„Eine Station meiner Reise im Frühjahr 2024 war die kleine Gemeinde Suoi Cat im Südwesten der Insel. Hier haben mein Kollege Thomas Werner und ich die Arbeit der Frauenunion (Women’s Union) kennengelernt. Das ist eine quasi-staatliche Organisation, die allein auf Phu Quoc schätzungsweise 16.000 Mitglieder hat und beeindruckende Arbeit leistet. Im Rahmen unseres Projektes haben die Frauen zum Beispiel das ‚PAOT-Modell‘ entwickelt. PAOT steht für ‚plastic reuse and recycling by the community‘; also ‚Wiederverwendung und Recycling von Kunststoffen durch die Gemeinde‘. Dabei geht es darum, wie die Gemeinden Einwegabfall – vor allem aus Plastik – vermeiden, nicht vermeidbare Verpackungen wiederverwenden und Müll besser trennen können.“
Die tropische Insel Phu Quoc vor der Küste Vietnams ist ein kleines Paradies: weiße Strände, traumhaftes Wasser. Doch das Paradies ist zunehmend bedroht – Plastikmüll überall: an den Stränden, in den Flüssen. Seit 2019 arbeitet der WWF hier daran, dieses Problem anzugehen und das Abfallmanagement voranzubringen. WWF-Mitarbeiterin Laura Griestop hat sich im Frühjahr 2024 vor Ort ein Bild von der Situation gemacht.
„Seit 2020 arbeite ich beim WWF zu den Themen Verpackungen, Kreislaufwirtschaft, Kunststoffe – unter anderem setze ich mich für ein global verbindliches UN-Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt ein. Anfang 2024 durfte ich eines unserer Projekte auf der Insel Phu Quoc in Vietnam besuchen“, erzählt Laura, Senior Manager Sustainable Business & Markets beim WWF Deutschland.
Vom einstigen Geheimtipp in den frühen 2000er Jahren entwickelte sich die Insel in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Ort des Massentourismus. Und mit der steigenden Zahl an Besucher:innen wuchs auch das Müllproblem. „160 Tonnen Abfall fielen in Spitzenzeiten täglich an, 40 Prozent davon sind Plastikmüll. Ein großer und besonders kritischer Teil davon ist Einweg-Plastik“, so Laura weiter.
Um diese Situation zu bewältigen, hat sich der WWF zum Ziel gesetzt, für ein effizientes Abfallmanagement zu mobilisieren und alle Beteiligten für einen ganzheitlichen Ansatz zu sensibilisieren – also sowohl die lokale Bevölkerung als auch Gemeindeverwaltungen, Unternehmen und Hotels.
Frauen machen sich stark für Mülltrennung und -vermeidung
„Um die Haushalte zu erreichen und für das Thema zu sensibilisieren, machen die Frauen regelmäßig Hausbesuche. Dabei ziehen sie von Tür zu Tür, klopfen an und fragen, ob sie mit den Bewohner:innen über Mülltrennung und Müllvermeidung sprechen können. Wenn sie eingeladen werden, gehen sie den Maßnahmenkatalog durch und besprechen mit den Menschen Schritt für Schritt, was bereits gemacht wird: Wird zum Beispiel Müll getrennt? Wenn ja, in welche Bestandteile? Nimmt die Person eigene wiederverwendbare Einkaufstaschen mit zum Markt? und so weiter.“
„Gemeinsam mit den Haushalten schauen die Mitglieder der Frauenunion dann, ob die Person bereit ist, weitere Maßnahmen zu ergreifen und welche das sein könnten. Es wird sogar auch konkret vereinbart, welche davon bis zum nächsten Besuch umgesetzt werden sollen. Die Frauen kommen dann regelmäßig vorbei, fragen nach, wie es läuft und geben Hilfestellung.“ Genau diesen Maßnahmenkatalog ging Frau Nam im Gespräch mit Laura durch.
„Sie hat mir die Fragen gezeigt und mit mir ein exemplarisches Erstgespräch geführt. Es war einfach toll, die Energie dieser Frau zu erleben! Sie hat mit einer unglaublichen Begeisterung darüber gesprochen und mich mit einer ungeheuren Ernsthaftigkeit durch den Fragebogen geführt. Das hat mich sehr beeindruckt.“
Ein zweites „Leben“ für Plastikmüll
Nach dem Besuch bei Frau Nam ging es für die WWF-Delegation weiter zu einer anderen Frau der Women’s Union. „Bei ihr hing der Fragebogen, den ich schon von Frau Nam kannte, sogar als Poster an der Wand. Entsprechend weit war sie mit der Umsetzung der darin beschriebenen Maßnahmen. Die Frau baut unter anderem Pfefferpflanzen an, ein Teil der Ernte lag bei unserem Besuch gerade zum Trocknen auf dem Boden aus.“
„Was mir bei ihr aber am meisten im Gedächtnis geblieben ist, ist ihr Umgang mit Verpackungen, die sie nicht vermeiden konnte. In ihrem Fall waren es unter anderem Waschmittelverpackungen. Sie hat die Flaschen aufgeschnitten und darin Pflanzen gezogen. Ein tolles Beispiel für die sinnvolle Wiederverwendung von Abfällen, die ohnehin anfallen und so nicht in der Müllverbrennung landen, sondern sozusagen ein ‚zweites Leben’ bekommen“.
