Projekt „Protected Areas and Peace“ in Chiribiquete. Denn wer die Natur schützen will, muss kennen, was er schützt. Bei der Gemeindewaldinventur werden die Bäume in einem Waldgebiet gezählt und vermessen. Denn für die Menschen ist es wichtig zu wissen, was im Wald wächst und wie sie die Pflanzen nutzen können. José Ibañez ist einer von ihnen – er träumt davon, vom Wald leben zu können. Von der Waldinventur erhofft er sich, mehr über seinen Wald zu erfahren.

Für die Waldinventur wird der Wald in 100 Quadratmeter große Parzellen eingeteilt. Jeder Baum und jede Pflanze mit einem Durchmesser von mehr als zwei Zentimetern wird mit einer Nummer versehen und die Höhe, die Breite der Krone und die Dicke des Stammes werden gemessen. Auch von den Früchten werden Proben genommen.

Auch Frauen sind an der Waldinventur beteiligt. Andrea Muñoz, Ingenieurin für Agroforstwirtschaft und Koordinatorin des „Protected Areas and Peace“, sagt dazu: „Die Beteiligung der Frauen an einem Prozess, der bisher nur von Männern durchgeführt wurde und nun von Frauen, Jugendlichen und Älteren entwickelt wird, ist sehr erfreulich. Denn es trägt dazu bei, dass sich die Frauen Wissen über ihr Territorium aneignen“.

Tierische Schätze des Waldes

Bild mit Kamerafalle aufgenommen: Kornaffe © WWF
Bild mit Kamerafalle aufgenommen: Kornaffe © WWF

Zum Wald gehören auch seine tierischen Bewohner. Und auch für sie interessieren sich die Landwirt:innen vor Ort: Sie überwachen regelmäßig die Artenvielfalt auf ihren Höfen und in den Wäldern rund um den Nationalpark Serranía del Chiribiquete.

„Das gemeinschaftliche Monitoring zielt darauf ab, die Beziehung zwischen Mensch und Natur zu stärken und das Wissen zu vergrößern. Durch die Verbesserung dieser Beziehung werden die Familien ermutigt, Entscheidungen zu treffen, die zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Wälder und zur nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Ländereien beitragen“, erklärt César Suárez vom WWF Kolumbien. „Außerdem ermöglicht das Monitoring, Veränderungen auf den Höfen zu erkennen und gegebenenfalls die Aktivitäten zu überdenken, um ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Schutz zu erreichen.

Das Aufstellen von Kamerafallen ist für das Wildtiermonitoring unerlässlich. Über die Bilder der Kameras erfahren die Landwirt:innen, welche Tiere auf ihren Höfen vorkommen. Und das Projekt ist erfolgreich: Stolz zeigen die Landwirt:innen die Bilder der Kamerafallen, auf denen so symbolträchtige Arten wie Jaguar, Puma, Riesengürteltier und Amazonas-Tapir zu sehen sind.

„Für die Landwirt:innen ist die Überwachung wichtig, um zu erkennen, welches Potenzial ihre Höfe haben und welchen Reichtum sie beherbergen“, so Yeison Bohórquez, Gemeindebeobachter im Departement Guaviare. „Für die Bauern ist es gut, Fotos oder Videos von den Arten auf ihren Feldern zu haben. Das ist wichtig für zukünftige Projekte, zum Beispiel für den Tourismus.

Ein Beitrag zur Friedenskonsolidierung

Von der Landnutzungsplanung über die Waldinventur bis hin zum Wildtiermonitoring – all diese Prozesse tragen dazu bei, die Kapazitäten von Gemeinden, lokalen Organisationen und Institutionen zu stärken. Sie tragen zum Erhalt und zur Sicherung der Lebensgrundlagen von Gemeinschaften in Gebieten bei, die von bewaffneten Konflikten gezeichnet sind und deren Bewohner:innen im Rahmen der Friedenskonsolidierung nach neuen Wegen der Lebensführung suchen.

Das Projekt wird von der Internationalen Klimaschtutzinitiative (IKI) des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert und in Zusammenarbeit mit den Nationalparks in Kolumbien umgesetzt.

Mit Ihrer Hilfe schützen wir den Regenwald und helfen den Menschen vor Ort:

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