In Kwale, einer Provinz Kenias, wurden gerade die ersten elf Ombudspersonen ausgebildet. Sie wissen um die wichtige Naturschutzarbeit in ihrer Region und vermitteln diese ehrenamtlich. Und wenn es Probleme gibt, stehen sie als Ansprechpartner:innen und Schlichter:innen zur Verfügung. Ihre Ausbildung ist Teil des Küstenwaldprojekts in Kwale, bei dem der WWF Kenia mit Unterstützung der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) Waldgebiete gemeinsam mit den Gemeinden schützt und wiederherstellt.

Tauhida Salim arbeitet als Ombudsperson in Kwale, Kenia. © WWF
Tauhida Salim ist eine von elf Ombudspersonen, die zwischen Naturschutzbelangen und Gemeindemitgliedern bei der Umsetzung konkreter Projektaktivitäten in Kwale vermitteln sollen. © WWF

Tauhida Salim lebt mit ihren beiden Kindern zusammen, hat eine Gehbehinderung und engagiert sich voller Energie für die Umwelt. In ihrer Heimat, der kenianischen Provinz Kwale, setzt sie sich seit Jahren für die Mangrovenwälder ein. Jetzt hat die umweltbewusste Tauhida noch mehr Verantwortung übernommen als Ombudsfrau in der Provinz Kwale.  

Elf Projektgebiete, elf Freiwillige

Tauhida ist eine von elf Freiwilligen, die gerade erst für die Arbeit als ehrenamtliche Ombudspersonen ausgebildet wurden. Jede:r von ihnen soll in einem von elf Projektgebieten Kwales zum Einsatz kommen. Sie wurden von den Gemeinden ausgewählt, weil sie besonders geschätzt werden und als vertrauensvoll gelten. Beste Voraussetzungen, um zwischen den Naturschutzbelangen und Gemeindemitgliedern bei der Umsetzung konkreter Projektaktivitäten vermitteln zu können. Projekte gibt es einige in der Region, bei denen nach einem großräumigen Verlust der baumreichen Landschaften diese nach und nach wiederhergestellt werden. So sollen die Küsten geschützt und auf dem Land die Bodenerosion gestoppt werden. „Ich musste miterleben, wie trotz klarer Naturschutzbestimmungen für den Bodenschutz wichtige Bäume gefällt wurden“, erzählt Tauhida. „Ich habe früher viel Zeit damit verbracht, solche Straftaten nur zu melden. Als Ombudsfrau bin ich jetzt auch dafür da, den Sinn von Bestimmungen zu erklären und zwischen den Interessen zu vermitteln. Es ist wichtig zu verstehen, warum wir unsere ehemals baumreichen Landschaften wieder aufbauen wollen.“

WWF-Ostafrika-Expertin Jana Kanig. © WWF
Jana Kanig ist Projektmanagerin des WWF für das östliche und südliche Afrika und dabei für die Region Kwale mitverantwortlich. © WWF

Framework für den Umwelt- und Sozialschutz

„Die Ausbildung und Zusammenarbeit mit den Ombudspersonen ist Teil unserer Umwelt- und Sozialrichtlinien, den Environmental and Social Safeguard Framework, kurz ESSF“, erläutert Jana Kanig, Projektmanagerin des WWF für das östliche und südliche Afrika. „ESSF soll sicherstellen, dass unsere Bemühungen, Naturräume zu erhalten und zu regenerieren, keine unbeabsichtigten nachteiligen sozialen oder ökologischen Auswirkungen haben.“ Die Bewohner Kwales sind darauf angewiesen, die natürlichen Ressourcen ihrer Heimatregion zu nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Eine Übernutzung reduziert allerdings die langfristige Nutzbarkeit der Landschaft, sodass es verlässliche Regeln geben muss, zum Beispiel zur späteren Nutzung neu gepflanzter Bäume. Daher kann es auch mal nötig sein, einen schon übernutzten Wald vor zu viel Holzeinschlag besser zu schützen.

Ergibt ein Screening des WWF (in einem ihrer Projektgebiete zur Wiederherstellung von baumreichen Landschaften), dass das Verhältnis zwischen Nutzung und Schutz nicht stimmt, werden zunächst die Interessengruppen konsultiert. Dies sind insbesondere potenziell betroffene lokale Gemeinschaften, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen und lokale Behörden. Mit ihnen werden Maßnahmen erarbeitet, Risiken und Möglichkeiten erörtert, die Ansichten der Beteiligten hierzu bei den weiteren Schritten berücksichtigt. Denn die lokalen Gemeinschaften haben stets das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (kurz FPIC: free, prior, informed consent) für Projekte und Maßnahmen – eines der Grundprinzipien des ESSF-Programms. Ohne ihr Einverständnis können Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Der WWF diskutiert daher mit betroffenen Parteien, was insgesamt in dem Projekt geplant ist, falls es nicht bereits gemeinsam entwickelt wurde. Erst danach geht es an die Umsetzung.

