Wale legen in den Ozeanen der Erde riesige Entfernungen zurück. Auf so genannten „Blauen Korridoren“ wandern die Tiere zwischen ihren Sommer- und Winterlebensräumen und legen dabei Zehntausende von Kilometern zurück. Auch im Arktischen Ozean gibt es Blaue Korridore. Doch die Wale konkurrieren zunehmend mit dem Menschen um Raum.

Fischerboot vor Grönland © Elisabeth Kruger / WWF US
Fischerboot vor Grönland © Elisabeth Kruger / WWF US

Die Arktis und ihre Ökosysteme sind von Eis und Wasser geprägt. Der Arktische Ozean, der die meiste Zeit des Jahres zugefroren ist, beherbergt vielfältige Ökosysteme und eine reiche Tierwelt, die einzigartig an die besonderen Bedingungen angepasst ist.

Die Arktis ist die Heimat von drei Walarten, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen: Narwale, Belugas und Grönlandwale wandern zwischen ihren Sommer- und Winterlebensräumen oft Tausende von Kilometern über nationale Grenzen hinweg und in die offene See. Dabei folgen sie festen Routen, den Blauen Korridoren. Andere Wanderrouten aus angrenzenden Ozeanen bringen jeden Sommer auch Wale aus südlicheren Teilen der Welt in die Arktis, die das reichhaltige Nahrungsangebot des Arktischen Ozeans nutzen.

„Das Überleben der Wale in der Arktis hängt davon ab, ob sie sicher innerhalb der Blauen Korridore zwischen wichtigen Lebensräumen wandern können.“

Heike Zidowitz, Expertin für den Schutz mariner Arten beim WWF Deutschland

Korridore sind wichtige Lebensräume

Der Arktische Ozean ist für das Überleben und die Lebenszyklen von etwa einem Viertel aller Walarten unseres Planeten von entscheidender Bedeutung. Die Korridore stellen sicher, dass die Wale das ganze Jahr über Zugang zu allem haben, was sie brauchen: Nahrung, Schutz vor Raubtieren und geschützte Orte für die Aufzucht ihrer Jungen. Auf ihren Wanderungen entlang dieser Korridore nehmen die Wale Nahrung auf, knüpfen Kontakte, paaren sich und bringen ihre Jungen zur Welt.

Die Wanderung der Wale wird gefährlicher

Doch Wale der Arktis geraten auf ihren Wanderungen zunehmend unter Druck. Die Klimakrise führt dazu, dass sich die Arktis bis zu viermal schneller erwärmt als der Rest des Planeten. Dadurch schrumpft das Meereis schneller – es wird dünner und bedeckt weniger Fläche. In vielen Teilen der Arktis zieht sich das Meereis im Frühjahr früher zurück und kehrt im Herbst später zurück.

Das wirkt sich nicht nur auf die Wanderungen der Wale aus, sondern auch auf das Nahrungsangebot und den Schutz vor Raubtieren. Und noch eine Bedrohung nimmt mit dem Rückgang des Meereises zu: Konflikte mit dem Menschen! Denn der Verlust des Meereises verlängert die Saison und öffnet neue Gebiete für industrielle Aktivitäten und die Schifffahrt im Arktischen Ozean.

„Die Schifffahrt, insbesondere die von großen Industrieschiffen, hat in den letzten zehn Jahren um bemerkenswerte 37 Prozent zugenommen.“

Heike Zidowitz, Expertin für den Schutz mariner Arten beim WWF Deutschland

Durch den zunehmenden Schiffsverkehr sind die Wale in der Arktis einem größeren Risiko ausgesetzt, von Schiffen angefahren zu werden. Außerdem sind sie unter Wasser einer höheren Lärmbelastung ausgesetzt, was zu Tod, schweren Verletzungen, Desorientierung und Stress führen kann.

Wissen um die Wanderwege entscheidend für den Schutz

Zu wissen, wo die Wanderrouten verlaufen und wann sie genutzt werden, ist entscheidend für den Schutz aller arktischen Wale auf ihren Wanderungen. Deshalb hat der WWF in seinem Bericht „Arctic Blue Corridors“ die Wanderrouten der Wale in der Arktis genau unter die Lupe genommen. Es ist das erste Mal, dass Wanderrouten der drei arktischen Walarten Narwal, Beluga und Grönlandwal kartiert wurden. Bereits 2023 hat der WWF sich im Bericht „Blue Corridors of the Eastern Pacific Ocean“ mit den wichtigsten Wanderrouten im Ostpazifik beschäftigt. Hier verläuft eine regelrechte „Wal-Autobahn“ von der Beringstraße im Norden über den tropischen Pazifik bis hin zur Antarktischen Halbinsel.

Der Bericht „Arctic Blue Corridors“ zeigt, ebenso wie der Bericht aus dem Jahr zuvor, in anschaulichen Grafiken, wo ihre Wanderrouten verlaufen und wo es Probleme gibt. Mit dem Bericht will der WWF das Bewusstsein für die wachsende Bedrohung der arktischen Wale durch den zunehmenden Schiffsverkehr schärfen und gleichzeitig Lösungen aufzeigen.

Schutz der wandernden Wale in der Arktis

Der Kampf um Raum zwischen wandernden Walen und dem Schiffsverkehr ist kein lokales, sondern ein gesamtarktisches Problem, denn Wale kennen keine Grenzen.

Die Blauen Korridore vieler Walpopulationen erstrecken sich über mehrere Ländergrenzen und die Hohe See. Die Klimakrise hat bereits tiefgreifende Auswirkungen auf die Wanderungen der Wale in Teilen der Arktis, aber es ist nicht sicher, wie sich diese Veränderungen fortsetzen werden. Der Druck wird durch die beispiellose Zunahme der Schifffahrt in der Arktis noch verstärkt.

Es besteht Handlungsbedarf, um die Wale in den Blauen Korridoren wirksam zu schützen. Deshalb fordert der WWF die arktischen Staaten, den Arktischen Rat, die Internationale Seeschifffahrtsorganisation, die Schifffahrtsindustrie und die Reedereien auf, Maßnahmen zum Schutz der Wale im sich schnell verändernden Arktischen Ozean zu ergreifen.

Wir müssen Raum für wandernde Wale schaffen und erhalten und die Arktis für die Natur verbunden halten. Für die Wale.

So helfen Sie den Walen

Weitere Informationen

  • Buckelwal mit Kalb © Ashley Morgan / WWF Wale und Delfine: die bedrohten Meeressäuger

    Viele Arten der Meeresriesen standen 1961 kurz vor der Ausrottung: Noch im Gründungsjahr des WWF International wurden mehr als 66.000 Großwale getötet. Weiterlesen...

  • Junger Buckelwal © Shutterstock / Craig Lambert / WWF WWF fordert Schutz der „blauen Wanderwege“ für bedrohte Meeresriesen

    Mit der Studie „Protecting Blue Corridors“ skizziert der WWF einen Ansatz, um Walen zu helfen: geschützte „blaue Wanderwege“, die ihre wichtigen Lebensräume verbinden. Weiterlesen...

  • Pottwale © naturepl.com / Tony Wu / WWF Hohe See – Gemeinsames Erbe der Menschheit

    Seit März 2023 gibt es nun einen Text zu einem Vertrag im Rahmen der Vereinten Nationen zum „Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Biodiversität in Gebieten jenseits von nationaler Gerichtsbarkeit“, der Hohen See. Weiterlesen...