Mehrere Stunden Autofahrt und einen kilometerlangen Fußmarsch durch die Savanne Namibias haben Biologe Jörg Melzheimer und eine Kollegin bereits hinter sich, als sie unter sengender Sonne dornige Büsche aufeinander schichten. An einer einsamen Schirmakazie haben sie Gepardenkot gefunden. Hierher werden weitere Geparde kommen. Eine Dornenhecke soll den Weg zum Baum versperren. Einziger Durchgang ist eine mit komplizierter Elektronik ausgestattete Kastenfalle.
Atemberaubende Landschaften, endlose Steppe und Heimat einer der seltensten Großkatzen Afrikas: Namibia beherbergt eine der größten und wichtigsten Geparden-Population der Erde. Doch die wenigsten dieser Geparde leben in Schutzgebieten. 90 Prozent der schnellen Katzen haben ihr Revier in den weiten, landwirtschaftlichen Nutzflächen der Region. Damit liegt das Schicksal der Geparde in der Hand der Farmer, die eine Bedrohung in den Raubkatzen sehen. Und es liegt in der Hand der Wissenschaft, die eine Lösung für diesen Konflikt gefunden hat.
Wie Gepardenschutz funktioniert:
Schweißtreibende Feldforschung und neueste Technologie
Besenderung: Schlüssel zum Schutz
Die Kastenfalle gleicht einem Käfig mit zwei offenen Seiten. Durch Lichtschranken und Kameras mit Bilderkennung schließen diese nur, wenn ein Gepard hineintritt. „Künstliche Intelligenz entscheidet in einer Zehntelsekunde, ob es sich wirklich um einen Gepard handelt und benachrichtigt uns dann sofort“, so Jörg Melzheimer. Vor Ort wird die Raubkatze betäubt, untersucht und mit einem leichten Senderhalsband ausgestattet.
Geparde sind die schnellsten Landsäugetiere der Erde und gehören zu den Arten mit den größten Streifgebieten. 150 der versteckt lebenden Raubkatzen konnte die Forschungsgruppe, der Melzheimer angehört, in den letzten Jahren in Namibia besendern. Jedes Halsband zeichnet alle Viertelstunde einen GPS-Standort auf. An 365 Tagen im Jahr. Über mehrere Jahre hinweg: Ein riesiger Datensatz, der nun beweist, was die Forscher:innen lange vermuteten.
Das „Facebook“ der Geparde
„Geparde leben sehr verstreut. Aber sie sind nicht gleichmäßig in der Landschaft verteilt“, erklärt Biologe Melzheimer. An bestimmten Erhebungen, beispielsweise Akazien oder Felsen, markieren territoriale männliche Geparde ihr Revier. Die Weibchen und Männchen ohne Territorium besuchen die Stellen, um Informationen auszutauschen. Vergleichbar mit einer Pinnwand – oder den sozialen Medien der Geparde. „An diesen Hotspots ist das Geparden-Aufkommen hoch“, so Jörg Melzheimer. „Doch zwischen den Knotenpunkten gibt es große Gebiete mit geringer Geparden-Aktivität.“ Die Erkenntnisse sind ein Durchbruch in der Wissenschaft zum Schutz der gefährdeten Raubkatzen.
Geparde nicht mehr abschießen müssen
„Früher war ein Raubtier ein Raubtier. Und jedes Raubtier wurde einfach getötet.“ Das erzählt einer der Farmer, die heute stattdessen die Erkenntnisse aus der Geparden-Forschung nutzen. Die Raubkatzen bedrohen die Kälber ihrer Rinderfarmen und damit die Grundlage ihrer Existenz. Ein Mensch-Wildtier-Konflikt, der die Geparde an den Rand des Aussterbens bringt. „Gemeinsam mit den Farmern haben wir ein Experiment gemacht und Zuchttierherden mit jungen Kälbern aus den Hotspots in benachbarte Gebiete mit geringer Gepardenaktivität verlegt, was die Verluste an Kälbern um bis zu 85 Prozent reduziert hat“, beschreibt Jörg Melzheimer den Erfolg der Arbeit seines Forschungsteams. Anhand der GPS-Daten aus den Besenderungen konnten die Wissenschaftler alle Territorien der Gepardenmännchen in Zentralnamibia identifizieren.
Mehr Forschung nötig
Auch Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten die Wissenschaftler:innen in Namibia. „Wir haben gemerkt, dass wir die wissenschaftlichen Ergebnisse brauchen“, so ein weiterer Farmer. „Wir könnten noch mehr Informationen brauchen und genauere.“ Härter noch als Großgrundbesitzer wie ihn, treffen Risse von Nutztieren durch Geparde die Kleinbauern am Rande Namibias. Auch hier soll in Zukunft die Raumnutzung der Raubkatzen erfasst werden. Immer noch sind Geparde in weiten Teilen unerforscht. Weitere Kenntnis – beispielsweise ihres Paarungsverhaltens – ist dringend nötig, will man die Art vor dem Aussterben bewahren.
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