Hallo, gerne, ich bin Joseph Itongwa, komme aus der Demokratischen Republik Kongo und arbeite für REPALEAC, einem Netzwerk der indigenen und lokalen Bevölkerungsgruppen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Waldökosysteme in Zentralafrika und für PIDP, das Programme Intégré pour le Développement du Peuple Pygmee au Kivu. Dieses Programm dient zur Integration der Mbuti, einem indigenen Volk, in meiner Heimat Kivu im Osten des Landes. Unsere Organisation wiederum gehört zur IPACC, der Dachverband der afrikanischen indigenen Organisationen, einem Zusammenschluss von 135 Organisationen aus 20 afrikanischen Nationen.
Können Sie sich ganz kurz einmal vorstellen und sagen, was sie beruflich tun?
Wie genau sieht ihre Arbeit aus?
Gemeinsam mit IPACC haben wir in Kivu ein System aufgebaut, um Menschenrechtsverletzungen an Indigenen besser aufzeichnen zu können. So sind wir in der Lage, Berichte zu verfassen, die wir an das internationale Menschenrechtskomitee weiterreichen können. Die Situation in Kivu erhält so internationale Aufmerksamkeit und Expert:innen müssen dazu Stellung nehmen. Das ist ein großer Fortschritt für uns.
Derzeit arbeite ich auch daran, ein ähnliches Programm in dem Schutzgebiet Dzangha-Sangha aufzusetzen. Dzanga-Sangha ist Teil eines UNESCO Weltnaturerbes im Dreiländereck zwischen der Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und Kamerun. Dort leben BaAka. Bislang galten sie oftmals als eine Minderheit, deren Rechte nur wenig Bedeutung spielten. Das soll sich nun ändern.
Welche Hilfe benötigen die BaAka denn?
Unsere Untersuchungen haben drei grundlegende Bedrohungen identifiziert. Erstens, die allgemeine Diskriminierung von autochthonen Gemeinden. Diese geht einher mit Dingen wie schlechter Bezahlung oder schlechter Behandlung. Als wandernde Arbeitskräfte - viele BaAka leben seminomadisch - genießen sie sehr wenig Ansehen, was weitere Auswirkungen hat. Einerseits ist diese Diskriminierung historisch gewachsen. Teilweise sind die Vorbehalte jedoch auch neu. Der Druck auf den Wald wächst, und damit einhergehen Konflikte zwischen den Menschen, die von ihm leben.
Als zweites haben wir den Kulturverlust erkannt. Aufgrund der Alltagsdiskriminierung verliert für die BaAka die eigene Kultur mehr und mehr an Bedeutung. Die Furcht vor Diskriminierung führt so mitunter zu einer Distanzierung zur eigenen Kultur.
Als Drittes sehen wir die Bedrohung der Lebensräume durch Zerstörung. Viele Indigene besitzen keine politische Stimme geschweige denn die Bodenrechte, für das Land, auf dem sie leben. Somit sind sie oftmals einfach ausgeliefert.
Im Kampf gegen Entwaldung ist die mangelnde Sicherheit der ländlichen Landrechte eine Herausforderung
In der Demokratischen Republik Kongo sind indigene Gruppen, die schätzungsweise 600.000 bis 1,5 Millionen Menschen ausmachen, die am stärksten gefährdete vom Wald abhängige Gemeinschaft. Ihr Lebensstil sowie ihre kulturelle und spirituelle Identität sind untrennbar mit den Waldmassiven der Demokratischen Republik Kongo verbunden. Diese Gemeinschaften haben traditionelles Wissen und Praktiken entwickelt, die sie zu wichtigen Akteuren für den Schutz und die Erhaltung der reichen biologischen Vielfalt der Region machen können.
Die Indigenen haben jedoch seit langem unter einer tiefgreifenden Diskriminierung gelitten. Sie waren massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, wie der Vertreibung von ihrem angestammten Land, Wellen von Zwangsumsiedlungen und Ausbeutung in Form von Zwangsarbeit unter Bedingungen, die der modernen Sklaverei gleichkommen, sowie kultureller Assimilierung.