Monitoring der Wälder im WWF-Projektgebiet in Kwale. © WWF
Das Monitoring der Wälder gehört zu den wichtigsten Aufgaben in Projektgebieten in Kwale. © WWF

Stimme der Gemeinschaften und der Naturschützer

In seltenen Fällen kommt es wider Erwarten doch noch zu Problemen. Für solche Fälle gibt es jetzt Ombudspersonen wie Tauhida. „Wir brauchen die Ombudspersonen, damit die lokalen Gemeinschaften, falls sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen, ihre Beschwerden gut äußern können. Aber auch, um der Natur eine Stimme zu geben“, sagt ESSF-Trainer Peter Muigai, der die ersten elf Ombudspersonen in Kwale ausbildet. Für ihn ein wichtiger Schritt zur konstruktiven Zusammenarbeit: Langfristig werde dieses Engagement die Beziehungen zwischen den lokalen Gemeinschaften und allen relevanten Interessengruppen verbessern. Denn die Ombudspersonen sind selbst lokal verwurzelt und werden von den Bewohnern anerkannt. Zugleich sind sie Verbündete der Naturschützer, wissen um die Bedeutung der Projekte – auch und gerade für die Gemeinschaften, die vor Ort leben und wirtschaften.

Tauhida Salim hat jetzt dazu die Chance, sich für Natur und Menschen einzubringen. Sie ist die erste Ansprechperson für die Bevölkerung vor Ort und weiß, wie sie mit Beschwerden gut umgehen kann. Sollte es dabei doch zu lokal unlösbaren Problemen kommen – was selten vorkommt – kann sie diese an die nächsthöhere Ebene weiterleiten. In den WWF-Projektgebieten ist dies der WWF Kenia in Nairobi, dort wird der Konflikt im gegenseitigen Einvernehmen gelöst.

Monitoring der Wälder im WWF-Projektgebiet in Kwale. © WWF
Das Monitoring der Wälder gehört zu den wichtigsten Aufgaben in Projektgebieten in Kwale. © WWF

„Für die Luft, die wir atmen“

Der ehrenamtliche Einsatz Tauhidas kommt den wichtigen Wald- und Mangrovenökosystemen in der Region Kwale zugute, deren Bestände dort nicht nur erhalten, sondern vor allem auch wiederhergestellt werden. Der WWF arbeitet über deren Forstverbände und/oder Ältestenräte mit Gemeinden in verschiedenen Waldgebieten der Provinz Kwale zusammen. Dabei geht es unter anderem um Fortbildungen, die Wiederentwicklung von Wäldern oder die Unterstützung alternativer Einkommensmöglichkeiten. Mit dieser Arbeit erreicht der WWF derzeit etwa 4.000 Menschen. „Die Gemeinden werden darin unterstützt, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Ökosystem-Dienstleistungen nachhaltig zu nutzen“, sagt Jana Kanig. „Ziel der Zusammenarbeit ist eine Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort.“ Dabei werden auch zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen, etwa die nationale Umweltallianz, eine Plattform von Umweltorganisationen für eine umweltrelevante Interessenvertretung auf nationaler Ebene.

„In der Ausbildung zur Ombudsperson haben wir vertieft gelernt, wie wichtig die Wälder und der Schutz der Natur sind“, so Tauhida, „für die Luft, die wir atmen, die Wassergebiete, die Auswirkungen von Dürre und Klimawandel.“ Allein in Kwale werden durch das WWF-Projekt 30.000 Hektar Wald- und Mangrovenökosysteme erhalten und neu geschaffen. „Das nachhaltige Ressourcenmanagement kommt auch den Bewohnern zugute“, ergänzt Jana Kanig. „Damit sie die Naturräume langfristig nutzen können, müssen die Wälder erhalten und deren Qualität wiederhergestellt werden. Auf einigen Flächen kann dies zum Beispiel durch Naturverjüngung erreicht werden.“ Die Ombudspersonen helfen dabei, mit den Nutzern konstruktiv in den Austausch zu kommen. Denn Naturschutz kann nur mit Verständnis der Menschen vor Ort funktionieren und es muss sich für sie auch ökonomisch rechnen.

