Traditioneller Gesang durchdringt den Wald des Lobéké Nationalparks im Südosten Kameruns. Eine Gruppe aus zehn Personen – Männer, Frauen und Jugendliche – streift leichtfüßig durch den dichten Wald. Sie alle gehören den indigenen Baka an, deren Lebensmittelpunkt und -grundlage der Wald ist. Sie sind die ersten Bewohner und verstehen sich als Hüter des Waldes.
Für die indigenen Baka ist Honig nicht nur das wichtigste Nahrungsmittel aus dem Wald, sondern auch Medizin und ein essenzieller Bestandteil des kulturellen Lebens. Seit vielen Generationen sammeln sie den süßen Nektar aus dem Wald. Sie sind berühmt dafür, den Honig von Wildbienen besonders geschickt aus den hohen Baumkronen zu ernten, ohne sich und den Tieren dabei zu schaden.
Honigsammeln in den Tiefen des Dschungels
Das Ziel der heutigen Reise: leckerer Bienenhonig. Denn diesen beschreiben die Baka als „die Nahrung, die Gott sorgfältig vorbereitet und für die Baka in den Wald gelegt hat“. Der Honig, so erklären sie, ist einer der Gründe, warum die Baka eine solch starke Bindung zum Wald haben.
David Mbangaoui leitet die heutige Honigsammel-Expedition. Er erzählt, dass der Honig einst als Brautpreis diente, den ein Bräutigam an seine Schwiegereltern zahlte: „In der Zeit unserer Eltern musste ein Baka-Mann seinem Schwiegervater literweise Honig als Brautpreis geben, um eine Frau zu bekommen.“ Mbangaoui zufolge hat Honig auch heute noch einen hohen kulturellen Wert.
Natürlicher Honig-Radar
Etwa 45 Minuten ist die Baka-Gruppe unterwegs, als sie plötzlich an einem Baum anhält. Bei näherem Hinsehen entdeckt man ein Bienenvolk, dass um ein Loch herumschwärmt. Die Baka erkennen Orte, an denen sich Bienen versammeln, intuitiv. Einen Baum, in dem sich Honig befindet, können sie schon von weitem identifizieren.
Nun beginnt die eigentliche Honigernte. In der Nähe des ausgewählten Baumes sammeln die Männer Holz und machen ein Feuer. Der Rauch des Feuers steigt auf und schwächt die Bienen, sodass sie nicht mehr stechen können. Nach und nach verschwinden die Tiere, bis das Klettern auf den Baum zum Bienenstock für die Baka sicher genug ist. Denn die meisten Männer sind mit nacktem Oberkörper unterwegs, nur ihre Lenden sind bedeckt.
Mit Werkzeug zum süßen Saft
David Mbangaoui nimmt eine Spitzhacke, klettert hinauf und weitet das Loch im Baum, um Zugang zu den Bienenwaben zu erhalten. Nach etwa 20 Minuten ist die Öffnung groß genug, um komfortabel mit der bloßen Hand hineinzugreifen. Ein Baka-Jugendlicher übernimmt und holt mehrere Bienenwaben heraus – sehr zum Gefallen der übrigen Gruppe, die am Waldboden wartet.
Als die leckere Beute schließlich auf einem Teller aus Blättern bereit liegt, tropft frischer Honig aus den Waben heraus. Nun dürfen alle probieren. Der Älteste reicht den Teller herum und jeder bekommt eine kleine Portion der nahrhaften Speise.
Wenn sich die Baka lange Zeit im Wald aufhalten, dann geht das nur wegen des Honigs. „Wenn wir aus dem Dorf in den Wald gehen, nichts zu essen dabeihaben und dann Honig finden, können wir lange weiterwandern, ohne Hunger zu bekommen“, erklärt Mbangaoui.
Medizin aus dem Wald
Die Baka schreiben Honig viele medizinische Eigenschaften zu – so soll er bei der Wundheilung helfen und die Beschwerden von Magengeschwüren lindern. Dabei muss es nicht immer Bienenhonig sein. „Es gibt vier Arten von Honig im Wald“, so David Mbangaoui, „außer dem von Bienen produzierten Honig werden andere Honigarten von Termiten und Fliegen produziert.“
Während die Baka-Männer der Expeditionsgruppe den restlichen Honig genüsslich von ihren Fingern ablecken, beginnen die Frauen erneut zu singen. Die Honigsammler machen sich auf den Heimweg zum Dorf. Wie jede andere Tätigkeit, die die Baka im Wald ausüben, wird auch die Honigernte von Gesang begleitet. Das soll Glück bringen und Kraft schenken.
Nachhaltige Waldnutzung
Der Wald ist für das Wohlergehen und die Existenz der Baka von zentraler Bedeutung – und das wird noch lange Zeit so bleiben. Um die nachhaltige Nutzung des Waldes zu gewährleisten, arbeitet der WWF mit den Baka, den Parkmanagern des Lobéké-Nationalparks und den lokalen Gemeinschaften zusammen, um sie an der Erhaltung des Waldes zu beteiligen. Als Teil des Weltnaturerbe „Trinational de la Sangha“ (TNS) setzt sich der WWF für die nachhaltige Bewirtschaftung der Pufferzonen ein. „Allerdings sind viele der großen wirtschaftlich nutzbaren Baumarten auch essenziell für die Bienen, da nur hier größere Löcher in den dicken Stämmen vorkommen”, so Dr. Thomas Breuer, Kongobeckenexperte vom WWF Deutschland.
Ein aktuelles Projekt soll die Baka in die Lage versetzen, selbst Honig zu produzieren. Hierfür hat der WWF Material und Ausstattung bereitgestellt und testet nun das Produktions- und Herstellungsverfahren in der Parkzentrale in Mambele. Darüber hinaus arbeitet der WWF zusammen mit dem University College London und den Baka an einem Projekt, bei dem eine Smartphone-App eingesetzt wird, um Daten über natürliche Ressourcen wie Honig zu sammeln. Dies hilft nicht nur den Baka-Gemeinschaften, die für sie wichtigsten Gebiete im Wald zu dokumentieren, sondern auch dem WWF, eben diese Gebiete für die Baka besser schützen zu können.
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- Marlyse Bebeguewa Azombo: Leben für den Urwald
- Yvette Mongondji: WWF Baka-Assistentin in Lobéké
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