Im Jahr 2022 hat die Demokratische Republik Kongo mit der Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die Förderung und den Schutz der Rechte der indigenen Völker einen großen Schritt in Richtung Anerkennung der Gewohnheitsrechte ihrer indigenen Bevölkerung getan. Dieses historische Gesetz ist das erste Gesetz des Landes, das die Rechte der indigenen Gruppen, insbesondere ihre Landrechte, formell anerkennt und schützt. Es wird erwartet, dass es die Sicherheit der Landrechte und die Lebensbedingungen der Indigenen nachhaltig verbessert und sie in die Lage versetzt, einen Beitrag zu leisten bei der Verwirklichung der Klima- und Naturschutzziele der DRC zu übernehmen.
Das Fehlen eines Rechts- und Regulierungsrahmens für indigene Gruppen hat sie bisher nicht nur daran gehindert, dass ihre Rechte auf Land anerkannt werden, sondern auch daran, dass sie auf nachhaltige Weise vom Land leben und ihr traditionelles Wissen und Know-how in Naturschutzinitiativen einbringen können.
Die BaAka werden oft auch als Waldleute bezeichnet, inwiefern ist ihre Kultur vom Leben im Wald gekennzeichnet?
Die BaAka gehören zu den ältesten Völkern der Welt. Sie leben in einer ganz anderen Form mit dem Wald als andere Völker. Sie kennen die Tiere, wissen, wo sie sich am liebsten aufhalten. Beispielsweise weiß wohl kaum jemand so gut, wo man Gorillahabitate finden kann wie die BaAka. Sie verfügen aber auch über ein extremes Wissen über die Pflanzen des Waldes, können Medizin aus vielen Zutaten herstellen. Sie sind schlicht die Menschen, mit dem größten Wissen über die Wälder im Kongobecken. Eigentlich könnten viele Menschen von diesem Wissen profitieren.
Auch der WWF arbeitet mit den BaAka in Dzangha Sangha zusammen. Wie genau?
Der WWF versucht, auf den tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung zu antworten, die in Dzangha-Sangha beheimatet ist. Unsere Untersuchungen dienen dabei als Grundlage. Die Erhaltung der Kultur ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Gemeinsam mit dem deutschen Verein OrigiNations hilft der WWF, überhaupt einmal zu identifizieren, was alles genau zu dieser Kultur gehört. Außerdem unterstützt uns der WWF dabei, die Traditionen zu bewahren, und unseren Kindern die Dinge beizubringen, die schon seit Generationen weitergegeben wurden und nun drohen, verloren zu gehen.
Auch bei Rechtsfragen hilft der WWF den Indigenen, so wurde mit Hilfe der lokalen Organisation MEFP ein Menschrechtszentrum vor Ort etabliert. Fälle von Diskriminierungen oder Übergriffen oder anderen menschenrechtlichen Fragen, unabhängig von wem diese erlebt oder verursacht worden sind, werden aufgezeichnet und von einem Anwalt bis vor das Provinzgericht begleitet. Bislang konnten im Rahmen dieses Programmes die Bevölkerung von 13 Dörfer im Umgang mit den indigenen Rechten geschult werden.
Wie bewerten Sie die Fortschritte Ihrer Arbeit?
Als großen Erfolg sehe ich unser Menschenrechtszentrum, ein Ort, an den sich besonders BaAka, aber auch die zu Mehrheit gehörenden Bantu wenden können, wenn sie Fragen oder Hilfe brauchen oder einen Konflikt lösen möchten. Hier finden sie Beratung durch einen Anwalt oder Sozialarbeiter. Vorher gab es hier niemanden, der helfen konnte. Jetzt gibt es Struktur. Die Baaka werden endlich langsam als Akteure wahrgenommen, auch von sich selbst.
- Kongobecken