Vielen Dank, Yvette, dass du dieses Interview mit uns machst. Möchtest du dich kurz vorstellen? Wie alt bist du, woher kommst du, was hast du früher gemacht?

Ich heiße Yvette Mongondji, bin 29 Jahre alt, gehöre dem Stamm der Baka an und komme aus dem Dorf Ndongo im Salapoumbe-Distrikt im Osten Kameruns. Die ersten Jahre bin ich zur privaten katholischen Grundschule gegangen. Danach habe ich bis zur zehnten Klasse die Sekundarschule in Salapoumbe besucht, wo ich auch meinen Abschluss machte. Anschließend arbeitete ich vier Jahre lang als Lehrerin an einer katholischen Schule, bis ich 2017 von der NGO CEFAID angestellt wurde, um sie bei ihrem Einsatz für die Menschenrechte der Baka zu unterstützen.

Du bist seit kurzem Mitarbeiterin des WWF Kamerun. Seit wann genau? Was sind deine Aufgaben, und was bedeutet dir diese Arbeit persönlich?

Seit dem 2. Oktober 2018 bin ich beim WWF für die Gemeindearbeit um den Lobéké-Nationalpark tätig. Ich begleite den Austausch zwischen dem WWF und der Baka-Gemeinschaft und nehme eine vermittelnde Rolle ein, indem ich an Treffen zwischen dem WWF, den Gemeinden und anderen Partnern, wie dem Ministerium für Forst und Fauna, teilnehme. Sie alle arbeiten zu Themen, die die Baka betreffen.

Bevor du zum WWF kamst, hast du bei der lokalen NGO CEFAID gearbeitet. Diese Organisation ist in Kamerun ein wichtiger Partner des WWF. Wie arbeiten der WWF und CEFAID zusammen? Kannst du uns dazu ein konkretes Beispiel erzählen?

Der WWF und CEFAID arbeiten partnerschaftlich zusammen. Der WWF stellt CEFAID finanzielle Mittel zur Verfügung, mit denen CEFAID die geplanten Maßnahmen umsetzt und den Prozess in Form von technischen und finanziellen Berichten an den WWF dokumentiert. Dabei geht es beispielsweise um die Etablierung eines Beschwerdemechanismus [Anm. d. Redaktion: Mechanismus für das Management von Beschwerden im Zusammenhang mit der Verletzung von Menschenrechten (menschenrechtliche Sorgfaltspflicht)] oder um das Melden von Missbrauchsfällen, die die Baka leider immer wieder erleiden müssen. Ziel ist es, den Baka zu ermöglichen, ihre Menschenrechte einzufordern und den Opfern bei Beschwerden zu helfen.

Du bist ja so etwas wie eine Vermittlerin, sprichst mit den Menschen, sensibilisierst sie über ihre Rechte. Auf der anderen Seite siehst du diesen immensen Reichtum der Natur, den es zu schützen gilt. Wie fühlst du dich in dieser Position?

Stimmt, ich habe eine Rolle als Vermittlerin. Ich sensibilisiere indigene Menschen für ihre Rechte und Pflichten. Das muss aber nicht zwingend im Konflikt mit dem Naturschutz stehen. Der Wald und die Natur sind die Lebensgrundlage der Baka, daher ist es auch in ihrem Interesse, den Reichtum der Natur zu schützen. Allerdings gibt es auch immer externe Akteure, die mit schlechten Absichten kommen, und die die Baka dazu drängen, ihr Lebensumfeld eigenhändig zu zerstören. Durch die Sensibilisierungsmaßnahmen können die Baka in Partnerschaft mit der Nationalparkbehörde und dem WWF die Rolle der Naturschützer einnehmen und somit den Reichtum der Natur weiterhin erhalten.

Was bewegt die Menschen vor Ort? Und wie gehst du mit dem um, was sie dir erzählen?

Häufig gibt es Probleme zwischen den Baka und anderen Bevölkerungsgruppen wie den Bantu, die die Mehrheit der Bevölkerung vor Ort darstellen. Konflikte treten zum Beispiel dann auf, wenn die Pachtverträge der Baka für landwirtschaftliche Flächen enden und die Bantu-Pächter das Land weiter bewirtschaften wollen. Außerdem gibt es Fälle von Vergewaltigungen durch Bantus - von Baka-Frauen und manchmal sogar jungen Mädchen. Ich trage dann zu anfänglichen Vermittlungen zwischen den Konfliktparteien bei und informiere das vom WWF unterstützte Menschenrechtszentrum. Als Vermittlerin bin ich auch während dieser Zeit die Ansprechpartnerin der Baka. Das ist viel Verantwortung, die da auf meinen Schultern lastet.

In den letzten Monaten gab es in Lobéké Veränderungen: So wurde am 16. Oktober 2019 das Menschenrechtszentrum in Mambélé eröffnet. Nehmen die Menschen dieses Angebot wahr?

Das von CEFAID errichtete und vom WWF finanziell unterstütze Menschenrechtszentrum in Mambélé setzt sich besonders für die Menschenrechte der Baka ein. Doch bisher profitieren hautsächlich Menschen davon, die in der Nähe des Menschenrechtszentrums leben. Ziel ist es, auch die Gebiete und Menschen zu erreichen, die weiter entfernt vom Menschenrechtszentrum leben.

