Die Bedrohungen der Unterwasserwelt des Wattenmeeres sind vielfältig und reichen heutzutage von an Land entstehenden Nähr- und Schadstoffeinträgen über die Errichtungen von Sperrwerken und Sielen im Mündungsbereich der Flüsse bis hin zu Unterwasserlärm durch Schiffe und zur Fischerei.

Bereits im 19. Jahrhundert haben Forschungsarbeiten im Wattenmeer nicht mehr den „Originalzustand“ beschrieben, sondern ein vom Menschen in Teilen mitgeprägtes Ökosystem. Denn seit Jahrhunderten haben Menschen die Meerestiere wie Robben, Fische, Garnelen und Muscheln im Wattenmeer und der angrenzenden Nordsee genutzt. Nach und nach breitete sich der Einfluss des Menschen aus – natürliche Salzwiesen wurden eingedeicht, die Mündungen der Flussläufe verbaut. Die Motorisierung der Kutter sorgte ebenso wie eine steigende Nachfrage und bessere Transportmöglichkeiten für eine Intensivierung der Fischerei. Es wurden sogar Arten eingeführt, wie die Pazifische Auster für Freiland-Austernkulturen.

Mit den Folgen dieser historischen Entwicklung hat die Unterwasserwelt des Wattenmeeres noch heute zu kämpfen, trotz Einrichtung der Nationalparke Wattenmeer und Anerkennung als Weltnaturerbe.

Fischerei

Krabbenkutter © Katrin Wollny-Goerke
Krabbenkutter © Katrin Wollny-Goerke

Zu den stärksten aktuellen Bedrohungen der Unterwasserwelt im Wattenmeer gehört leider immer noch die grundberührende Fischerei auf Krabben (Nordseegarnelen) und Miesmuscheln. 2016 hat der WWF zur Krabbenfischerei eine Studie veröffentlicht, in der untersucht wurde, wo die Krabbenfischerei stattfindet. Es zeigte sich, dass knapp 70 Prozent der deutschen Krabbenfischerei mit Kuttern von mehr als zwölf Meter Länge innerhalb der Wattenmeer-Nationalparks Niedersachsens, Hamburgs und Schleswig-Holsteins stattfand. Am intensivsten wurden dabei die Meeresgebiete seewärts vor den Inseln befischt. Doch auch im inneren Wattenmeer, in den Tidebecken fand in den sieben Untersuchungsjahren noch rund 26 Prozent der deutschen Krabbenfischerei statt.

Das Schleppgeschirr mit seinem Rollen-bestückten Grundtau und den eisernen, randlichen Kufen beschädigt an den Prielhängen und auf dem Meeresgrund wachsende oder festsitzende Arten. Dies verhindert vermutlich auch die Wiederansiedlung von ehemals im Wattenmeer vorkommenden Arten wie Sandkoralle (Sabellaria) oder der Europäischen Auster. Jungfische, vor allem kleine Plattfische, aber auch andere Krebstiere oder Seesterne gelangen als Beifang in die Krabbennetze und werden als Rückwurf wieder über Bord gegeben. Ein je nach Empfindlichkeit der Art unterschiedlich großer Anteil der Tiere stirbt dabei oder überlebt den Fang. Viele werden dann aber von Möwen gefressen, die den Kuttern folgen und für die diese über Bord gegebenen Meerestiere leichte Beute sind.

Die Muschelfischerei wurde im Nationalpark stark eingeschränkt, denn das für den Fang von wilden Muscheln eingesetzte Fanggerät schädigt den Meeresboden. Die besonders schädliche Fischerei nach Herzmuscheln, die eingegraben im Wattboden leben, wurde daher in den deutschen Wattenmeer-Nationalparks bereits vor vielen Jahren verboten.

