Die Lichtung Dzanga Bai und die umliegenden Wälder des Schutzgebietes Dzanga-Sangha sind für die seltenen Waldelefanten von solcher Bedeutung, dass die Region der Forschung als wichtiger Standort gilt. Auf der großen Lichtung finden die Elefanten Wasser, dort lecken sie lebenswichtige Mineralien aus dem Boden. Hier entspannen die Elefanten, hier spielen sie – und hier lassen sie sich ausnahmsweise beobachten. Denn in ihren dichten Wäldern bleiben sie sonst meist unsichtbar. Trotzdem sind sie auch hier in Gefahr.
Im äußersten Südwesten der Zentralafrikanischen Republik, versteckt im Urwald und nur über einen schmalen Trampelpfad erreichbar, liegt die Dzanga Bai: Eine Lichtung, auf der sich seit hunderten von Jahren Generationen von Waldelefanten versammeln. Täglich beobachtet ein Forschungsteam hier die seltenen Dickhäuter, als zwei Jungelefanten ohne Mutter auftauchen. Wo kommen sie her und warum sind sie allein auf der Lichtung?
Geheimnisvolle Waldelefanten
Waldelefanten sind vom Aussterben bedroht. Ihre Zahlen sinken dramatisch, jährlich erliegen etwa 12.000 Tiere der Elfenbeinwilderei und in den letzten Jahrzehnten haben wir ganze 80 Prozent der Waldelefanten verloren. Der Schutz der gefährdeten Elefanten wird dadurch erschwert, dass man noch wenig über sie weiß. Es fehlen nicht nur Informationen über die Populationen in den verschiedenen Lebensräumen, über ihr Sozialverhalten, ihren Gesundheitszustand oder ihre Bewegungsmuster. Es fehlen auch Daten über die Wilderei, um diese in Zukunft besser vorhersehen zu können.
Forschung in Dzanga-Sangha
Extreme Armut in der Region und die Auswirkungen zahlreicher bewaffneter Konflikte befeuern die Wilderei.
Rätsel um zwei Jungelefanten
Als Forscher:innen auf der Lichtung Dzanga Bai zwei jugendliche Elefantenbullen entdecken, werden sie stutzig. Den jüngeren der beiden schätzen sie auf höchstens zwei bis drei Jahre. Viel zu jung, um ohne Mutter unterwegs zu sein. Er klammert sich geradezu an den größeren Jungbullen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass es sich um Geschwister handelt und der ältere Bruder sich um den Kleinen kümmert. Doch wo ist die Mutter? Zu welcher Familie gehören die beiden Elefantenjungen? Warum sind sie auf sich gestellt? Das Rätsel soll sich erst einige Monate später aufklären.
Rund um die Uhr für die Waldelefanten
Alle 30 Minuten zählt das Forschungsteam des Dzanga-Waldelefanten-Projektes seit Anfang 2021 die Elefanten auf der Lichtung Dzanga Bai, identifiziert sie anhand ihrer unterschiedlichen Merkmale und dokumentiert die Beobachtungen in einer Fotodatenbank. Das Team erforscht Familien- und Gruppenzugehörigkeiten, Verhalten, Kommunikation, Altersverteilung und die Auswirkungen von Umwelteinflüssen. Die Forscher:innen installieren außerdem akustische Rekorder im Wald, um die Elefanten auch hier zu lokalisieren und ihre Rufe besser verstehen zu lernen.
Das Dzanga-Waldelefanten-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem WWF und dem Elephant Listening Project am Yang Center for Conservation Bioacoustics, Cornell University.
Endlich: Geheimnis der beiden Jungelefanten gelüftet
Einige Monate nach der rätselhaften Entdeckung der beiden Jungbullen sieht das Forschungsteam den älteren Bruder auf der Lichtung wieder. Tief brummend, mit flatternden Ohren und erhobenem Rüssel und Schwanz begrüßt er ein Weibchen – anscheinend eine nahe Verwandte. Das ist der entscheidende Hinweis! Mit Hilfe ihrer umfassenden Fotodatenbank können die Forscher:innen das Weibchen als Tochter von „Sheena“ identifizieren - einer Elefantenkuh, die 1991 das erste Mal erfasst wurde, als sie schätzungsweise schon 36 Jahre alt war.
Dem Forschungsteam wird klar: Die beiden Elefantenbrüder sind Sheenas Söhne und das Weibchen auf der Lichtung ist ihre Schwester. Da die Jungelefanten allein auf der Lichtung waren und ihre Mutter zuletzt Ende 2021 gesichtet wurde, muss Sheena gestorben sein. Doch ihre Familie wächst mit ihren Nachkommen weiter. Es sind viele Puzzleteile wie diese, die das Dzanga-Forschungsteam täglich zusammensetzt, um die geheimnisvollen Waldelefanten besser zu verstehen und schützen zu lernen.
Die Forschung fußt auf lokalem Wissen
Das Team des Dzanga-Waldelefanten-Projektes stammt zu 90 Prozent aus der Region. Die Ausbildung von Wissenschaftler:innen aus Zentralafrika ist wichtiger Teil des Projektes. Denn die Waldelefanten Dzanga-Sanghas zu schützen bedeutet auch, Stellen zu schaffen für die Menschen, die hier häufig in großer Armut leben. Es bedeutet außerdem, die lokalen Gemeinschaften, die von den Wäldern abhängig sind, an Entscheidungen auf allen Ebenen zu beteiligen – und von ihnen zu lernen. Das Forschungsteam wird deshalb zusätzlich von sechs Ba’Aka unterstützt – Angehörigen eines der ältesten Völker der Erde, das seit Jahrtausenden in den Regenwäldern Zentralafrikas lebt. Ihr Wissen über die Wälder hat dem Team schon in vielen gefährlichen Situationen geholfen.
Warum die beiden Elefanten nun Rafael und Rafael heißen
5000 Elefanten haben die Wissenschaftler:innen in den letzten Jahrzehnten Namen gegeben, um sie zu identifizieren und auseinanderzuhalten. Die beiden jungen Elefantenbrüder durfte nach ihrer Entdeckung eine 300 Kilometer entfernte Schulklasse benennen. Denn zum Dzanga-Waldelefanten-Projekt gehört auch die Zusammenarbeit mit Schulen, um Kinder für die Natur zu begeistern, zu sensibilisieren und ihr Umweltbewusstsein auszubilden. Die Schüler:innen haben sich für den gemeinsamen Namen Rafael für die verwandten Jungelefanten entschieden und so heißen die Brüder nun Rafael 1 und Rafael 2.
Vier Generationen auf einer Lichtung
Inzwischen durfte das Forschungsteam auf der Dzanga Bai gerade schon die nächste schöne Entdeckung machen: Mit Mutter, Tochter, Enkelin und Urenkelin tauchten auf einmal vier Generationen von Elefantenkühen auf der Lichtung auf. Während die Mütter Gras fraßen, spielten die Kinder und erforschten sich gegenseitig, das jüngste vor Kurzem erst geboren. Das Zusammentreffen der auf den Namen „Echo“ getauften Elefanten-Großfamilie auf der Lichtung verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung der Dzanga Bai für die sozialen Interaktionen der immer noch so geheimnisvollen, aber für unsere Wälder ungemein wichtigen Waldelefanten.
Das Projekt ist Teil des Elephant Listening Project von dem K.Lisa Yang Center for Conservation Bioacoustics (Cornell University), unterstützt von Sabine Plattner African Charities, der Hasso Plattner Foundation und dem WWF.
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