Sagt Ihnen der Begriff Teleogramma obamaorum etwas? Keine Sorge, auch unseren WWF-Expertinnen und -Experten ist der nach den Obamas benannte Buntbarsch erst seit Kurzem bekannt. Der Fisch gehört zu den 742 Arten, die zwischen 2013 und 2023 im Kongobecken entdeckt und von Forscher:innen offiziell als neue Arten beschrieben wurden.

Mit einer Fläche von 200 Millionen Hektar erstreckt sich das Kongobecken über die Länder Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun und die Republik Kongo.

Der mächtige Kongo und seine Nebenflüsse mäandern auf tausenden Kilometern durch die Region, die üppigen Wälder sind die Heimat von gefährdeten Wildtieren wie Waldelefanten, Schimpansen, Bonobos, Flachland- und Berggorillas. Über 400 weitere Säugetierarten, 1.000 Vogelarten, 700 Fischarten und unglaubliche 10.000 Pflanzenarten sind im Kongobecken zu finden.

„Es ist faszinierend, wie viel Unbekanntes es noch im Kongobecken zu entdecken gibt”, so Dr. Julia Barske, Programmleiterin Kongobecken beim WWF Deutschland. „Gleichzeitig bekommt die Region global viel zu wenig Aufmerksamkeit – obwohl sie für die Biodiversität und vor allem als letzte tropische CO2-Senke für unser Klima eine immens wichtige Rolle spielt”, erklärt die WWF-Expertin.

Cercopithecus Lomamiensis oder auch Lesula, 2012 in der Demokratischen Republik Kongo © Terese Hart
Cercopithecus Lomamiensis oder auch Lesula, 2012 in der Demokratischen Republik Kongo © Terese Hart

Zu den Neuentdeckungen der letzten zehn Jahre gehören Orchideen, Kaffeearten, Buschvipern, elektrische Fische und die erste Glühwürmchenart der Zentralafrikanischen Republik – um nur einige wenige zu nennen.

Sogar eine neue Säugetierart wurde entdeckt: Cercopithecus lomamiensis, ein Affe mit markanten, fast menschlichen Augen, einem blauen Hinterteil und einem durchdringenden Ruf. Lesula nennen die Menschen vor Ort das scheue Tier.

742 dieser erstmals beschriebenen Arten hat der WWF in seinem Kompendium „New Life In The Congo Basin: A Decade Of Species Discoveries (2013–2023)“ systematisch zusammengetragen. Viele der neuen Funde sind den Menschen, die im Kongobecken leben, möglicherweise schon seit Jahrhunderten vertraut. Doch für die Wissenschaft waren sie bislang unbekannt. All diese Neuentdeckungen helfen uns, die Artenvielfalt unseres Planeten noch besser zu verstehen, und sie zeigen uns, wie einzigartig, wie lebendig und vor allem wie schützenswert die biologische Vielfalt im Kongobecken ist.

Die Welt der Pflanzen

Benannt nach dem berühmten Naturfilmer: Sirdavidia solannona in Gabun © Couvreur & Sauquet
Benannt nach dem berühmten Naturfilmer: Sirdavidia solannona in Gabun © Couvreur & Sauquet

Da ist zum Beispiel die vom Aussterben bedrohte Psychotria yaoundensis. Die kleine, krautige Pflanze wächst ausschließlich auf drei felsigen Hügeln um Kameruns Hauptstadt Jaunde. Wie 30 Prozent der rund 10.000 Pflanzenarten im Kongobecken ist sie endemisch, kommt also nur dort vor.

Zu den neuen Funden gehört auch Sirdavidia solannona. Der nach Sir David Attenborough benannte Baum aus Gabun wird bis zu sechs Meter hoch und trägt kleine rosafarbene Blüten. Ihre Pollen verbreiten die Blüten mittels der sogenannten Vibrationsbestäubung. Dafür müssen die Bienen mit ihrem Flügelschlag eine bestimmte Frequenz erzeugen – nur dann werden die Pollen freigesetzt.

Winzig, wichtig, wirbellos

Glühwürmchen: Afrodiaphanes Pulcher in der Zentralafrikanische Republik © Fanti & Pankowski
Glühwürmchen: Afrodiaphanes Pulcher in der Zentralafrikanische Republik © Fanti & Pankowski

Ameisen, Käfer, Wanzen, Fliegen, Milben, Motten, Spinnen und Würmer sind zwar klein, aber für die Stabilität ihres jeweiligen Ökosystems sind die Wirbellosen unerlässlich. Über 121 von ihnen wurden zwischen 2013 und 2023 im Kongobecken erstmals wissenschaftlich erfasst.