Abgefischte Miesmuschelbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Abgefischte Miesmuschelbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Etwas anders sieht es bei der Miesmuschelfischerei aus. Miesmuscheln kommen im Wattenmeer konzentriert auf relativ kleinen Flächen vor und prägen dort sehr stark das Watt. Mit den von ihnen gebildeten Muschelbänken schaffen sie die Lebensbedingungen für eine Fülle von Begleitarten, bis hin zu einigen Vogelarten, die überwiegend von Miesmuscheln leben. In den 1990er Jahren kam es durch die intensive Befischung der Miesmuscheln zu einem weitgehenden Verschwinden der Muschelbänke im trockenfallenden Watt. Gerade diese Bänke sind für nach Nahrung suchende Vögel jedoch besonders wichtig. Auch im Unterwasserbereich des Wattenmeeres siedeln sich Miesmuschelbänke an und haben früher dort auch längerfristig bestehende Riffe gebildet. Der WWF geht davon aus, dass die Fischerei nach Saatmuscheln (also nach kleinen wilden Jungmuscheln, die für die Anlage von Muschelkulturen gefischt wurden) verhindert hat, dass solche Riffe neu entstehen. 2015 wurde für das schleswig-holsteinische Wattenmeer eine Vereinbarung mit Eckpunkten für eine naturverträglichere Miesmuschelbewirtschaftung getroffen. Die Miesmuschelfischerei auf trockenfallenden Wattflächen blieb verboten, aber auch die Fischerei auf wild lebende junge Besatzmuscheln im Unterwasserbereich wurde eingeschränkt.

Unterwasserlärm

Schiff in der Nordsee © Katrin Wollny-Goerke
Schiff in der Nordsee © Katrin Wollny-Goerke

Vor allem in küstennahen Gewässern – zu denen auch das Wattenmeer gehört – sowie in den Fahrrinnen zu den Häfen sind Schiffe die Hauptverursacher von Unterwasserschall. Neben den großen Frachtschiffen auf den Schifffahrtswegen in Richtung Rhein, Ems, Jade, Weser, Elbe und Nord-Ostsee-Kanal sind im Wattenmeer vor allem Fischkutter, Fähren, Ausflugsschiffe und auch Versorgerschiffe für die Windparks außerhalb des Wattenmeeres unterwegs. Sie alle erzeugen mit ihren Propellern und Motoren den sogenannten kontinuierlichen Schall (oder auch Hintergrundschall), je nach Schiffstyp unterschiedlich laut. Viele Schiffsmotoren senden dabei vor allem tieffrequente Töne aus, die auf verschiedene Tiergruppen Einfluss haben. Schall bewegt sich im Wasser etwa vier- bis fünfmal schneller als an der Luft. Wissenschaftler:innen erforschen in vielen Projekten die Auswirkungen von Schiffslärm auf marine Lebewesen wie Robben, Schweinswale, Fische und selbst Wirbellose wie kleinste Ruderfußkrebschen. Auch Lösungen für leisere Motoren oder Schalldämmung an den Propellern sollen entwickelt werden.

Sand- und Kiesabbau

Im Nationalpark Wattenmeer ist eine Entnahme von Sand und Kies vom Meeresgrund in der Regel nicht erlaubt, denn hier sollen ökologische Prozesse natürlich ablaufen können. Hinzu kommt, dass die Entnahme von Sediment es dem Wattenmeer zusätzlich erschweren würde, die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs zu kompensieren. Durch Ebbe und Flut, die Gezeitenströmung also, aber auch durch Stürme und Wellengang gibt es im Wattenmeer Umlagerungsprozesse von Sand und Schlick. An einigen Stellen wird Material abgetragen, an anderen angelagert. Dies ist Teil der natürlichen Prozesse im Wattenmeer. Aber der Mensch fügt da viel zu viel hinzu: Die Fahrrinnen, beispielsweise in den Ästuaren von Elbe, Weser und Ems, sollen schiffbar gehalten werden und werden somit immer wieder freigespült oder gebaggert. Auch kleinere Häfen entlang der Küste und auf den Inseln sind betroffen. Bei der Freispülung oder Ausbaggerung entstehen Trübungsfahnen und Umlagerungen von Bodenmaterial.

