„Vernetzte Vielfalt“ – der Name ist Programm. Das seit 2021 laufende Projekt will bis 2026 Kleinlebensräume und Korridore für wandernde Arten schaffen – also Lebensräume sowie Tiere und Pflanzen miteinander vernetzen. So sollen beispielsweise für die Region typische Lebensräume wie Kleingewässer renaturiert und durch heimische, artenreiche Hecken miteinander verbunden werden. Auch die Entwicklung küstentypischer Land-Wasser-Übergangsräume wird ein wichtiges Thema sein.
Im Verbundprojekt „Vernetzte Vielfalt an der Schatzküste“ arbeitet der WWF Deutschland mit sieben Partnerorganisationen daran, die Vielfalt der Landschaften, der Lebensräume sowie der Tier- und Pflanzenarten im „Hotspot 29 der Biologischen Vielfalt“ an der Ostsee zu fördern.
Wiederherstellung von Kleingewässern und Söllen
Im Projektgebiet sollen bis zu acht Kleingewässerkomplexe renaturiert werden. Damit soll nicht nur die Vielfalt der Arten und Lebensräume in der Agrarlandschaft erhöht, sondern auch gezeigt werden, wie Kleingewässer relativ einfach renaturiert oder neu angelegt werden können.
Geplant ist auch, sogenannte Dränteiche anzulegen. Das sind kleine Feuchtgebiete in Ackerflächen, die nährstoffbelastetes Wasser auffangen. Die Teiche haben flache Bereiche mit besonders viel Vegetation wie zum Beispiel Schilf. Dort werden überschüssige Nährstoffe von den Pflanzen aus dem Wasser gefiltert, sodass natürlich gereinigtes Wasser zurück in die Landschaft fließen kann.
2022 konnte der WWF die Baumaßnahmen von vier Kleingewässern östlich von Rostock bei Wiethagen und einem weiteren am Günzer See abschließen. Die Gewässer sollen künftig verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, darunter auch geschützten Arten wie Libellen und Amphibien, wieder einen besseren Lebensraum bieten.
Bis Ende 2026 wird der WWF in Mecklenburg-Vorpommern viele weitere Kleingewässer renaturieren.
Was sind Sölle?
Ein Soll (Plural: Sölle) ist ein meist rundes Kleingewässer, das häufig in Landschaften vorkommt, die durch eiszeitliche Gletscherbewegungen geformt wurden. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise gibt es sie zu zehntausenden. Sölle werden überwiegend durch Niederschläge gespeist und können im Sommer oder in niederschlagsarmen Jahren auch austrocknen. Sölle sind häufig von Gebüschen oder Gehölzen umrandet und damit Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Sie vernetzen als „Trittsteine“ die landwirtschaftlich geprägte Landschaft. Sölle sind wichtige Lebensräume besonders für Amphibien, Libellen und Vögel.
Niedermoor Günzer See: Dorado für Kraniche
Viele Moore der Region wurden in der Vergangenheit für die landwirtschaftliche Nutzung entwässert. Das Niedermoor Günzer See ist eines davon. „Wenn Moore entwässert werden, sinken sie nach unten ab und setzen damit ungeheure Mengen des über Jahrtausende gespeicherten Kohlenstoffs als CO2 frei,“ erklärt Katharina Burmeister, Projektleiterin des WWF Deutschland. Das ist ein Grund, warum es so wichtig ist, Moore wieder zu vernässen. Zwei Moorgebiete mit einem Umfang von jeweils 100 Hektar wurden im Rahmen des vorangegangenen Projekts bereits renaturiert.
Der Günzer See liegt zwischen den Ortschaften Buschenhagen und Günz und ist etwa zwei Kilometer von der Zingster Boddenkette entfernt. Der Günzer See ist eine Niedermoorsenke mit einer Wasserfläche von heute etwa 16 Hektar (das waren vor 100 Jahren noch 30 Hektar). Durch wasserbauliche Maßnahmen soll der Wasserstand im See und in der Niederung dauerhaft angehoben werden. Dadurch soll das Wasser länger in der Fläche gehalten werden. Die Funktion des Niedermoores soll dauerhaft gesichert werden, damit es den zahlreichen dort vorkommenden Vogelarten als Rast- und Nahrungsgebiet zur Verfügung steht und nicht weiter degradiert.
