Weltweit gibt es nur noch sechs Arten von Flussdelfinen – sie alle sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Eine Art ist bereits ausgestorben. Der Rückgang der Bestände ist zum großen Teil auf dieselbe Umweltzerstörung zurückzuführen, die auch zur Entstehung zoonotischer Krankheiten wie Covid-19 führt: Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung und Klimakrise. Die „River Dolphin Rivers Initiative“ des WWF hat sich zum Ziel gesetzt, den Rückgang der Flussdelfinbestände in Asien und Südamerika zu stoppen.

Globale Deklaration zum Schutz der Flussdelfine

Und es gibt Hoffnung: Am 24. Oktober 2023 ist World River Dolphin Day, also Welttag der Flussdelfine. Und in diesem Jahr haben an diesem Tag elf asiatische und südamerikanische Länder eine globale Erklärung unterzeichnet, um den Rückgang der Flussdelfinpopulationen in Südamerika zu stoppen und die Flussdelfinpopulationen in Asien zu verdoppeln. Es ist eine historische Erklärung und ein klares Bekenntnis der Anrainerstaaten zu einer besseren Zukunft für Flussdelfine, Flüsse und Menschen.

Zu den Unterzeichnenden gehören hochrangige Regierungsvertreter:innen der Verbreitungsländer der Flussdelfine, Vertreter:innen der Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Universitäten, Unternehmen und öffentliche Geldgeber:innen.

Auf diese Maßnahmen verpflichten sich die Unterzeichnenden:

  • Bewusstsein für die Bedrohung der Flussdelfine schaffen
  • Zusammenarbeit mit Unternehmen, um das Problem der Wasserqualität und Wassermenge anzugehen
  • Förderung der Flussdelfinforschung und des Monitorings
  • Abschaffung nicht-nachhaltiger Fischereipraktiken
  • Schaffung eines Netzwerkes geschützter Flusslebensräume
  • Verbesserung des Managements von Flussdelfingebieten

Jedes Jahr am Welttag der Flussdelfine sollen die Maßnahmen, die Umsetzung und der Fortschritt auf den Prüfstand gestellt werden.

"Die unterzeichnete Flussdelfin-Erklärung ermöglicht den langfristigen Schutz der Flussdelfinpopulationen und -gebiete, während sie zeitgleich ein schnelleres Agieren von staatlicher Seite bei Tragödien, wie der am Tefé-See, fördert“

Dr. Dirk Embert, Programmreferent Südamerika WWF Deutschland

Für die Delfine, die Flüsse und die Menschen

WWF-Teams in den Flussdelfinländern und auf der ganzen Welt werden mit Regierungen, lokalen Gemeinden, Förderinstitutionen und dem privaten Sektor zusammenarbeiten, damit das Handlungsversprechen der globalen Erklärung eingelöst wird!

Unsere wichtigsten Partner:innen sind dabei lokale zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen Armut kämpfen und sich für den Schutz der Umwelt und eine nachhaltigen Entwicklung einsetzen. Ihr Wissen, ihre Beratung und ihre Unterstützung sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung der Deklaration.

Gesunde Delfine. Gesunder Fluss. Gesunde Menschen.

Der Jangtse-Flussdelfin ist bereits ausgestorben © naturepl.com / Mark Carwardine / WWF
Der Jangtse-Flussdelfin ist bereits ausgestorben © naturepl.com / Mark Carwardine / WWF

Flussdelfine sind ein Indikator für den Zustand der Flüsse, in denen sie leben. Sie zeigen an, ob das Ökosystem intakt ist, ob das Wasser sauber ist, ob Beutetiere reichlich vorhanden sind. Von den mächtigen Flüssen Ganges, Indus, Mekong, Jangtse, Irrawaddy, Mahakam, Orinoco und Amazonas hängen nicht nur die Delfine ab – auch Hunderte Millionen Menschen leben von ihnen.