Mit Kompost zum eigenen Geschäft
Und noch ein Mitglied der Women’s Union besuchte Laura in Phu Quoc. Hier erlebte sie, wie aus Kompost ein eigenes Geschäft entstehen kann:
„Im Garten dieser Dame wuchs jede Menge Aloe Vera – und das nicht ohne Grund: Sie baut die Pflanze an und stellt daraus unter anderem erfrischende Getränke her. Für ihre Pflanzen verwendet sie Kompost, den sie selbst herstellt. Sie trennt ihren Abfall in organische und sonstige Bestandteile und kompostiert die organischen Bestandteile selbst.“
„Der eigene Kompost ist der perfekte Dünger für die Pflanzen. Die Ernte ist so gut, dass die Frau inzwischen sogar ein eigenes Restaurant eröffnet hat, in dem Aloe Vera und daraus hergestellte Produkte im Mittelpunkt stehen. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie gut die Frauen die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft verstehen und umsetzen.“
Ein Tag für die Umwelt
Die Frauen der Women’s Union sind auch immer dabei, wenn der „Environmental Day“ ansteht; der „Tag der Umwelt“. Auf Phu Quoc findet dieser Tag jeden Monat statt. Organisiert wird er von verschiedenen lokalen Organisationen gemeinsam mit den örtlichen Behörden. Das Ziel: Plastik und anderen Müll aus der Umwelt holen!
„Am Umwelttag, den wir miterlebt haben, wurde eine neue Müllsammelstelle, finanziert vom WWF, eingeweiht. Alle waren da: die Regierung, die Jugendunion, die Frauenunion und sogar das Militär“, erzählt Laura.
Im Rahmen der Eröffnungsfeier konnten die Kinder PET-Flaschen sammeln und abgeben. Diese wurden dann vor der Sammelstelle entgegengenommen und gewogen. Als Dankeschön durften sich die Kinder ein kleines Geschenk aussuchen.“
Gemeinsam für saubere Strände
„Nach der Eröffnung sind wir an den Strand gegangen und haben an einer Strandreinigung teilgenommen“, so Laura.
„Gemeinsam mit allen Helfer:innen haben wir zwei LKW-Ladungen Müll aus dem Sand gehoben! Teilweise haben wir den Müll aus bis zu einem Meter Tiefe geholt! Bei ca. 35 Grad Celsius im Schatten und strahlendem Sonnenschein war das eine sehr schweißtreibende Arbeit – aber es hat sich gelohnt: Nach etwa zwei Stunden war der Strandabschnitt nicht mehr wieder zu erkennen.“
„Natürlich sind diese Strandreinigungen nur eine ergänzende Maßnahme. Sie helfen, den Müll, der bereits in der Umwelt ist, wieder herauszuholen.
„Aber noch wichtiger ist es, an der Quelle anzusetzen und zu verhindern, dass Müll überhaupt in die Umwelt gelangt.“
Produzent:innen in die Pflicht nehmen
„Sehr ermutigend ist, dass sich die vietnamesische Regierung verpflichtet hat, die erweiterte Produzent:innen-Verantwortung umzusetzen, also die Verursacher von Abfällen – zum Beispiel die Inverkehrbringer:innen von Verpackungen – in die Pflicht zu nehmen. Diese sind in einem System der erweiterten Produzent:innen-Verantwortung für die Sammlung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen verantwortlich und müssen dies organisieren.
Weniger erfreulich ist, dass es auf der Insel selbst noch immer keine Müllverbrennungsanlage gibt und noch immer viel Abfall einfach deponiert wird.“
Engagement der Menschen inspiriert
„Für mich war die Projektreise beeindruckend. Zu sehen, wie viel schon passiert und wie engagiert die Menschen sind, wie sehr sie sich für das Thema Müllvermeidung und Mülltrennung einsetzen, ist inspirierend. Sie lieben ihre Insel und setzen sich für das Wohl von Mensch, Tier und Natur ein. Sie sind offen für mehr Abfallmanagement und stolz darauf, schon einen Schritt in die Richtung gemacht zu haben“.
- Projekt Phu Quoc
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