Der Amazonas-Regenwald ist einzigartig und reich an Superlativen: es ist der größte Regenwald der Erde, mehr als 40.000 Pflanzenarten gibt es hier, über 400 Säugetierarten, unzählige Vögel, Reptilien und Insekten – noch immer werden regelmäßig neue Arten entdeckt. Doch sie alle – und die Menschen, die hier leben – sind bedroht.
Waldbrände, Abholzung, Hochwasser, Dürre – der Druck auf den Amazonas wächst Jahr für Jahr. Die größte Bedrohung ist die rücksichtslose und meist illegale Zerstörung der Wälder für Viehweiden, Bergbau oder zur Holzgewinnung. Hinzu kommen die Klimakrise, dramatische Wetterphänomene und die Folgen jahrelang verfehlter Politik, die den Amazonas immer näher an den Kollaps bringen.
Der aktuelle Stand im Amazonas:
Dezember 2024: Ein verheerendes Jahr!
Die Waldbrandsaison in Brasilien ist zu Ende, und die Bilanz des WWF ist alarmierend: In den drei zentralen Ökosystemen – Amazonas, Cerrado und Pantanal – wurden laut der Daten des Umweltsatellitenlabors (Lasa) und des Nationalen Weltrauminstituts (INPE) neue Rekorde sowohl bei der Anzahl der Brände als auch bei der zerstörten Fläche verzeichnet.
Im brasilianischen Teil des Amazonas wurden zwischen dem 1. Januar und dem 30. November 2024 etwa 135.000 Brände registriert – ein Anstieg von fast 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit 2007. Die verbrannte Fläche belief sich bis zum 20. Oktober auf beeindruckende 13 Millionen Hektar.
In der Feuchtsavanne Cerrado und im Feuchtgebiet Pantanal ist die Situation noch gravierender: Im Cerrado wurden 2024 fast 80.000 Brände gezählt – ein Anstieg von 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit 2012. Mit mehr als 14 Millionen Hektar brannten hier sogar mehr Flächen als im Amazonasgebiet.
Das Pantanal erlebte mit rund 14.500 Bränden das zweitschlimmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1998 (nur 2020 war schlimmer). Im Vergleich zu 2023 stieg die Zahl der Brände um 139 Prozent, 2,5 Millionen Hektar Feuchtgebiet fielen den Flammen zum Opfer.
Insgesamt wurden in den drei Regionen 229.061 Brände registriert, die eine Fläche von 30,1 Millionen Hektar zerstörten – das entspricht in etwa der Fläche Italiens. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen warnt der WWF vor katastrophalen Folgen für Biodiversität und Klimaschutz und fordert die brasilianische Regierung dringend zum Handeln auf.
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Oktober 2024: Dürre, Brände und zu warme Gewässer
Die schlechten Nachrichten von Anfang September 2024 setzen sich leider auch im ganzen weiteren Monat fort: Der September ist im Amazonas-Gebiet, aber auch im wichtigen Cerrado und im Pantanal von schweren Bränden geprägt. Das zeigen Daten des für die Satellitenüberwachung zuständigen Instituts für Weltraumforschung (Inpe).
Demnach brannte es im Amazonas-Gebiet im September 41.463 Mal, ein Anstieg von 57 Prozent zum Vorjahr. Im Cerrado betrug der Anstieg sogar 122 Prozent (29.319 Feuer im September 2024). Den größten Anstieg gab es jedoch im Pantanal: Hier wurden 2.688 Feuer gezählt – ganze 620 Prozent mehr als im Vorjahr.
Hauptgrund für die Brände sind weiterhin gezielte Brandstiftungen zur Umwandlung in Weide- und Ackerland. „Amazonas, Pantanal und Cerrado stehen in Flammen, weil es massive wirtschaftliche Interessen gibt. Mit hoher krimineller Energie werden Regenwald, Savannen und Feuchtegebiete zerstört,“ so der WWF-Lateinamerika-Experte Roberto Maldonado.
Schlechte Nachrichten gibt es auch aus den Gewässern des Amazonas: Mindestens 23 Seen sind wärmer als in einem durchschnittlichen August der letzten fünf Jahre. Und in zwölf Seen davon übertrifft die Temperatur bereits das Niveau des Vorjahres, das zu einem Schicksalsjahr für die bedrohten Flussdelfine wurde.
