In Europas einzigem Bärenwaisenhaus finden auf einer Fläche von insgesamt 20 Hektar bis zu 20 Braunbärenjunge Platz. Der Kontakt mit Menschen beschränkt sich dabei auf das unbedingt notwendige Maß. Nur so ist gewährleistet, dass die Raubtiere anschließend auch wieder in der wilden Natur überleben können.
Mit einer einzigartigen Methode wurden schon mehr als 100 verwaiste Braunbären in Rumänien vor dem sicheren Tod gerettet. Die Bärenwaisen beginnen ihr Leben in Freiheit auf ganz natürliche Weise und völlig unbehelligt vom Menschen. Um diese wichtige Arbeit leisten zu können, ist das einzige Bärenwaisenhaus auf Spenden angewiesen.
Eine einzigartige Methode
Im Bärenwaisenhaus durchlaufen die Jungtiere mehrere Stationen auf dem Weg in die Freiheit. Zunächst lernen die „neuen“ Bären die gleichaltrigen kennen. In der ersten Phase gewöhnen sich die „Gäste“ an ihr neues Umfeld und ihre neuen Spielkameraden. Wenn sie in der Lage sind, feste Nahrung zu sich zu nehmen, folgt der nächste Schritt. Sie werden im Gehege aufgepäppelt. Schließlich verbringen sie in typischer Braunbärenart den Winter schlafend in einem Waldstück.
Als letzte Station folgt ein Gehege, das einem unberührten Wald ähnelt. Hier lernen die Kleinen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich ihr Futter selbst zu jagen. Im letzten Schritt entlässt Leo Bereczy die Bären wieder in die Freiheit.
Zwei Generationen leben im Waisenhaus
Im Waisenhaus werden zwei Bärenkinder-Generationen parallel aufgepäppelt. Die Bären bleiben maximal zwei Jahre im Waisenhaus. Die zwei Generationen halten sich in getrennten Gehegen auf. Während ihrer Zeit im Waisenhaus durchlaufen die Bären verschiedene Gehege – abhängig von ihren Bedürfnissen und der Jahreszeit. Die Gehege sind miteinander verbunden, sodass die Bären ganz allein ins nächste wandern. "Wir öffnen die Türen zwischen den Gehegen, wenn die Bären gerade nicht in der Nähe sind", erklärt Leonardo Bereczky.
Natürliche Auswilderung
Die Gehege sind so gestaltet, dass sie den Bären alles bereitstellen, was sie benötigen – sie sind Waisen und keine Gefangenen. Zwischen Spätsommer und Herbst verändert sich das Verhalten der Bärenkinder, sie werden neugierig und erkunden immer stärker ihre Umgebung. Genau so verhalten sie sich auch in freier Wildbahn: Im zweiten Jahr, das sie mit ihrer Mutter verbringen, werden die Jungen entwöhnt und beginnen ein selbständiges Leben.
"Wir beobachten das Verhalten der Bärenkinder und bemerken diese Veränderung. Dann ist es Zeit, die Tore des letzten Geheges zu öffnen", erzählt Leonardo. Er entscheidet, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Wichtig ist nicht nur der Gesundheitszustand und das Verhalten der Bären, auch Nahrung muss in der direkten Umgebung reichlich vorhanden sein.
"Nachdem das Tor geöffnet ist, bleiben die Bären meist noch einige Zeit in der Nähe und kehren auch in das Gehege zurück", so Leonardo. "Wir lassen ihnen auch immer ein bisschen extra Futter da, für den Fall, dass sie es brauchen.
Die Rückkehr wird seltener
Tage und Wochen vergehen, während denen sich die Jungbären immer weiter vom Waisenhaus entfernen bis sie sich schließlich dazu entscheiden, für immer zu gehen und ein neues Leben in der rumänischen Wildnis zu beginnen. So wird das letzte Gehege schließlich frei für die nächste Generation.
"In seltenen Fällen werden die Jungbären 'hart' ausgewildert", berichtet Leo. "Wir machen das, wenn die Bären betäubt und in eine andere Gegend gebracht werden, z. B. um den Bestand der Bären dort anzuheben." Der Zeitpunkt ist derselbe wie bei der natürlichen Auswilderung – irgendwann zwischen August und Oktober, wenn die Bären das richtige Gewicht erreicht haben. Leonardo Bereczkys Beobachtungen haben gezeigt, dass die Bären eine höhere Überlebenschance haben, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Auswilderung mehr als 40 kg wiegen.
Drohnen im Einsatz für die Bären
Wie wertvoll moderne Technik im Naturschutz sein kann, zeigt der Einsatz der Drohne im Waisenhaus für Bärenkinder. Damit die Bären erfolgreich ausgewildert werden, legen die Pfleger viel Wert darauf, möglichst wenig Kontakt zu den Bären zu haben. Direkt nach ihrer Ankunft ist das natürlich noch nicht möglich – die Bären werden von Menschen gefüttert und ihr Gesundheitszustand wird regelmäßig kontrolliert. "Gerade die ersten Monate sind oft kritisch, weshalb wir sie hier im direkten Kontakt überwachen müssen", erklärt Leonardo.
Sobald die Jungtiere aber feste Nahrung zu sich nehmen und kräftiger geworden sind, verringern die Pfleger den direkten Kontakt zu ihnen und beobachten die Tiere aus der Entfernung. Die Drohne erleichtert den Pflegern die Arbeit enorm: Sie können das Futter mit ihrer Hilfe aus einer Höhe von 100-150 Metern über dem Gehege abwerfen und verteilen. "Bevor wir die Drohnen hatten, mussten wir uns nachts mit Rucksäcken voller Futter in das Gehege schleichen und es auf dem Waldboden verteilen." Ein schwieriger und zeitraubender Prozess.
Während die Bären nach dem überall verteilten Futter suchen, stoßen sie dabei automatisch auf natürliche Nahrungsquellen auf dem Waldboden. Sie bemerken die Drohne nicht und stellen keine Verbindung zwischen dem Futter auf dem Waldboden und dem Menschen her. So lernen sie, ohne Kontakt zum Menschen, selbstständig nach Futter zu suchen. Lebenswichtig für die Entwicklung der Bärenkinder und für ihre erfolgreiche Auswilderung.
Finanziert mit Spenden
Finanziert wird die Arbeit des Teams mit Hilfe von Spenden. Der WWF unterstützt die Auffangstation für Bärenkinder; die Hilfe dafür ist Teil des groß angelegten Engagements des WWF zu großen Beutegreifern. Ziel des Projekts LIFE EuroLargeCarnivores ist es, einen europaweiten Austausch zu ermöglichen und bestehende Lösungen für das Zusammenleben mit Wildtieren bekannter zu machen.
Weitere Informationen
- 2022: Das Jahr im Waisenhaus für Braunbären
- 2021: So viele Bären-Waisen wie noch nie
- 2020: Elf neue Bären im Waisenhaus
- Waisenhaus für Braunbären