Darunter das Glühwürmchen Afrodiaphanes pulcher. Entdeckt wurde die Art im Jahr 2022 in einem Höhlensystem auf 550 Meter Höhe in der Präfektur Nana-Gribizi in der Zentralafrikanischen Republik.

Amphibien: Langfinger und listige Überlebenskünstler

Vergleich: Die Kröte Sclerophrys channingi links gegen eine Viper (rechts) © Eli Greenbaum
Vergleich: Die Kröte Sclerophrys channingi links gegen eine Viper (rechts) © Eli Greenbaum

Auch 22 Froscharten wurden im dokumentierten Zeitraum erstmals beschrieben, darunter der Langfingerfrosch Cardioglossa annulata. Die Spezies ist an ihren auffallend langen Zehen zu erkennen.

Keine neue Art, aber eine kuriose Entdeckung ist die kongolesische Riesenkröte (Sclerophrys channingi), die das Aussehen der hochgiftigen Gabunviper (Bitis gabonica) imitiert, um Fressfeinde zu täuschen.

Reptilien rocken

Zentralafrikanisches Panzerkrokodil (Mecistops leptorhynchus) © Nik Borrow
Zentralafrikanisches Panzerkrokodil (Mecistops leptorhynchus) © Nik Borrow

Eine neue Krokodilart entdeckt man nicht alle Tage. 2018 war es so weit: Forschende konnten das Zentralafrikanische Panzerkrokodil (Mecistops leptorhynchus) als eigene Art beschreiben. Denn anders als bislang angenommen, ist das Zentralafrikanische Panzerkrokodil nicht identisch mit dem Westafrikanischen Panzerkrokodil (Mecistops cataphractus)die beiden Linien haben sich bereits vor ungefähr acht Millionen Jahren genetisch voneinander getrennt!

Seit 2020 trägt eine bisher nicht beschriebene giftige Buschviper-Art, die am Fuße eines Vulkans auf der Insel Bioko in Äquatorialguinea – und nur dort – vorkommt, einen ganz besonderen Namen: Atheris hetfieldi nach James A. Hetfield, dem Frontmann der Band Metallica. Ihr massiver, dreieckig geformter Kopf verleiht der Viper ein drachenartiges Aussehen und lässt tatsächlich an Heavy-Metal-Bands denken.

Buschviper (Atheris hetfieldi) © Luis Ceríaco
Buschviper (Atheris hetfieldi) © Luis Ceríaco

Zuwachs bei Fischen, Vögeln – und bei den Säugetieren

Insgesamt 96 neue Fischarten versammelt das WWF-Kompendium. Auch zwei neue Vogelarten wurden aufgenommen, eine Eule und ein Rotkehlchen.

Besonders erfreulich: Im letzten Jahrzehnt wurde im Kongobecken durchschnittlich eine Säugetierart pro Jahr entdeckt. Neben den Lesula-Affen gehören drei Mäuse, vier Spitzmäuse und zwei Fledermäuse dazu. Neue Säugetierfunde sind auf allen Kontinenten sehr selten.

Im Mai 2021 machte ein WWF-Team im Ntokou-Pikounda-Nationalpark in der Republik Kongo eine spektakuläre Entdeckung: den Bouvier-Stummelaffen (Piliocolobus bouvieri), eine Art, die über Jahrzehnte als ausgestorben galt! 

Zwar hatte ein Expeditionsteam bereits 2015 einen Bouvier-Stummelaffen fotografiert, doch weitere Sichtungen blieben aus. „Am letzten Tag unserer dreitägigen Expedition hörten wir plötzlich durchdringende Schreie in der Nähe,“ erinnerte sich Jaap Van Der Waarde, Leiter der Abteilung Naturschutz Kongobecken bei WWF International. Vorsichtig folgte das Team den Rufen, watete durch den trüben Kandeko-Fluss und erblickte auf einer Lichtung schließlich fünf Affen mit einem Jungtier. Neugierig beobachtete man sich gegenseitig, bevor die Affen wieder in den Baumkronen verschwanden.