Wo Flussdelfine gedeihen, ist der Fluss gesund. Sind jedoch nicht viele Delfine vorhanden, gilt Alarmstufe Rot für die Gesundheit der gesamten umliegenden Umwelt. Delfine sind gute Räuber und spielen eine wichtige Rolle dabei, das Gleichgewicht des Flussökosystems zu erhalten.

Ihre Jagd auf Beutefische trägt dazu bei, dass die Bestände anderer Arten stabil und trägt so zum natürlichen Gleichgewicht bei. Übrigens zeigen Studien, dass die Nahrungsfische der Menschen oft nicht zum Beutespektrum der Delfine gehören, sie sind also keine Konkurrenten. Lebenswichtige Faktoren für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen, sowie der Vielzahl an Arten, die in und von den Flussgebieten leben.

Die Flussdelfin-Arten

Weltweit gibt es nur noch sechs Flussdelfin-Arten: der Östliche Glattschweinswal, der Amazonas-Flussdelphin, der Tucuxi-Flussdelfin, der Ganges-Flussdelfin, der Indus-Flussdelfin und der Irrawaddy-Flussdelfin. Sie alle sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Amazonas-Flussdelfin

Der rosa Amazonas-Flussdelfin, auch als "Boto" bekannt, kommt in den Amazonas- und Orinoko-Flussbecken vor, die sich durch Kolumbien, Venezuela, Brasilien, Bolivien, Peru, Ecuador und Guyana erstrecken. Wir arbeiten hart daran, die genaue Zahl der Flussdelfine des Amazonas festzustellen. Der WWF nutzt dabei innovative Ansätze wie Drohnen, um die Flussdelfine des Amazonas zu zählen. WWF-Büros in den Amazonasländern schließen sich im Rahmen der South American River Dolphin Initiative (SARDI) mit anderen lokalen NGOs zusammen, um regionale Ansätze für wissenschaftliche Forschung und grenzüberschreitende Schutzgebiete zu entwickeln.

Amazonas-Flussdelfin © Shutterstock / COULANGES / WWF-Sweden
Amazonas-Flussdelfin © Shutterstock / COULANGES / WWF-Sweden
Tucuxi-Flussdelfin

Der Tucuxi ist das kleinere, graue Gegenstück zum Amazonas-Delfin und kommt im Amazonas- und Orinoko-Flussbecken vor. Er reist in Gruppen von etwa 10-15 Tieren und hat eine hoch entwickelte Sozialstruktur. Der WWF arbeitet daran, mit Hilfe von Drohnen die tatsächliche Bestandszahl zu bestimmen, um bei der Festlegung künftiger notwendiger Maßnahmen zum Schutz dieser Art zu helfen.

Tucuxi-Flussdelfin© Adriano Gambarini / WWF-Brazil
Tucuxi-Flussdelfin© Adriano Gambarini / WWF-Brazil
Ganges-Flussdelfin

Es gibt schätzungsweise nur noch etwa 5.000 Ganges-Flussdelfine. Die meisten von ihnen leben in Indien, etwa 350 in Bangladesch und weniger als 100 in Nepal. Ganges-Flussdelfine werden in Indien auch „Susu“ genannt, ein Begriff der sich von dem Geräusch ableitet, das der Delfin beim Atmen macht. Der Ganges-Flussdelfin wird auch oft als „Tiger des Ganges“ bezeichnet, weil er eine wichtige Rolle als Indikator für das Ökosystem spielt: ähnlich wie der Tiger im Wald zeigt der Delfin im Fluss an, ob das Ökosystem gesund ist.

