Im Süden Tansanias liegt die Selous-Nyerere-Landschaft – eine einzigartige, kaum besiedelte und enorm artenreiche Wildnis Afrikas. Mit fast 49.000 Quadratkilometern Fläche gilt sie als eines der größten Schutzgebiete Afrikas – größer als Dänemark.

Die Selous-Nyerere-Landschaft besteht aus dem knapp 31.000 Quadratkilometer großen Nyerere-Nationalpark und dem Selous-Wildreservat (Selous Game Reserve), das rund 18.000 Quadratkilometer Fläche umfasst. Das Gebiet ist umgeben von Pufferzonen und Gemeindeschutzgebieten im Süden, die einen Wildtierkorridor zum Niassa-Schutzgebiet in Mosambik bilden.

Aufgrund seines hohen Wildtierbestands und der einzigartigen, weitestgehend unberührten Natur wurde das Selous-Wildreservat 1982 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Durch die enorme Größe und Unversehrtheit laufen in der Selous-Nyerere-Landschaft noch ungestörte ökologische und biologische Prozesse ab. Zudem es gibt eine große Vielfalt an Arten und Lebensräumen.

Die Lebensader des Schutzgebiets ist der Fluss Rufiji, der längste Fluss Tansanias. Regelmäßig überflutet er große Teile der bewaldeten Graslandschaften im Norden und sorgt so für ein dynamisches Ökosystem.

Unberührte Wildnis mit großer Artenvielfalt und Artendichte

Löwenfamilie am Okavango Delta in Botswana © John Van Den Hende
Löwenfamilie am Okavango Delta in Botswana © John Van Den Hende

Die UN zählt das Selous-Gebiet zu den 25 artenreichsten Regionen der Welt. Neben Antilopen und Zebras beheimatet die Selous-Nyerere-Landschaft beachtliche Populationen von Geparden und Giraffen, aber auch Flusspferden, Büffeln und Krokodilen.

Mit wahrscheinlich über 100.000 Tieren gelten die Elefantenherden vor Ort nach wie vor als bedeutend, sind seit der Jahrtausendwende jedoch unter anderem durch intensive Wilderei stark geschrumpft. In den letzten Jahren erholen sich die Bestände erfreulicherweise.

Das Schutzgebiet gilt als eine der letzten verbleibenden Löwenhochburgen in Afrika und beherbergt als Teil des grenzüberschreitenden Selous-Niassa-Ökosystems die zweitgrößte zusammenhängende Population des Afrikanischen Wildhundes sowie relevante Bestände von Leoparden und Tüpfelhyänen.

Neben der Fauna weist die Selous-Nyerere-Landschaft mehr als 2.100 Pflanzenarten und eine außergewöhnliche Vielfalt an Vegetationstypen und Lebensräumen auf: felsige, mit Akazien bewachsene Hügel, Galerie- und Grundwasserwälder, offenes Grasland und Sümpfe. Die vorherrschenden Miombo-Wälder im Gebiet gelten als weltweit bedeutendes Beispiel von Flusswäldern.

Bedrohtes Weltnaturerbe

Neben dem Kilimandscharo, dem Ngorongoro-Krater und der Serengeti ist das Selous-Schutzgebiet eine von drei Weltnaturerbestätten in Tansania, jedoch die einzige mit dem Status „gefährdet“. Die UNESCO stuft sie seit 2014 als außerordentlich bedroht ein. Gründe dafür sind die massive Wilderei insbesondere von Elefanten und Nashörnern, aber auch Konzessionen zum Abbau vorkommender Rohstoffe wie Öl, Gas und Mineralien sowie Großbauprojekte.

Staudamm am Rufiji

Julius Nyerere-Staudamm in Selous © Screenshot Youtube @arabcontCompany
Julius Nyerere-Staudamm in Selous © Screenshot Youtube @arabcontCompany

Der Bau des Julius-Nyerere-Staudamms in der Schlucht „Stieglers Gorge“ konnte trotz Warnungen der UNESCO und vehementer Proteste zahlreicher Umweltorganisationen, darunter auch des WWF, nicht verhindert werden. Das zwischen 2019 und 2025 realisierte Projekt beinhaltet neben dem 1.025 Meter langen Staudamm und dem 34 Milliarden Kubikmeter umfassenden Stausee ein Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung sowie einen integrierten Wohnkomplex.

Allein für den neuen Stausee mit einem Ausmaß von der doppelten Größe des Bodensees hat man rund 2,6 Millionen Bäume gefällt. Für die kilometerlangen Zufahrtswege zum Objekt sind riesige Waldschneisen entstanden. Die Stauung des Flusses verändert das Ökosystem oberhalb und unterhalb des Staudamms massiv – dort, wo Krokodile und Flusspferde zuhause sind.

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Anpassung des Schutzgebiets für Uran-Abbau

Mit dem Ziel, die Uran-Vorkommen im Süden des Selous-Wildreservats nutzen zu können, hat Tansania ein Teilgebiet für den Uran-Bergbau freigegeben. Dazu hat das Land mit Genehmigung der UNESCO 2012 den Grenzverlauf des Schutzgebiets geändert und eine knapp 200 Quadratkilometer große Fläche ausgeschlossen.

Das Uran-Abbaugebiet liegt nun zwar außerhalb des UNESCO-Weltnaturerbes, doch die Gefahren bedrohen das Schutzgebiet: Radioaktiver Staub, Abfall und Abwasser können bis weit in die Selous-Nyerere-Landschaft gelangen. Nachdem die Unternehmung aufgrund eines Uran-Preissturzes zum Stillstand kam, teilte Tansanias Regierung im November 2024 mit, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Bergbauprojekt eingeleitet zu haben – damit rückt der Uran-Abbau drastisch näher.

Die konkrete Arbeit vor Ort

Rangerzelt im Selous © Astrid Dill / WWF
Rangerzelt im Selous © Astrid Dill / WWF

In der Selous-Nyerere-Region engagiert sich der WWF mit seinen Partnerorganisationen unter anderem dafür, die nachhaltige Entwicklung und Landnutzung im Wildtierkorridor rund um das Schutzgebiet zu fördern, aber auch Einkommensalternativen zur klassischen Landwirtschaft und Viehhaltung zu schaffen und Lebensgrundlagen zu schützen. Ziel ist es, dass Menschen und Wildtiere möglichst im Einklang miteinander leben können und – besser noch – voneinander profitieren.

Außerdem treibt der WWF im Selous-Nyerere-Gebiet die Ausbildung von Wildhüter:innen voran, um Elefanten und die Existenzgrundlagen der Menschen in deren Lebensräumen zu schützen. Auch Maßnahmen gegen die Wilderei gehören zur Arbeit des WWF.

Zudem trägt die Besenderung von Löwen dazu bei, mehr über die Bestände, das Verhalten und die Lebensräume der Großkatzen zu erfahren. Schwerpunkt der Arbeit sind dabei immer die im Umfeld der staatlichen Schutzgebiete liegenden selbstverwalteten Gemeindeschutzgebiete.

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