Dass es diese Daten zu den Temperaturen überhaupt gibt, ist einem neuen Messsystem des WWF Brasilien und MapBiomas zu verdanken. Seit Sommer 2024 überwacht das Netzwerk die Temperaturen in 23 Seen und hilft so, Gefahren schneller und vor allem systematischer zu erkennen – und so schneller Hilfe für bedrohte Arten sowie die Menschen zu bieten, die mit und von den Gewässern leben.
September 2024Das Jahr 2024 droht für den Amazonas und für Brasilien erneut ein schreckliches Jahr zu werden: Die Brände, die schon in den ersten Monaten des Jahres alle wichtigen Biome* heimsuchten, weiten sich weiter aus. Immer wieder brechen neue Feuer aus und geraten außer Kontrolle.
Von Januar bis August 2024 loderten im brasilianischen Teil des Amazonas laut dem Queimadas Program des National Institute for Space Research (INPE) insgesamt 63.189 Feuer. Das ist die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten und eine Verdopplung zum Vorjahr (2023: 31.488). Allein im August 2024 waren es 38.266 Feuer in Brasilien.
Hinzu kommt, dass die Feuer eine Rauchwolke über weiten Teilen des Bioms erzeugt haben, die sich im Laufe des Monats August über Tausende von Kilometern in andere Teile des Landes ausbreitete und mindestens elf Bundesstaaten erreichte. Die so genannten „fliegenden Flüsse“ tragen den Rauch weit ins Land. Normalerweise transportieren sie die lebenswichtige Feuchtigkeit aus dem Amazonas-Regenwald in andere Regionen des Kontinents. Nun erzeugen sie riesige Rauchströme, die auch für die Bevölkerung gesundheitsschädlich sind.
„Die Region, in der sich der Rauch, den wir im August festgestellt haben, konzentriert, fällt mit dem so genannten Bogen der Entwaldung zusammen, der das nördliche Rondônia, den südlichen Amazonas und den südwestlichen Pará umfasst. Dies deutet darauf hin, dass neben dem Klimawandel und El Niño die vom Menschen verursachten Veränderungen in der Landnutzung eine zentrale Rolle bei der Zunahme der Brände spielen“, erläutert Helga Correa vom WWF Brasilen.
Die Situation könnte sich noch verschärfen, befürchtet der WWF. Aktuell herrscht die Trockenzeit. Erst im Januar setzt die Regenzeit wieder ein.
Im Pantanal wurden zwischen dem 1. und 27. August 2024 laut Daten des Queimadas-Programms des INPE 3.845 Feuerausbrüche registriert. Diese Zahl entspricht einem Anstieg von 3.707 Prozent im Vergleich zu den 101 Feuerausbrüchen, die im selben Zeitraum im Jahr 2023 verzeichnet wurden. Bis zu 1,8 Millionen Hektar Fläche sind verbrannt. Betroffen sind auch Gebiete Indigener Gemeinschaften.
Im Cerrado wurden zwischen dem 1. und 27. August 15.190 Brandausbrüche registriert. Diese Zahl entspricht einem Anstieg von 127 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2023, in dem 6.687 Brandausbrüche verzeichnet wurden, so INPE. „Die Situation im Cerrado ist besorgniserregend. Daten zeigen, dass der Cerrado seit 1985 bereits 380.000 Quadratkilometer seiner natürlichen Vegetation verloren hat, eine Fläche größer als Deutschland“, so Konstatin Ochs, Projektmanager für Lateinamerika beim WWF Deutschland.
*Biom: Ein regionales Ökosystem mit einer bestimmten Kombination an Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen und unbelebten Umweltmerkmalen, die oft bestimmte Klima- und Bodenverhältnisse widerspiegeln.
Februar/März 2024Das Jahr 2024 droht für den Amazonas erneut ein schreckliches Jahr zu werden: Allein im Februar hat es nach Angaben des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (INPE) mehr als 3.200 Mal gebrannt. Noch nie wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten so viel CO2 einem Monat ausgestoßen. Es sind die höchsten gemessenen Emissionswerte seit Beginn der Datenaufzeichnung durch den Copernicus Atmospheric Monitoring Service (CAMS) im Jahr 2003.
Grund dafür sind Brandrodungen und die seit Mitte 2023 anhaltende ungewöhnliche Trockenheit, die durch die globale Klimakrise angeheizt und durch das Wetterphänomen El Niño verstärkt wird.