Ganges-Flussdelfin © François Xavier Pelletier / WWF
Ganges-Flussdelfin © François Xavier Pelletier / WWF
Indus-Flussdelfin

Es gibt nur noch weniger als 2.000 Indus-Flussdelfine. Sie leben vor allem in den unteren Teilen des Indus in Pakistan, etwa acht Individuen leben außerdem im Beas in Indien. Die Art ist an das Leben im schlammigen Fluss angepasst und blind. Die Tiere orientieren sich mit Hilfe des Echolots. Die Indus-Flussdelfine sind auf einen 1.200 km langen Abschnitt des mehr als 3.000 km langen Flusses beschränkt und durch sechs Staudämme in isolierte Bestände aufgeteilt, sodass sie nicht richtig wandern oder sich fortpflanzen können. Der WWF-Pakistan arbeitet mit den Menschen, die entlang des Flusses leben, zusammen, um den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft und der Lederindustrie zu reduzieren, das Flussufer wieder aufzuforsten und den Fischereidruck durch Diversifizierung der Lebensgrundlagen zu verringern.

Indus-Flussdelfin © François Xavier Pelletier / WWF
Indus-Flussdelfin © François Xavier Pelletier / WWF
Irrawaddy-Flussdelfin

Gerade die Bestände des Irrwaddy-Delfins in den Flüssen Irrawaddy (Myanmar) Mahakam (Indonesien) und Mekong (Kambodscha) sind hochgradig vom Aussterben bedroht. Laut aktuellem Living Planet Report des WWF sind die Bestände im Mekong seit 1997 um 44 Prozent zurückgegangen. Dieses elegante Tier mit der gewölbten Stirn streckt seinen Kopf zum Atmen aus dem Wasser und spritzt Wasserfontänen, die bis zu 1,5 Meter hoch werden können, um Fische in ihr Jagdgebiet zu treiben. Der WWF hat gemeinschaftliche Fischereimanagementzonen eingerichtet, um die Fischerei nachhaltig zu gestalten und zu verhindern, dass Delphine versehentlich in Netzen gefangen werden. Fluss-Ranger helfen dabei, illegale Fischerei einzudämmen und nachhaltige Fischereipraktiken durchzusetzen. Im Irrawaddy arbeitet der WWF daran, die industrielle Wasserverschmutzung zu vermindern.

Flussdelfin im Mekong (Irawadi) © WWF Cambodia / Gerry Ryan / WWF Greater Mekong
Flussdelfin im Mekong (Irawadi) © WWF Cambodia / Gerry Ryan / WWF Greater Mekong
Östlicher Glattschweinswal

Heute gibt es nur noch etwa 1.000 Östliche Glattschweinswale, von denen 100 in naturnahen Reservaten leben. Sie sind die einzigen Süßwasser-Schweinswale der Welt! Dieser Tümmler teilte sich einmal die Gewässer mit dem Baiji-Delfin – eine Art, die zuletzt 2002 gesehen wurde und 2006 als ausgestorben erklärt wurde. Der Östliche Glattschweinswal ist für seine Intelligenz bekannt, die der eines Gorillas gleichkommt. Der WWF-China arbeitet mit der Regierung bei der Umsiedlung der Schweinswale in sicherere Teile des Flusses zusammen und hilft den Fischern bei der Suche nach praktikablen Alternativen zur Einkommenserzielung. Die Verlagerung des Lebensunterhalts trägt zur Entwicklung der Wirtschaft bei und verleiht den Gemeinschaften eine zentrale Rolle bei der Rettung der ikonischen Art.

Was die Flussdelfine bedroht

Flussdelfine benötigen komplexe und große Lebensräume, sie vermehren sich in einem relativ späten Stadium ihres Lebens und haben weniger Nachwuchs als andere Arten. Umso stärker reagieren sie auf Umwelteinflüsse. Veränderungen der Wasserwege – zum Beispiel durch Staudämme – und die damit einhergehende Fragmentierung ihres Lebensraumes haben erhebliche Auswirkungen auf die Flussdelfin-Bestände: Die Fischbestände, die ihnen als Nahrung dienen, nehmen ab, und der Genaustausch innerhalb der Flussdelfin-Bestände wird unterbrochen.