Problematisch ist auch, dass Material aus den Fahrrinnen der Häfen Schadstoffe enthalten kann, die bei der Bewegung des Bodens mobilisiert werden und in das Wasser gelangen können.

Eintrag von Nähr- und Schadstoffen

Die Flüsse, die ins Wattenmeer münden, führen auch Nähr- und Schadstoffe aus dem Binnenland mit sich. Diese werden von Straßen und aus den landwirtschaftlichen Flächen mit dem Regen in die kleinen Bäche und weiter in die Flüsse gespült. Obgleich ein Teil der besonders schädlichen Pestizide verboten wurden, werden immer noch Giftstoffe in der Landwirtschaft eingesetzt. Auch deren Abbauprodukte gelangen nicht nur ins Grund- sondern auch ins Oberflächenwasser und weiter in die Nordsee. Mikroplastik, enthalten in Kosmetikprodukten oder Kleidung, kann in Kläranlagen nicht herausgefiltert werden und gelangt mit dem „sauberen“ Wasser ebenfalls in die natürlichen Wasserkreisläufe. Für eine wirklich saubere Nordsee und damit ein gesundes Wattenmeer sind noch viele Schritte notwendig.

Jeder Mensch kann in diesem Zusammenhang einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zum Schutz der bedrohten Unterwasserwelt des Wattenmeeres leisten.

Menschengemachte Barrieren

Einstrom eines offenen Siels © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Einstrom eines offenen Siels © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Barrieren wie Siele, Schöpfwerke und Sperrwerke sind in die Mündungen vieler der kleineren und größeren Zuflüsse ins Wattenmeer gebaut worden. Sie sind ein großes Hindernis für wandernde Fischarten. Zu diesen Wanderfischen gehören z.B. Aal, Europäischer Stör, Nordseeschnäpel, Lachs und Meerforelle. Selbst der Dreistachlige Stichling ist mit Teilen seiner Population ein Wanderfisch. Diese Fische müssen als Teil ihres Lebenszyklus zwischen Wattenmeer und Süßwasser wandern, können dieses aufgrund der Hindernisse aber kaum noch und sind vielerorts verschwunden. Beispielsweise der Europäische Stör wandert in den Oberlauf der Flüsse hinauf, um im Süßwasser zu laichen. Hierfür benötigt er den Zugang zu einem natürlichen, mäandrierenden Flussverlauf, mit strömungsberuhigten kiesigen Arealen, wo er ablaichen kann.

Die ökologische Verbindung von Flüssen, Ästuaren, des Wattenmeeres und des offenen Meeres muss gewährleistet sein, damit diese Arten mittel- und langfristig eine Überlebenschance haben.

Als einen dieser Schritte vereinbarten die drei Wattenmeer-Anrainerstaaten Dänemark, Deutschland und die Niederlande 2014 ein Trilaterales Wattenmeer „Swimway“ Aktionsprogramm zu erarbeiten. Dieses wurde 2019 veröffentlicht und beinhaltet Vorschläge zum Schutz der Fische in den Bereichen Forschung, Monitoring, Politikvorhaben und Maßnahmen sowie Kommunikation. Allerdings klammert das Programm das wichtige Thema Fischerei bei den angestrebten Maßnahmen aus und greift insofern zu kurz.

Klimawandel

Auch im Wattenmeer macht sich der Klimawandel bemerkbar, beispielsweise durch die Erhöhung der Wassertemperatur, aber auch durch Extremwettereignisse mit hoch auflaufenden Sturmfluten. Die Temperaturerhöhung in der Nordsee und somit auch im Wattenmeer hat eine Veränderung der Artengemeinschaft zur Folge, weil kälteliebende Arten weiter nach Norden ziehen und wärmeliebende Arten aus südlich gelegeneren Meeresbereichen in das Wattenmeer einwandern. Ökologische Beziehungen zwischen Arten verschieben sich, zum Teil mit noch nicht absehbaren Folgen.

Hier finden Sie umfangreiche Informationen zu den Auswirkungen des Klimawandels im Wattenmeer.

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Deutsche Postcode Lotterie

 

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