Vor allem Kraniche fühlen sich heute in der Günzer Seeniederung wohl. Das Gebiet hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Rastplatz für Kraniche entwickelt. „Die renaturierten Gebiete sind schon jetzt zu beliebten Vogelbeobachtungsgebieten geworden“, freut sich Katharina Burmeister. „Das heißt, die Tiere kommen zurück, die Moorflächen erholen sich.“
Im Jahr 2015 wurde im Rahmen des Projektes „Schatzküste“ ein Kranich-Informationszentrum (KRANORAMA) gebaut, das auch dazu beigetragen hat, das Gebiet bei Kranichfreund:innen bekannt zu machen.
Die Projektziele im Überblick
Kleingewässer in Form von Feldsöllen sind nach dem Landesnaturschutzausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern geschützte Lebensräume. Trotz dieses formalen Schutzes sind sie meist in einem sehr schlechten Zustand – entwässert, zugewachsen oder durch die Intensivierung der Landwirtschaft schwemmt immer mehr Boden hinein. Auch der Eintrag von Nährstoffen durch die Landwirtschaft ist ein zunehmendes Problem. Dabei sind die Gewässerlebensräume zentral für die Vernetzung der Landschaft. Zusammen mit einem Randstreifen und oft verbindenden Fließgewässern bilden sie das Rückgrat im Wasserhaushalt ansonsten strukturarmer Ackerlandschaften. Als Lebensraum, z.B. für Amphibien wie den Kammmolch, sind sie hervorragende Lebensräume, die oft nur durch Renaturierung erhalten werden können.
Biodiversität erhöhenDie Wiederherstellung von Söllen und Kleingewässern ist eine Voraussetzung, um die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu erhöhen. Wassergebundene Lebensräume sind in den klassischen Ackermonokulturen ohnehin selten. Als Laich- und Rückzugsgebiete sind sie für Amphibien, aber auch für Insekten von großer Bedeutung. Als Inseln in der Feldflur sind sie auch für viele Vogelarten wichtig. Häufig sind die Sölle miteinander verbunden oder liegen in geringer Entfernung voneinander, sodass sie durch Fließgewässer oder Hecken über unbewirtschaftete Flächen miteinander verbunden werden können. Auf diese Weise entstehen Wanderkorridore zwischen den Lebensräumen.
Wasser in der Agrarlandschaft haltenBislang galt das Paradigma, möglichst schnell Agrarflächen mit schwerem Gerät befahrbar zu machen und das Wasser aus der Landschaft herauszuschaffen. Mit den jetzt schon erlebbaren Folgen der Klimakrise und vermehrten Dürreereignissen wird immer deutlicher: Dem Wassermangel im Sommer lässt sich nur begegnen, wenn das Niederschlagswasser im Frühjahr länger in der Landschaft verbleibt. Funktionierende Kleingewässer in Ackerlandschaften können hierbei einen Beitrag leisten. Sie halten das Wasser in der Landschaft und versorgen auch das, was auf den Feldern wächst.
Nährstoffe zurückhaltenKleingewässer können als Nährstoffsenken auch dazu beitragen, Nährstoffe aus der Landwirtschaft (Dünger) zurückzuhalten. Die Pflanzen in den Söllen filtern Stickstoff und Nitrat aus dem Wasser und verhindern so, dass diese in größere Gewässer und schließlich in die Küstengewässer gelangen.
Bewusstsein schaffenDas Projekt „Vernetzte Schatzküste“ soll in der Politik und bei Landwirt:innen ein Bewusstsein für den Erhalt von Kleingewässern schaffen. Landwirt:innen sollen erfahren, wie sie solche Lebensräume naturschutzgerecht und ohne wirtschaftliche Belastung wiederherstellen und dauerhaft pflegen können. Sie sollen erleben, dass die Auswirkungen der Klimakrise auf den Agrarflächen reduziert werden können. Ziel ist es außerdem, die Verantwortlichen in der Politik dafür zu gewinnen, das Modell zum Vorbild für zukünftige wasserwirtschaftliche und agrarpolitische Maßnahmen zu machen.
Die Renaturierungsmaßnahmen werden durch das BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) zu 80 Prozent gefördert. Der Eigenanteil des WWF wird dank der Förderung durch die Teilnehmer:innen der Deutschen Postcode Lotterie deutlich gesenkt.
Weitere Informationen
- WWF-Projekt: Schatzküste
- Ostsee