Es waren schreckliche Bilder, die sich den Artenschützer:innen boten: In zwei Zuchtanlagen entdeckten sie erwachsene Tiger. Zum Teil eingesperrt in Käfige, die so klein waren, dass die Tiere kaum Platz zum Umdrehen hatten. Sich darin richtig bewegen? Unmöglich. Insgesamt 17 ausgewachsene Tiger konnten die Helfer:innen retten. Die sieben Tiger-Junge fanden die Artenschützer:innen wenige Tage zuvor ganz in der Nähe der Zuchtanlagen in einem Lieferwagen.
Anfang August 2021 gelang den vietnamesischen Behörden ein Schlag gegen die organisierte illegale Zucht von Tigern. Bei einer Razzia in zwei illegalen Zuchtanlagen in der Provinz Nghe An, in der Nähe der Grenze zu Laos, rettete die Polizei in Zusammenarbeit mit der vietnamesischen Artenschutzorganisation „Save Vietnam‘s Wildlife“ (SVW) sieben Tiger-Junge und 17 erwachsene Tiere.
Nationalpark und Zoos helfen
Den Tieren geht es den Umständen entsprechend gut. Die noch sehr kleinen Tiger-Junge wurden sofort mit Katzenmilch versorgt und erholten sich schnell von den Schrecken. Ein Nationalpark erklärte sich bereit, die Aufzucht der Jungtiere zu übernehmen. Doch wenn sie größer werden, könnte es eng werden für die Tiere.
Die erwachsenen Tiger konnten in zwei örtliche Zoos gebracht werden. Aber auch das ist nur eine vorübergehende Lösung, bis ein besserer Ort für sie gefunden wird. Die Tiere zu versorgen, ist teuer und aufwändig. Ein Problem, dem sich die Retter:innen nun gegenübersehen: Für jeden einzelnen Tiger fallen monatlich Kosten in Höhe von mehreren tausend Dollar für Futter und tierärztliche Versorgung an.
Für die Tiger wird nun nach einer dauerhaften Unterbringung gesucht, denn Tiere, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind, können in der Regel nicht wieder ausgewildert werden, erklärt Nguyen Van Thai von SVW. Sie haben vermutlich nie richtig gelernt zu jagen und würden in freier Wildbahn nicht überleben.
Arbeit der Behörden funktioniert
Doch das Wichtigste ist erst einmal, dass die Tiere aus den Fängen der kriminellen Züchter befreit wurden. Der WWF Vietnam freut sich über den Erfolg: „Diese Maßnahmen zeigen, dass die Behörden es ernst meinen mit der Bekämpfung des illegalen Handels mit Tigerprodukten. Wir ermutigen die Behörden, jetzt auch den nächsten Schritt zu gehen und ihre Arbeit mit einer eine strengen Strafverfolgung fortzusetzen. Den verhafteten Kriminellen drohen bis zu 15 Jahre Haft“, erklärt Benjamin Rawson, Direktor für Naturschutz und Programmentwicklung beim WWF Vietnam.
Tigerfarmen bleiben ein Problem
Die Razzia Anfang August in Vietnam war ein Erfolg. Doch sie zeigt auch, wie problematisch Einrichtungen sind, in der Tiger mit der Absicht gezüchtet werden, ganze Tiere, ihre Körperteile und andere Tigerprodukte zu verkaufen – ob als Medizin (wegen der ihnen zugeschriebenen Wirkung), Gesundheitstonikum, als Glücksbringer wie auch zur Dekoration.
Tigerfarmen bedeuten nicht nur eine Qual für die Tiere, die hier unter sehr schlechten Haltungsbedingungen gezüchtet werden, sie sind auch eine Gefahr für den Artenschutz, weil sie sämtliche Tiger-Schutzbemühungen untergraben . Denn Tigerfarmen normalisieren den Handel und die Nutzung von Tigerprodukten und befeuern damit den Schmuggel und die Wilderei von Tigern in der Natur. Schätzungsweise mehr als 8.000 Tiger leben verteilt auf mehr als 300 Tigerfarmen in ganz Asien – es gibt also allein dort mehr Tiger auf fragwürdigen Farmen als insgesamt in freier Wildbahn.
Der WWF fordert, die kommerzielle Zucht von Tigern, die nicht dem Erhalt der Art dient, sofort einzustellen und die asiatischen Tigerfarmen zu schließen.
Das Problem der schlecht regulierten Tigerhaltung erstreckt sich nicht nur auf Asien, wie ein WWF-Bericht von 2020 zeigt. Daher fordert der WWF insgesamt ein Verbot des kommerziellen Handels mit Tigern und Tigerteilen. Kommerzielle und private Haltungen mit schlechten Haltungsbedingungen und fehlenden Kontrollmöglichkeiten sind zu unterbinden.