„Tiger werden ganz gehandelt, ihre Felle als Bettvorleger und Luxusobjekte benutzt, ihre Knochen, Klauen und Zähne zu vermeintlicher Medizin oder Amuletten verarbeitet, oder sie landen lebend in privaten Sammlungen oder Zuchtfarmen“, sagt Dr. Arnulf Köhnke, Fachbereichsleiter Artenschutz beim WWF Deutschland. „Die Tigerwilderei und der illegale Handel mit Tigern und deren Körperteilen sind ein ungelöstes Dauerproblem. Sie gefährden den weltweiten Tigerbestand und setzen jüngste Erfolge beim Tigerschutz aufs Spiel.“
Nur noch etwa 4.500 Tiger streifen durch die Wälder Asiens. Und diese Tiger sind stark bedroht. Ihr größter Feind: der Mensch. Der aktuelle Bericht „Skin and Bones“ vom Artenschutznetzwerk TRAFFIC zeigt: In den vergangenen 23 Jahren wurden weltweit durchschnittlich 150 Tiger pro Jahr beschlagnahmt.
3.377 Tiger tot oder lebendig beschlagnahmt
Der Bericht „Skin and Bones“ nimmt den illegalen Handel mit Tigern und Tigerkörperteilen zwischen Januar 2000 und Juni 2022 genau unter die Lupe. Mit Daten aus mehr als zwei Jahrzehnten bietet dieser Bericht einen umfassenden weltweiten Überblick über die Beschlagnahmungen von Tigern und Tigerteilen.
Mit besorgniserregendem Ergebnis: In 50 Ländern wurden immer wieder Tiger – tot und lebendig – sowie eine Vielzahl an Tigerteilen beschlagnahmt. Das entspricht etwa 3.377 Tigern – dabei bezieht sich diese vorsichtige Schätzung nur auf die tatsächlich aus dem Schmuggel beschlagnahmten Tiere.
Drei Länder führen die unrühmliche Liste der Beschlagnahmungsfälle an: Während des gesamten Untersuchungszeitraums waren es in Indien 759 (34 Prozent), in China 212 (zehn Prozent) und in Indonesien 207 (neun Prozent) Beschlagnahmungen.
Situation für Tiger bleibt angespannt
Der Report zeigt für die erste Hälfte des Jahres 2022 eine dramatische Tendenz: Die unerbittliche Jagd auf die verbleibenden wilden Tiger lässt nicht nach.
Indonesien, Thailand und Russland verzeichneten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 – dem Jahr des Tigers – einen deutlichen Anstieg der Beschlagnahmungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Vietnam verzeichnete zwischen 2018 und 2021 sogar einen Anstieg der beschlagnahmten Tiger um 185 Prozent im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2017.
Auch der Online-Handel bedroht Tiger: In sechs Ländern Südostasien gibt es einen bedeutenden Online-Handel mit Tigerteilen: 675 Social-Media-Profile, die mit Tigern handeln, wurden identifiziert, 75 Prozent der Accounts stammen aus Vietnam.
Einer der größten Unterschiede des aktuellen Berichts zu den vorhergehenden: Die Bedeutung von Tigern in Gefangenschaft hat deutlich zugenommen. „Es gibt in Asien hunderte sogenannte Tigerfarmen, in denen Tiger oftmals speziell für den kommerziellen Handel gezüchtet werden“, erklärt der WWF-Artenschutz-Experte Arnulf Köhnke.
Die Haltungsbedingungen sind dort oft sehr schlecht und die kommerzielle Zucht befeuert den illegalen Tigerhandel, weil sie die Nachfrage hoch hält, und trägt so zum Wilderei-Druck auf freilebende Tigerbestände bei.“
Effektive Maßnahmen für den Tigerschutz
Der „Skin and Bones“-Bericht wird in Vorbereitung auf die Weltartenschutzkonferenz CITES erstellt. Auf dieser alle drei Jahre stattfindenden Konferenz werden wichtige Entscheidungen über die Regulierung des internationalen Handels mit Wildtieren und -pflanzen getroffen.
Dank CITES ist der internationale kommerzielle Handel mit Tigern verboten – und doch hält der Tigerschmuggel weiter an. Der WWF fordert die CITES-Vertragsparteien dringend dazu auf, den illegalen Handel mit Tigern effektiver zu bekämpfen und Fortschritte zu vereinbarten Maßnahmen zu berichten, denn 2020 haben dies nur vier von 13 Tigerstaaten getan.
Es braucht strengere Gesetze, eine strengere Strafverfolgung sowie gezielte Maßnahmen zur Verhaltensänderung von Konsument:innen.
Darüber hinaus müssen illegale Märkte geschlossen werden – online und offline – und es muss verhindert werden, dass Teile von Tigern aus Zuchtanlagen in den illegalen Handel gelangen. „Wenn wir das nicht schaffen, dann zeigt dies, dass das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) für alle Arten, die uns am Herzen liegen, nicht so viel erreicht, wie es könnte“, so Arnulf Köhnke vom WWF Deutschland. „Wir hoffen, dass sich dieser Trend bei der Vertragsstaatenkonferenz 2022 ändert.“
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