Zusätzlich zu den Wiederbegrünungsmaßnahmen organisieren der WWF und seine Partner vor Ort eine Reihe von Fortbildungen. So erhielten bis Mitte 2023 schon 15 Frauengruppen mit 175 Mitgliedern Trainings im Molkereiwesen, 200 Menschen besuchten Imkerkurse, 20 Bäuerinnen und Bauern bildeten sich in der Tierfutterproduktion fort und weitere 20 Landwirt:innen vertieften ihre Kenntnisse zu Obst- und Gemüseanbau im Wald. Ende 2023 absolvierten 100 Jugendliche eine Ausbildung, um anschließend als technisches Team oder als Hilfskräfte die praktischen Arbeiten der Wiederbegrünung in Kajiado-Süd durchzuführen.
Wälder sind wahre Alleskönner im Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterben. Aber das ist nicht alles: Im südlichen Kenia zeigt ein WWF-Projekt, wie die Wiederherstellung von Landschaften die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort deutlich verbessert.
Ostafrika gehört zu den Weltregionen, die heute schon besonders unter der Klimakrise leiden. Vier Jahre lang fiel in großen Teilen von Somalia, Äthiopien und Kenia die Regenzeit aus, allein in Kenia waren Anfang 2023 rund 4,4 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen. Auch die Wildtiere litten, so zählte man im Amboseli-Nationalpark im Süden Kenias Ende 2022 über 6.000 an den Folgen der Dürre verendete große Säugetiere wie Elefanten, Giraffen und Büffel. Im Herbst 2023 kippte das Wetter ins nächste Extrem: Es regnete wochenlang besonders stark. Dutzende Menschen starben bei Überschwemmungen, Tausende verloren ihr Zuhause. Das Wasser machte nicht nur Häuser unbewohnbar, sondern riss auch Vieh mit sich und zerstörte auf den Äckern das Wenige, was die Dürre zuvor noch übriggelassen hatte.
Besonders getroffen von Dürre und Starkregen waren Gegenden mit wenig Baumbestand. Das ist kein Wunder, denn Wälder helfen das Wasser im Boden zu halten. In Trockenzeiten sorgen sie dafür, dass Quellen nicht vertrocknen, während sie bei Extremregen die Wucht der Niederschläge bremsen und dabei helfen, das kostbare Nass versickern zu lassen. Nicht zu unterschätzen sind die mikroklimatischen Folgen von Bewaldung. „Bäume sind Regenmacher“, erklärt Dr. John Kioko vom WWF Kenia. Sie entziehen mit ihren Wurzeln dem Boden Feuchtigkeit, geben diese über ihre Blätter in die Luft ab, wobei ein Kühlungseffekt eintritt. Wo Bäume stehen, verdunstet deshalb mehr Wasser, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit für mehr Niederschläge steigt.
Wie das Wasser im Boden bleibt
Und mehr noch: Bäume und andere Vegetation verhindern Erosion, also den Verlust von fruchtbarer Erde – durch reißende Wassermassen nach Unwettern und durch Wind in Trockenzeiten. Erosion ist ein sehr ernstes Problem in Ostafrika. Das kenianische Umweltministerium schätzt den Anteil der von Bodenerosion betroffener Landesfläche auf knapp 90 Prozent, wobei beinahe zwei Drittel der Fläche von schwerer Erosion bedroht ist. Diese Bodenverschlechterung – Fachleute sprechen von Degradation – hat unmittelbar mit der Entwaldung zu tun. Die Waldfläche in Kenia hat sich in den letzten Jahrzehnten verkleinert. Wenn immer mehr Böden aber ihre Qualitäten als Ackerland, Weidefläche und Wasserspeicher verlieren, steigt damit auch der Nutzungsdruck auf die verbliebenen intakten Flächen: Menschen dringen weiter in bislang unbewirtschaftete Gegenden vor, es häufen sich Konflikte mit Wildtieren und die Waldvernichtung schreitet voran.
