Zum 20. Mal fand im April 2024 das „Freies-Land-Camp“ statt. Jedes Jahr kommen hier Indigene von mehr als 200 Ethnien aus dem ganzen Land zusammen. Zentrales Thema waren auch in diesem Jahr die Rechte der indigenen Völker und die formale Anerkennung und der Schutz ihrer Territorien. Wichtige Themen nicht nur für die Indigenen selbst, sondern für die politische Agenda Brasiliens, für die Bekämpfung der Klimakrise und für das Überleben des Planeten.
Indigene Gruppen aus ganz Brasilien versammelten sich im April 2024 in der Hauptstadt Brasilia zu einem Protestcamp. Es ist die größte Demonstration der indigenen Völker Brasiliens; 8.000 Menschen waren in diesem Jahr dabei. Unter dem Motto „ Our Existence is Ancestral: We Have Always Been Here!“ fordern sie den besseren Schutz ihrer Territorien und mehr Beteiligung an politischen Entscheidungen.
20 Jahre „Freies-Land-Camp“
Führende Persönlichkeiten, die an der Organisation des diesjährigen Protestcamps beteiligt waren, überreichten den Vertretern der Drei Mächte einen offenen Brief. In diesem fordern sie die Einhaltung der Versprechen von Präsident Lula sowie Verbesserungen und Investitionen in Bereichen wie Gesundheit und Bildung.
Außerdem kritisieren sie Initiativen, die den Rechten und Interessen der indigenen Völker zuwiderlaufen, wie die Verabschiedung des Gesetzes 14.701/2023 durch den Nationalkongress. Das Gesetz wurde im September 2023 vom Kongress verabschiedet, obwohl der oberste Gerichtshof es abgelehnt hatte, und auch Präsident Lula sein Veto gegen Teile des Gesetzes eingelegt hatte.
Es enthält eine Stichtagsregelung: Demnach müssten alle indigenen Völker, um das Recht auf ihr Land geltend zu machen, nachweisen, dass sie am 5. Oktober 1988, dem Tag des Inkrafttretens der aktuellen brasilianischen Verfassung, bereits dort gelebt haben. Aufgrund von systematischen Vertreibungen lebten aber viele indigene Gemeinschaften zu diesem Zeitpunkt nicht auf ihren historischen Gebieten. Die Indigenen berichten, dass die Gewalt gegen Indigene in ihren Territorien seit Verabschiedung des Gesetzes deutlich zugenommen hat. „Wir empfinden das wie einen gesetzlich verordneten Völkermord“, sagte die Aktivistin Txai Suruí in diesem Zusammenhang.
In dem Brief wenden sich die Indigenen außerdem explizit an Präsident Lula und fordern die Einlösung ausstehender Versprechen, darunter die sofortige Demarkierung von vier indigenen Territorien und den Abschluss des Demarkierungsprozesses für weitere 23. Entgegen den Erwartungen der indigenen Bewegung genehmigte die Regierung jedoch nur zwei neue Gebiete.
„Abgegrenzte und geschützte Territorien sind gleichbedeutend mit einem lebendigen Wald, mit dem Fortbestand des Waldes und mit dem Überleben der Menschheit!“
Hüter des Regenwaldes
Die indigenen und traditionellen Völker Brasiliens sind die wichtigsten Hüter des Regenwaldes. Ihre Territorien sind ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Entwaldung im Amazonasgebiet, sie gehören zu den intaktesten Wäldern unseres Planeten: Nur 1,6 Prozent der Entwaldung zwischen 1985 und 2020 passierte in indigenen Gebieten. In den Jahren, in denen die Entwaldungsrate am stärksten zurückging – zwischen 2004 und 2012 wurde ein Rückgang von 83 Prozent verzeichnet –, wurden unter anderem mehr als 100 indigene Territorien im Land ausgewiesen.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen gesunden Wäldern und indigenen Territorien. Die Lebensweise der Indigenen im Einklang mit der Natur, ihr Respekt für ihre Umwelt und ihr über Jahrhunderte überliefertes Wissen über die lokalen Ökosysteme – all das schützt und erhält den Regenwald. Hinzu kommt, dass indigene Territorien unter besonderem Schutz stehen.
- Indigene warnen vor Auswirkungen des Bergbaus
Die Abholzung geht weiter
Doch die fortschreitende Zerstörung des Regenwalds bedroht immer mehr auch den Lebensraum der Indigenen; und die Abholzung der Wälder ist die Hauptursache für Treibhausgasemissionen in Brasilien.
Viele Territorien sind vom Staat noch nicht offiziell anerkannt. Die Hoffnung der Indigenen, dass sich das bald ändern könnte, ist groß. Denn zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens gibt es ein Ministerium für indigene Völker: Unter dem neuen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva wurde die Stammesführerin der Guajajaras, Sonia Guajajara, im Januar 2023 als erste Ministerin für indigene Völker vereidigt.
Es ist an der Zeit, weitere indigene Territorien auszuweisen und alle bestehende Territorien stärker zu schützen – eine der zentralen Forderungen der Indigenen bei der diesjährigen Protestwoche.
Entscheidend für den Schutz der Wälder
„Wir waren uns schon immer der Bedeutung von Flora und Fauna für unsere Existenz, aber auch für den gesamten Planeten bewusst“, so Marciely Ayap Tupari. „In den vergangenen Jahren haben wir einen großen Rückschlag in Bezug auf unsere Rechte erlitten: Es wurde in unsere Gebiete eingedrungen; und es wurden keine neuen indigenen Gebiete ausgewiesen. Heute hoffen wir, dass sich die Dinge bessern werden“, sagt sie.
Dabei seien die Abgrenzung und der Schutz weiterer Territorien mehr als eine Verpflichtung des brasilianischen Staats gegenüber den indigenen Völkern, sagt Marciely Ayap Tupari. „Es geht um das Überleben des Planeten, denn die am besten geschützten Gebiete sind die indigenen Gebiete –selbst diejenigen unserer Gebiete, die nicht offiziell ausgewiesen sind, werden weniger zerstört, weil wir sie selbst abgrenzen – das allein ist bereits Schutz vor Abholzung und Landraub. Doch erst die offizielle Abgrenzung ist die Garantie dafür, dass der Wald erhalten bleibt.“
Und so überbringen die Indigenen Jahr für Jahr bei ihren Protesten die starke Botschaft: Wir müssen indigene Territorien schützen, damit der Wald erhalten bleibt und wir die Klimakrise bekämpfen können.
- Gemeinsam für den Wald: Indigene Territorien schützen
- Indigene Völker in Südamerika
- Txai Suruí – die Klimakämpferin aus dem Amazonas
- Amazonien