Waldlichtung © Jaap van der Waarde / WWF Niederlande
Lichtung in Lobeke © Jaap van der Waarde / WWF Niederlande

Ein weiteres besonderes Ereignis war die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem kamerunischen Ministerium für Forstwirtschaft und Wildtiere und Vertretern der indigenen Baka-Gemeinschaften. Die Vereinbarung ermöglicht den Baka mehr Zugangsrechte zu den drei Nationalparks, darunter auch Lobéké. Was hat sich dadurch geändert? Erzählen dir die Menschen davon?

Seit der Unterzeichnung des MoU sind bereits viele Veränderungen eingetreten. Mit der Unterzeichnung des Memorandums durch ASBABUK und MINFOF haben die Baka endlich wieder Zugang zum Wald mit seinen Ressourcen bekommen. Sie können wieder jagen und leben wie einst ihre Großeltern. Allmählich kommt wieder Freude in die Gesichter der Baka. [Anmerkung der Redaktion: Der WWF spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und Kapazitätsaufbau von ASBABUK].

Wie kann deiner Meinung nach eine Organisation wie der WWF den Menschen und der Natur gleichermaßen helfen? Geht das überhaupt?

Das geht! Der WWF spielt eine große Rolle für den Naturschutz, indem er das Parkmanagement beim Erhalt der Natur unterstützt. Durch die Finanzierung, technische Betreuung, und Bereitstellung von Projekten in und um den Park gibt der WWF den Menschen Anreize, von der illegalen Wilderei abzulassen. Das zeigt: Der WWF schützt die Natur und hilft den Menschen vor Ort.

Was sind deine persönlichen Ziele bei deiner Arbeit? Wonach strebst du?

Ich möchte alles Mögliche dafür tun, die Baka von der Beteiligung an illegaler Wilderei abzubringen und sie in der Rolle als Waldhüter zu stärken. Außerdem möchte ich zur Förderung und Weiterbildung der indigenen Völker beitragen, indem ich sie über ihre Rechte und Pflichten in Kenntnis setze. Zudem liegt mir die Ausbildung junger Mädchen sehr am Herzen.

Gab es einen besonders schönen Moment bei deiner Arbeit, den du mit uns teilen möchtest?

Am meisten Spaß macht mir der persönliche Austausch mit meinen Baka-Brüdern und -Schwestern. Wenn ich mit ihnen über ihre Rechte spreche, bin ich meist sehr berührt und freue mich darüber, Sensibilisierungsarbeit zu leisten.

Was sind nicht so angenehme Momente? Was meinst du, denken die Menschen über dich? Besonders dein Engagement für die Baka – zudem als Frau?

Ja, leider begegnen wir bei unserer Arbeit auch viel Skepsis und Kritik! Die Baka sind ein Volk, das lange Zeit bedroht und entmutigt wurde. Ein Volk, das sagt, dass Leiden für sie eine tägliche Mahlzeit ist. Wenn man sie als Mitarbeiterin einer internationalen Organisation versucht zu unterstützen und sich ihren Problemen zu widmen, ist das oft nicht leicht. Dass ich selbst Baka bin und noch dazu eine Frau hilft nicht immer. Häufig gehen meine Baka-Brüder mich dafür an, dass ich mich auch für die Rechte der Baka-Frauen einsetze.

Baka in Kamerun © Brent Stirton / Getty Images / WWF-UK
Baka in Kamerun © Brent Stirton / Getty Images / WWF-UK

Was wünscht du dir für dich, für die Menschen vor Ort und für die Natur?

Für mich selbst wünsche ich mir mehr Mut und Kraft, die mir übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Ich wünsche mir mehr Unterstützung von meinen Vorgesetzten auf allen Ebenen, um meine Arbeit noch effektiver umsetzen zu können. Für die lokale Bevölkerung ist nicht nur moralische, sondern auch materielle Unterstützung zwingend erforderlich, um sie langfristig von der Wilderei abzubringen. Für einen effektiven und nachhaltigen Naturschutz brauchen wir viel mehr Ressourcen und Ausrüstung.

Was wünschst du dir persönlich für die Zukunft – im Privaten und deiner beruflichen Weiterbildung? Wie hilft der WWF dir dabei?

Für meine private Zukunft wünsche ich mir ein ganz normales Leben mit Familie. Beruflich möchte ich meine Kenntnisse noch erweitern und die Welt bereisen. Durch die Arbeit beim WWF habe ich ein Gehalt, das mir einen guten Lebensstandard erlaubt und gleichzeitig ermöglicht, einen großen Beitrag zur Verbesserung des Lebens der Baka zu leisten. Trotzdem kann ich selbst mit meiner bescheidenen Erfahrung im Feld sagen, dass es noch viel mehr Menschen da draußen gibt, die sich in ähnlicher Lage wie die Baka befinden, zum Beispiel die Menschen im Amazonas. Es gibt also noch viel zu tun!

Herzlichen Dank, liebe Yvette, für dieses Gespräch!

Der WWF Deutschland unterstützt die persönlichen und berufliche Weiterentwicklung von Yvette (Bildung, Computerfähigkeiten, Führerschein, Sprachkenntnisse und Einbringen in internationale Menschenrechtsgremien).

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