Kauli Mwembe, Ombudsperson in Kwale, Kenia. © WWF
Entscheidend für den Erfolg der Ombudspersonen sind Erfahrung und eine gute Kommunikation. Kauli Mwembe bringt beides mit und wird auch deswegen von den Gemeinden besonders geschätzt. © WWF

Unparteilich und glaubwürdig

Entscheidend für den Erfolg der Arbeit der Ombudspersonen ist die entsprechende Glaubwürdigkeit. Diese bringen sie als unparteiliche Menschen mit, die vor Ort gut vernetzt sind. Ihr persönlicher Hintergrund kann völlig unterschiedlicher Art sein. Kauli Mwembe etwa bringt seine Erfahrungen in der Kommunikation mit ein. 16 Jahre hat der fünffache Vater als Wirtschaftsredakteur in überregionalen Tageszeitungen gearbeitet, fünf Jahre die Öffentlichkeits- und Pressearbeit im Büro des Gouverneurs von Kwale geleitet. Vor einigen Jahren entwickelte er zudem Interesse für die Landnutzung und in diesem Zusammenhang für die wichtige Rolle des Waldes. Kauli schloss sich einer der vielen lokalen County Forest Associations an, die sich mithilfe der regionalen Regierung um die Verwaltung der Waldgebiete kümmern. Aufgrund seines Engagements und seiner früheren Führungserfahrungen schlugen die Mitglieder des Dorfes ihn für die Aufgabe des Ombudsmannes vor.

ESSF-Trainer Peter Muigai © WWF
Peter Muigai arbeitet seit zehn Jahren für den WWF Kenia und bildet als ESSF-Trainer die Ombudspersonen aus. © WWF

Mit seinem Hintergrund bringt Kauli einige Qualifikationen mit, die Ombudspersonen bei ihrer Arbeit gut gebrauchen können. Zu seinen Hauptaufgaben zählt, vorgebrachte Beschwerden zu untersuchen. Auch bei der Schlichtung spielen Ombudsleute wie er eine zentrale Rolle. Nach einer Schlichtung sollen sie kontrollieren, ob die vereinbarten Aktivitäten von den Beteiligten umgesetzt werden und somit sicherstellen, dass der Konflikt vollständig gelöst wurde. „Mit dieser Tätigkeit möchte ich die Mentalität in der hiesigen Gemeinschaft ändern“, sagt Kauli Mwembe. „Lange Zeit wurde Naturschutz als „Gegner“ betrachtet.“ Künftig, so seine Hoffnung, werden die Menschen vor Ort die Wiederherstellung von Waldlandschaften als Teil des wünschenswerten Fortschritts betrachten.

Gruppenbild des Ombudstrainings für die Projektregion Kwale in Kenia, Ostafrika. © WWF
Alle elf neuen Ombudspersonen wurden bei einem gemeinsamen Training auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Gruppenbild aller Teilnehmer:innen und Trainer:innen beim Workshop in Kwale. © WWF

Naturschutz, aber auch soziale Gerechtigkeit

Auch ESSF-Trainer Peter Muigai stammt aus dem ländlich geprägten kenianischen Bezirk Murang‘a. 16 Jahre arbeitete er in verschiedenen Organisationen für Gemeindeentwicklung, seit zehn Jahre ist er für den WWF Kenia aktiv. Er hat mehrmals erlebt, wie und warum Engagement für Naturschutz auf Widerstand stoßen kann. Naturschutzarbeit sei in Kolonialzeiten und in den jungen, unabhängigen Ländern Afrikas oftmals nicht in Kooperation mit der lokalen, teilweise indigenen Bevölkerung praktiziert worden. Das führte dazu, dass die Menschen „Naturschutzarbeit mit sozialer Ungerechtigkeit in Verbindung brachten, weil einige Projekte in Kenia leider die Menschen von ihrem Land trennen wollten, um natürliche Ressourcen zu erhalten“, so der ESSF-Trainer. Dabei gehe Naturschutz selbstverständlich nur zusammen mit den Menschen vor Ort. Dies ist nun bereits seit einigen Jahrzehnten der Ansatz der Naturschutzorganisationen. In der Ausbildung von Ombudspersonen und deren anschließendem Engagement schlummert für ihn großes Potenzial, über die Verbesserung der Beziehungen zwischen lokalen Gemeinschaften und allen relevanten Interessengruppen hinaus: „Eine Ombudsperson kann mit ihrem Know-how auch den WWF Kenia als Partner beraten, wie wir unsere Arbeit besser umsetzen können.“

Für Tauhida Salim ist noch eine weitere Perspektive wichtig: „Bislang dominieren Männer die Debatten darüber, wie wir mit dem Wald umgehen“, sagt sie. „Ich möchte anderen Mitgliedern der Gemeinschaft ein Beispiel geben, insbesondere Frauen, aber auch Menschen, die wie ich mit einer Beeinträchtigung leben: Wir alle können an diesen Gesprächen teilnehmen und unsere Interessen einbringen!“