Um diesen Teufelskreislauf zu unterbrechen, setzt der WWF auf Wiederherstellung von Waldlandschaften. Beispielhaft dafür ist ein Projekt im südkenianischen Bezirk Kajiado-Süd. Das Gebiet liegt zwischen vier Nationalparks: Amboseli im Westen, Chyulu Hills im Norden, Tsavo West im Osten und – direkt hinter der Grenze zum Nachbarland Tansania – Kilimandscharo im Süden. Das mächtige Massiv des höchsten Bergs Afrikas thront weithin sichtbar über den Ebenen von Kajiado, die Landschaft außerhalb der Städte besteht neben Privatland und Äckern aus einem Mosaik aus Fluss- und Waldgebieten, Gras- und Buschland. Hier leben Elefanten, Spitzmaulnashörner, Gnus, Gazellen, Zebras, Leoparden und viele Vogelarten. Aber auch Menschen und damit gibt es nicht nur größere und kleinere Siedlungen, sondern auch Ackerland, das allzu oft eingezäunt ist. Die Zäune wiederum stellen Probleme für die Wildtiere dar, deren Wanderkorridore zwischen den vier Nationalparks verlaufen. Soweit die Menschen in der Region nicht von nomadischer Viehzucht und Safaritourismus leben, bauen sie vor allem Mais, Bohnen, Kartoffeln und Zwiebeln an, wobei Regenfeldbau nur auf den Ausläufern des Kilimandscharo funktioniert, weiter unten in den Ebenen ist der Ackerbau von Bewässerung abhängig.
Den Trend jetzt umkehren
Auch in Kajiado-Süd gingen in den vergangenen Jahrzehnten Naturlandschaften verloren. Wald- und Buschflächen schrumpften zwischen 2001 und 2021 um 87 Prozent beziehungsweise um 68 Prozent, während Bodenerosion die Qualität der Landwirtschafts- und Weideflächen verschlechterte. In Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation JustDiggit, örtlichen Behörden, Organisationen und vor allem mit Zusammenschlüssen der Landnutzer:innen hat der WWF begonnen, diesen Trend umzukehren und auf einer Fläche von 5.000 Hektar Waldlandschaften wiederherzustellen. Dies soll auf weitere 20.000 Hektar Fläche so ausstrahlen, dass sich die Bedingungen für Ackerbau und Weidetierhaltung und auch die Lebensbedingungen im Allgemeinen verbessern. Das bedeutet konkret etwa, mit Baumpflanzungen eine Quelle und den weiteren Wasserlauf zu renaturieren, sodass flussabwärts viele Menschen das Wasser nutzen können.
Was der WWF in Kajiado-Süd anschiebt, geht über eine Wiederaufforstung weit hinaus. Forest Landscape Restoration (FLR) heißt die Vorgehensweise, die auf die Wiederherstellung einer ganzen Landschaft mit all ihren ökologischen und ökonomischen Funktionen abzielt. Um nur die wichtigsten zu nennen: Die Wiederherstellung der Waldlandschaften soll helfen Kohlenstoff zu speichern und somit die Treibhausgasemissionen zu senken. Mehr Bäume sollen Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten, lokal für niedrigere Temperaturen sorgen, die Wasserführung der Flüsse verbessern, Brunnen und Quellen in Nähe der Siedlungen sichern, Bodenerosion aufhalten, Erträge der Landwirtschaft steigern, Bedingungen für die Weidetierhaltung verbessern, Holz zum Kochen bieten und nicht zuletzt Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Arzneien in Form von Heilkräutern liefern.
Es grünt an allen Ecken
Die ersten Ergebnisse können sich bereits sehen lassen. Zusammen mit der kenianischen Forstbehörde hat der WWF in Loitokitok eine Modellbaumschule aufgebaut, die Setzlinge vor allem von einheimischen Arten zieht, etwa Afrikanischen Ölbaum, Ostafrikanischen Wacholder, Afrikanische Kirsche, Maulbeerfeige und Korallenbaum. 32.000 junge Bäume auf einer Waldfläche von 25 Hektar haben so ihre Karriere als Ökosystemverbesserer begonnen, gepflanzt von über 1.000 Mitgliedern zweier Waldnutzer:innen-Gemeinschaften. Auch private Baumschulen der Region sind bei den FLR-Maßnahmen aktiv – und Ladenbesitzer:innen in Loitokitok, die Patenschaften für junge Bäume vor ihren Geschäftslokalen übernommen haben. Überhaupt grünt es dank 35.000 frisch gepflanzten Bäumen überall in der kleinen Gemeinde, in der auch der WWF sein Projektbüro hat: auf dem Schulgelände, neben der Kirche, zwischen Privathäusern und Geschäften und sogar im Gefängnis.