Die Videoaufnahmen dieser flüchtigen Begegnung bestätigten, was die Menschen vor Ort längst wussten: Der Bouvier-Stummelaffe lebt weiterhin im Herzen des Kongobeckens. Dank seiner offiziellen Wiederentdeckung konnte der Schutzstatus der Art von „wahrscheinlich ausgestorben“ auf „gefährdet“ herabgestuft werden.

„Anfang 2022 hatte ich das Glück, Bouvier-Stummelaffen zu sehen. Diese seltenen Tiere leben in den für Klima und Biodiversität so wichtigen Sumpfgebieten des Kongobeckens. Dorthin zu gelangen, ist ein aufwändiges Unterfangen.“

Dr. Julia Barske, Programmleiterin Kongobecken beim WWF Deutschland

Ein Wald unter Druck

Waldzerstörung durch ein chinesisches Holzfällerunternehmen nahe Souanke, Republik Kongo © Jaap van der Waarde / WWF Niederlande
Waldzerstörung durch ein chinesisches Holzfällerunternehmen nahe Souanke, Republik Kongo © Jaap van der Waarde / WWF Niederlande

Doch wie viele andere Wälder unserer Erde sind auch die Lebensräume des Kongobeckens massiven Gefahren ausgesetzt. Legaler, illegaler und nicht-nachhaltiger Holzeinschlag, Bergbau und landwirtschaftliche Nutzung zerstören die Wälder, Buschfleischwilderei und der illegale Handel mit Wildtieren dezimieren zahlreiche Arten. Aufgrund dieser anhaltenden Bedrohungen listet die Weltnaturschutzunion (IUCN) derzeit 1.082 Arten im Kongobecken als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Der WWF setzt sich deshalb gemeinsam mit den Regierungen und der lokalen Bevölkerung intensiv für den Schutz der Artenvielfalt und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen im Kongobecken ein. Unser Biomonitoring-Programm beispielsweise hilft durch die regelmäßige Erhebung von Tierbeständen, eine angepasste Strategie zum Schutz bedrohter Arten wie Elefanten und Menschenaffen zu entwickeln. Gemeinsam mit TRAFFIC, einem Netzwerk zur Überwachung des Wildtierhandels, gehen wir mit Anti-Wilderei-Einheiten und strengen Kontrollen gegen den Schmuggel von Wildtierprodukten vor. Parallel dazu setzen wir auf den Erhalt und die Ausweitung von Schutzgebieten, die grenzüberschreitende Lebensräume sichern und die Grundlage für die Artenvielfalt schaffen.

Zukunftsperspektiven für die Menschen vor Ort

BaAka-Mitarbeiter aus dem Gorilla-Habituierungsprogramm mit Touristen © Andy Isaacson / WWF US
BaAka-Mitarbeiter aus dem Gorilla-Habituierungsprogramm mit Touristen © Andy Isaacson / WWF US

Unser Ziel für das Kongobecken: Eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit der Natur. Dafür mobilisieren wir finanzielle Mittel und erarbeiten Strategien – auf internationaler Ebene im politischen Dialog, aber auch vor Ort. Um beispielsweise die Abhängigkeit der Bevölkerung von Wilderei und Brennholz zu verringern, loten wir in ausgewählten Schutzgebieten alternative Einkommensquellen im Ökotourismus aus – das schafft gleichzeitig Anreize für den Erhalt der Natur.

Ein mit dem Robert-Koch-Institut entwickeltes und dem Helmholtz Institute for One Health (HIOH) fortgeführtes Programm überwacht Zoonosen und beugt durch ein Frühwarnsystem Epidemien vor. „Die Bundesregierung unterstützt dieses One-Health-Programm mit 13 Millionen Euro – dadurch könnte das Verständnis für die wichtige Rolle des Kongobeckens endlich wachsen”, hofft Dr. Barske.

Die Zusammenarbeit mit indigenen und lokalen Gemeinschaften ist dabei essenziell: Durch Projekte, die die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort verbessern und ihr Wissen über die Natur anerkennen und würdigen, gelingt es uns, ein gemeinsames Bewusstsein für den Wert der Wälder und ihren Schutz zu entwickeln.

So können Sie helfen

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Weitere Informationen

  • Bonobo Jungtier im Baum © Karine Aigner / WWF USA Kongobecken

    Die artenreichen Wälder des Kongo-Beckens bilden die Lebensgrundlage für Millionen Menschen und stabilisieren das globale Klima. Mehr Infos zum Kongobecken

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