Bei der Entwaldung sieht es etwas besser aus: Für den Februar vermeldete das brasilianische Weltrauminstitut einen Rückgang um 30 Prozent der Entwaldungswarnungen. Für den Zeitraum seit August 2023 wird ein Waldverlust von 2.350 Quadratkilometern verzeichnet – minus 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Waldbrände vernichten den Amazonas
Jahr für Jahr brennt es im Amazonas, doch mit dem Amtsantritt von Präsident Lula im Januar 2023 ging die Abholzung im brasilianischen Teil des Amazonas zurück: 2023 wurde deutlich weniger Wald zerstört als in den Jahren zuvor.
2022 sah das noch ganz anders aus – ein trauriger Rekord jagte den nächsten: So wie im Mai 2022 als im brasilianischen Amazonasbecken in nur einem Monat 2.287 Brände wüteten; die zweithöchste bis dato gemessene Zahl für diesen Monat. Anfang September 2022 erreichten die Zahlen neue Rekordwerte: Innerhalb von nur fünf Tagen wurden 15.000 Waldbrände gezählt. Das waren die schlimmsten Ausbrüche seit 15 Jahren.
Die Brände im brasilianischen Regenwald sind seit vielen Jahren allgegenwärtig. Eindrucksvoll belegt das eine beispiellose Analyse der Initiative MapBiomas, die Mitte August 2021 veröffentlicht wurde. Den Daten zufolge stand in den vergangenen 36 Jahren etwa ein Fünftel der Landfläche Brasiliens mindestens einmal in Flammen. In jedem dieser 36 Jahre brannte im Durchschnitt eine Fläche größer als England: 150.957 Quadratkilometer.
- Der bedrohte Nachbar des Amazonas: Cerrado
Politik befeuerte die Waldbrände
Ein Grund, warum es gerade im Jahr 2022 eine so extrem hohe Anzahl an Bränden gab, könnten die Wahlen im Oktober gewesen sein. Unterstützer:innen des damals amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro befürchteten seine Abwahl – und damit „eine Verschärfung der Umweltpolitik mit verstärkten Kontrollen und strengeren Gesetzen“, so Professorin Aiala Colares von der UEPA (Universität des Bundesstaates Pará).
In den Gebieten, in denen diese Brandstiftungen stattgefunden hatten, war der Einfluss der Bolsonaro-Anhänger besonders stark. „Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Wahlen und den Gebieten, die einige Kriminelle nutzen, um ihr Weideland zu vergrößern“, sagte Aiala Colares damals.
Jair Bolsonaro hinterließ ein Trümmerfeld mit Abholzungen auf Rekordniveau, ebenso wie sein Vorgänger, Michel Temer, der riesige Flächen aus Indigenen Schutzgebieten herauslösen wollte, um hier dem Raubbau an den Wäldern Tür und Tor zu öffnen und Bergbaukonzessionen zu vergeben. Nach immensem nationalem und internationalem Druck musste Temer sein Vorhaben zurückziehen.
Die Hoffnung, dass sich der Trend unter Brasiliens aktuellem Präsidenten, Luiz Inácio da Silva, umkehrt ist groß. Schon einmal hat er das Land regiert (2003 bis 2010) und während seiner Amtszeit einen Rückgang der Entwaldung erreicht. Und tatsächlich: Lula stellt sich auch in der aktuellen Amtszeit an die Seite der Indigenen und will laut eigenen Aussagen „Null-Abholzung“ anstreben.
- Wahlen in Brasilien: Entscheidung für den Amazonas
Warum brennt der Amazonas?
Jedes Jahr aufs Neue werden die meisten Brände absichtlich gelegt, um Land für Aktivitäten wie Landwirtschaft und Viehzucht zu roden, aber auch um Holz zu gewinnen. „Im Amazonasgebiet sind Brände das letzte Stadium der Entwaldung. Sie stehen in engem Zusammenhang mit Landraub, Invasion und illegaler Besetzung von öffentlichem Land“, so Mariana Napolitano, wissenschaftliche Leiterin des WWF-Brasilien.
„Die Verantwortung für den Landraub liegt aber nicht nur in Brasilien, denn das auf den gerodeten Flächen produzierte Soja geht in den Export. Auch für unsere maßlose Fleischproduktion in Deutschland und Europa werden lebenswichtige Ökosysteme nach und nach vernichtet.“
Der Verlust des Amazonas bedroht Menschen weltweit
Die Umwandlung von Wald in Weideflächen ist eine ökologische Katastrophe, denn der Regenwald ist dann für immer zerstört. Selbst, wenn der Wald nicht ganz gerodet und abgebrannt wird, bleibt ein degradierter Wald zurück. Die abgebrannten Gebiete haben weniger große Bäume, eine leicht entflammbare, trockene Biomasse und sind sehr anfällig für Brände.
