Und mit ihnen eine schier unvorstellbare Plastikflut. Tüten, Becher, Kanister, Strohhalme, Essensboxen. Fast alles ist hier aus Einwegplastik. Circa 160 Tonnen Abfall – etwa die Ladung von 16 LKWs – fallen inzwischen täglich an. Und es gibt keine auch nur annähernd funktionierende Müllentsorgung. In Flüssen, Kanälen und im Meer schwimmt – vor allem – Plastikmüll.
Die tropische Insel Phu Quoc war einmal ein Geheimtipp. Einsame, schmale Sandstrände, Palmen und dichter Dschungel. Reisbauern auf rostigen Fahrrädern, Fischer:innen auf ihren Sampans, den kleinen flachen Booten. Für die ersten Rucksackreisenden zu Beginn der 2000er Jahre ein verschlafenes, nahezu unberührtes Paradies mit großer Artenvielfalt. Doch heute kommen die Tourist:innen massenhaft.
Mit Fischernetzen gegen die Plastikflut im Meer
Vietnams Regierung will aus Phu Quoc einen gigantischen Ferienpark machen. 2017 kamen zwei Millionen Tourist:innen, 2020 sollten es fünf Millionen sein, doch die weltweite Pandemie hat die Zahlen gedrückt. Dennoch, Guesthouses und riesige Hotels werden überall aus dem Boden gestampft. „Die zwei Mülldeponien hier sind hoffnungslos überfüllt“, sagt Nguyen Thi Dieu Thuy vom WWF Vietnam.
Das Abfallmanagement der Insel kann mit dem Tourismusboom nicht annähernd Schritt halten. Öffentliche Müllabfuhr gibt es nur in größeren Orten. Wer seinen Müll nicht verbrennt oder vergräbt, schmeißt ihn einfach in den Fluss. Und von da gelangt er ins Meer. Verzweifelt versuchen Hotel- und Restaurantbetreiber:innen, das Postkartenidyll zu retten. Unaufhörlich wird neuer Müll angespült, täglich säubern Putztrupps Strände.
„Die Besucher:innen beschweren sich“, sagt einer der „Beach-Cleaner“ am beliebten Sao Beach. „Ich sehe in ihren Gesichtern, dass sie über den Müll nicht glücklich sind.“ Mehrere Hotelbesitzer:innen am Long Beach nahe der Inselhauptstadt Duong Dong haben inzwischen riesige Netze im Meer aufspannen lassen, um das Plastik vor ihrer Bucht fernzuhalten.
Die Touristenmassen zerstören, was sie lieben
Die drastische Müllflut ist kaum noch zu beherrschen. Der WWF arbeitet deshalb gemeinsam mit örtlichen Behörden und Umweltschützer:innen an einem integrierten Abfallmanagementsystem für Phu Quoc. Großangelegte Säuberungsaktionen sollen zunächst das sensible Ökosystem der Insel, Meerestiere und Korallenriffe im marinen Schutzgebiet vom bereits vorhandenen Plastikmüll befreien.
Fischer:innen und Tourist:innen werden hier aktiv mit eingebunden. Strohhalme, Einweggeschirr und abgepackte Butter-Portionen in Hotels und Restaurants müssen dauerhaft verschwinden. Mitarbeiter:innen des WWF beraten Hoteliers dabei, wie sie nachhaltig Plastik vermeiden können. Zahnbürsten aus Bambus und Butter aus dem Butterfass sind da ein erster Schritt. Gemeinsam mit lokalen Partner:innen hat der WWF bereits neue Methoden für die Abfallverwertung entwickelt.
Ende 2020 bestätigte der stellvertretende Minister des vietnamesischen Ministeriums für natürliche Ressourcen & Umwelt, den entschlossenen Willen und das Engagement Vietnams, gegen Plastikmüll vorzugehen und ein entsprechendes globales Abkommen voranzutreiben. Es handelt sich dabei um eine Art Selbstverpflichtung Vietnams, eine aktive Rolle im internationalen Kampf gegen den Eintrag von Plastik in die Meere einzunehmen.
Einige Beispiele
Da Chong auf Phu Quoc
Das Dorf Da Chong auf der Insel Phu Quoc grenzt direkt an ein marines Schutzgebiet, in welchem es noch intakte Seegraswiesen gibt. Da dort aufgrund der schlechten Straßenanbindung keine staatlich organisierte Müllabfuhr stattfindet, hat der WWF eine gemeindebasierte getrennte Abfallsammlung und Verwertung initiiert. In einem Pilotvorhaben mit circa 40 teilnehmenden Haushalten wird der Müll in verschiedene Fraktionen getrennt.
Der gesammelte organische Abfall wird kompostiert und größtenteils für den Anbau von Gemüse direkt vor Ort verwendet. Die am Pilotversuch teilnehmenden Haushalte bezahlen eine Gebühr, die zur Finanzierung der Sammlung des Restmülls dient, der ebenfalls lokal organisiert ist. Der Restmüll wird zweimal pro Woche eingesammelt und zu einer Sammelstelle an einige Kilometer entfernte Straße gebracht und dort von der staatlichen Müllabfuhr übernommen. Seit Beginn der Operationalisierung des Vorhabens Anfang 2020 wurden insgesamt 10,6 Tonnen Abfall gesammelt, wovon etwa 3,1 Tonnen auf Kunststoffe anfielen.
Zusammenarbeit mit Hotels und der Nahrungsmittelindustrie
Bereits seit einiger Zeit arbeitet der WWF auf Phu Quoc mit 40 Unternehmen und Eigentümer:innen aus dem Hotelsektor sowie mit Nahrungsmittelhersteller:innen zusammen, um Maßnahmen umzusetzen, die der Reduktion von Einwegplastik dienen. Die Mobilisierung zeigt Wirkung, denn bereits nach einem Jahr wurden bei einer repräsentativen Umfrage unter 15 der beteiligten Firmen 9,5 Tonnen Verpackungsmaterial eingespart. Des Weiteren wurden 50 Tonnen Verpackungsmaterial eingesammelt und wiederverwertet.
Cleanups und Selbstverpflichtung
Cleanups der Korallenriffe gehören inzwischen als feste Instanzen in den Nationalpark von Phu Quoc. So räumen Ehrenamtliche regelmäßig die Strände Phu Quocs und professionelle Taucher:innen helfen dabei, die Korallenriffe vom Müll zu befreien. Bei einer aktuellen Zählung Ende 2020 wurden 500 kg Müll in den Korallenriffen gemeldet, davon 65 Prozent Plastik.
Zeitgleich haben sich im Anschluss an eine Aufklärungskampagne für Fischer:innen am Phu Quoc Umwelttag im Dezember 2020 rund 500 Fischereien und Kreuzfahrtschiffe dazu verpflichtet, Fangnetze und Müll, der an Bord entsteht, nicht mehr ins Meer zu werfen.
- Projekt Phu Quoc
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