Mit drei Wasserkooperativen, die zusammen über 800 Mitglieder zählen, haben die Arbeiten zur Renaturierung von zwei Quellen begonnen. Dazu sollen rund 4.500 Bäume in absehbarer Zeit gepflanzt werden. Um die Qualität des teilweise stark degradierten Weidelands zu verbessern, wurden auf 13 Hektar Fläche circa 6.000 Bäume gepflanzt. Dies geschah in Kooperation mit einem 350-köpfigen Zusammenschluss von Landeigentümer:innen. Ebenfalls auf die Verbesserung der Weidebedingungen zielt die Einrichtung von Grassamenbanken ab. Bis Ende 2023 haben der WWF und seine Partner an sieben Molkereigenossenschaften in Kajiado-Süd Grassamen verteilt, die inzwischen ausgesät sind. Die Grassamenbanken werden von Masai-Frauengruppen betrieben, die die Samen auch auf lokalen Märkten verkaufen.
Soil bunds, Kisiki Hai und Olopololi-Parzellen
Die meisten Jungbäume des FLR-Projekts in Kenia wachsen auf Ackerland. Allein seit November 2023 konnten über 100.000 Bäume gepflanzt werden. Zusätzlich wurden Terrassen angelegt, Gräben gezogen und zur Stabilisierung mit Gras bepflanzt. Das soll Erosion verhindern und Wasser besser im Boden speichern. Bei der Wiederbegrünung der Gras- und Weidelandschaften von Kajiado-Süd kommen verschiedene nachhaltige Landbearbeitungstechniken zum Einsatz. Zum Beispiel sogenannte soil bunds. Dabei handelt es sich um halbrunde Gruben. Sie werden ausgehoben, um die verhärtete Schicht an der Oberfläche aufzubrechen und abfließendes Regenwasser abzufangen, damit es fruchtbaren Boden nicht wegspülen kann. Ergänzend bremsen Steinwälle das abfließende Wasser. Eine andere traditionelle Technik ist Treecovery, auf Swahili Kisiki Hai. Wer sie beherrscht, kann aus Baumstümpfen neue Bäume heranwachsen lassen, indem bestimmte Triebe gestutzt und geschützt werden.
Mit der Neupflanzung allein ist es freilich nicht getan. Ganz entscheidend ist es, das neue Grün zu schützen. Dazu ist ein konsequentes Weidemanagement nötig, schließlich können sich die zu sanierenden Flächen nur dann regenerieren, wenn ihnen das Vieh mindestens zwei Jahre lang fernbleibt. Auch um dies zu regeln, orientiert man sich im FLR-Projektgebiet wieder an einer bewährten Masai-Tradition, der Olopololi-Parzelle. Dabei handelt es sich um Gemeindegrund, der nur zu ganz bestimmten Zeiten als Weideland dient. Ein Komitee aus Mitgliedern der Weidetierhalter:innen-Gemeinschaft regelt Zeitpunkt und Dauer der Beweidung so, dass das Gras der Olopololi-Parzelle wieder nachwachsen kann.
Wissen schafft Zukunft
Die WWF-Aktivitäten im südlichen Kenia sind Teil eines größeren Programms zur Wiederherstellung von Waldlandschaften. Es trägt den Namen AREECA, was für Large-scale Forest Landscape Restoration (FLR) in Africa steht. Seine Projektgebiete befinden sich in Ruanda, Malawi, Kamerun und Kenia. AREECA trägt dazu bei, die AFR100-Länderziele von Kenia und den anderen Programmländern zu erreichen. AFR100 ist die Abkürzung für die African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100), in der sich 32 afrikanische Staaten zusammengetan haben, um bis zum Ende dieses Jahrzehnts 128 Millionen Hektar Land ökologisch aufzuwerten. Gefördert wird AREECA aus Mitteln der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) der deutschen Bundesregierung. Vor Ort kooperiert der WWF unter anderem mit der kenianischen Forstbehörde und der Organisation Justdiggit.
- Kenia und Tansania