Die Brände im Amazonas haben unmittelbare Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt und sie wirken sich auch auf die Gesundheit der Bevölkerung in der Region aus. Doch nicht nur für die Region, sondern auch für die ganze Welt ist die Entwicklung gefährlich. „Der Amazonas kann eine solche Zerstörung nicht mehr verkraften“, warnt Edegar de Oliveira, Direktor für Naturschutz und Wiederherstellung beim WWF Brasilien. Der baldige Kipppunkt für das Weltklima droht.
- Der Amazonas vor dem Kollaps: Höchste Zeit zu handeln
Die Klimakrise bringt Extremwetter-Ereignisse
Schon jetzt zeigt sich, dass sich das Klima in der Amazonas-Region verändert. Angeheizt durch die weltweite Klimakrise, befeuert durch verheerende Brände und verstärkt durch das Wetterphänomen El Niño, das im Sommer 2023 begann und das Wetter am Amazonas verrückt spielen lässt.
Städte leiden unter extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen, die auf Veränderungen des Klimas in der Region zurückzuführen sind. Beispielsweise ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwa durch die stärkere Erwärmung des atlantischen Ozeans zu immer häufigerem und intensiverem Hochwasser am Amazonas gekommen.
So wie im Juli 2023 als der Fluss Rio Negro im Bundestaat Amazonas mit 30 Metern den höchsten Wasserstand seit 1902 führte und über die Ufer trat. Auch die Amazonas-Metropole Manaus wurde von den Wassermassen überflutet. Überdurchschnittliche Regenfälle hatten in dieser Saison dem Fluss den höchsten Pegelstand seit 120 Jahren eingebracht. Die Zahlen zeigen, dass extreme Überschwemmungen immer häufiger auftreten und der Raubbau an der Natur die Situation noch verschlimmern wird.
„Seit 2009 häufen sich die extremen Wetterphänomene in Amazonas, Brasilien – die Abstände zwischen den Überflutungen des Rio Negro werden immer geringer. Das liegt an den Folgen des Klimawandels wie zum Beispiel der Erwärmung des Atlantik und der damit einhergehenden stärkeren Verdunstung sowie der Entwaldung des Amazonas.“
Das andere Extrem sind Dürren. Ende 2023 traf eine Jahrhundertdürre die Amazonas-Region. Sie schuf nicht nur dramatisch günstige Bedingungen für Waldbrände, die extreme Trockenheit gefährdete Menschen und Tiere ganz direkt. Die Wassertemperaturen überschritten im November 2023 stellenweise die 40-Grad-Marke, zahllose Fische und Flussdelfine verendeten, Flüsse trockneten so stark aus, dass sie unpassierbar waren, Trinkwasser und Lebensmittel wurden knapp – eine akute Bedrohung für die Menschen vor Ort.
- WWF startet Rettungsaktion für bedrohte Flussdelfine
Wir müssen den Raubbau am Amazonas stoppen!
Seit 2007 unterstützt der WWF die lokale Bevölkerung im Amazonas-Gebiet und konnte seither 40 Schutzgebiete mit insgesamt etwa sieben Millionen Hektar Fläche schützen. Dieser Schutzgebietsgürtel steht der größten Entwaldungsfront der Welt gegenüber und schützt auch diejenigen, die vom und mit dem Wald leben.
Die Zusammenarbeit mit den Indigenen ist für den WWF von immenser Bedeutung, denn indigene Territorien sind bisher eine der wichtigsten Barrieren gegen die Abholzung. Nur 1,6 Prozent der Entwaldung zwischen 1985 und 2020 entfielen auf indigenes Land. 98 Prozent der natürlichen Vegetation in den indigenen Gebieten der Amazonas-Region sind noch erhalten. Deshalb stellt sich der WWF auch weiterhin an die Seite der Indigenen in Brasilien und betreibt weiter kontinuierlich politische Lobbyarbeit, um ausbeuterische Gesetze zu blockieren.
Die Errichtung von Schutzgebieten und die Unterstützung für die lokale Bevölkerung zählen ebenso zu möglichen Lösungen, um den Amazonas zu retten, wie den Druck auf deutsche Unternehmen bei ihren Lieferketten zu erhöhen. Fleisch, Kakao, Soja und andere Agrarrohstoffe, die in Deutschland produziert und gehandelt werden, verursachen Entwaldung weltweit – auch im Amazonas.
- Gemeinsam für den Wald: Indigene Territorien schützen
- Der Amazonas brennt
- Amazonien