Eine große Zahl an Flussdelfinen landet als Beifang in Fischernetzen wo sie sich verfangen und meist qualvoll ertrinken, andere werden bei illegalen Fischereiaktivitäten, wie dem Elektrofischen oder Dynamitfischen, getötet. Wieder andere werden gefangen und als Fischköder genutzt. Flussdelfine leiden auch unter Schadstoffeintrag in die Gewässer, zum Beispiel Pestizide aus der Landwirtschaft oder Quecksilber aus dem Goldabbau.

Delfine sind in der Regel weniger widerstandsfähig gegenüber Umweltveränderungen, da sie zu den wichtigsten Räubern des Flusssystems gehören; sie stehen am Ende der Nahrungskette – Vergiftungen und Schadstoffe akkumulieren sich in ihrem Körper. Die Auswirkungen der Klimakrise, insbesondere Dürren und Überschwemmungen, verschlimmern die Situation der Flussdelfine zusätzlich.

Die Flussdelfin-Flüsse-Initiative des WWF

Flussdelfin © Adriano Gambarini / WWF-Brazil
Flussdelfin © Adriano Gambarini / WWF-Brazil

Die „River Dolphin Rivers“-Initiative (RDRI) des WWF will diesen Trend umkehren. Sie zielt darauf ab, langfristig die Zukunft der Flussdelfine und ihrer Flüsse zu sichern und damit die Zukunft der Gemeinschaften, die von ihnen abhängen. Die Vision der Initiative ist, bis 2030 den Rückgang der Flussdelfin-Bestände in Asien und Südamerika zu stoppen und die am stärksten betroffenen Bestände wiederherzustellen.

Um dieses Ziel zu erreichen, geht die WWF River Dolphin Rivers Initiative gegen die drei größten Bedrohungen für Flussdelfine vor: nicht nachhaltige Fischerei, Wasserkraft und Infrastruktur sowie Umweltverschmutzung.

„Der WWF hat langjährige Erfahrung mit dem Schutz von Flussdelfinen, aber wir wissen, dass wir die Kurve nicht alleine kriegen können. Wir wollen eine starke globale Gemeinschaft von Partnern mobilisieren, um die Zukunft der Flussdelfine und der Gemeinschaften zu sichern, die von gesunden und produktiven Süßwasser-Ökosystemen abhängig sind“, so Daphne Willems.

Kreative Lösungen zum Schutz der Flussdelfine

Die Faktoren, die zum Rückgang der Flussdelfin-Bestände führen, sind vielfältig und komplex. Im Fluss Mahakam in Indonesien war versehentlicher Beifang einer der Hauptgründe für den dramatischen Schwund der Bestände: Etwa zwei Drittel der Verluste waren darauf zurückzuführen, dass sich die Tiere den Netzen der Fischer näherten und sich darin verfingen. Inzwischen leben nur noch schätzungsweise 80 Irrawaddy-Flussdelfine in diesem Fluss.

Ein innovatives Pilotprojekt des WWF und Yayasan Konservasi RASI, einer Organisation zum Schutz der Flussdelfine, am Mahakam in Indonesien zeigt, dass es ganz einfach sein kann, die Flussdelfine zu schützen: Die Fischer brachten elektronische Sender an ihren Netzen an. Diese senden akustische Signale aus, um die Delfine zu warnen. Der Erfolg des Projekts übertraf die Erwartungen aller Beteiligten. Die Delfine mieden die Netze und versuchten auch nicht mehr, die in den Netzen gefangenen Fische zu jagen.

„Die Sender vertreiben die Flussdelfine eindeutig aus diesen gefährlichen Netzen“, berichtet Danielle Kreb, die wissenschaftliche Programmleiterin des Projekts bei Yayasan Konservasi RASI. „Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Rettung der winzigen Bestände im Mahakam, aber auch anderer Bestände in Asien und Südamerika, denn das Verfangen in Netzen ist eine der Hauptursachen für den Tod von Flussdelfinen in der ganzen Welt."

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