Ein Werkstattbericht von Joseph Towett, Vorsitzender des Gemeindeforstverbandes Chepalungu Apex Community Forest Association (CFA).
Joseph Towett, Vorsitzender des Gemeindeforstverbandes Chepalungu Apex Community Forest Association (CFA), sorgt an vorderster Front für die wichtige Wiederherstellung der Wälder Chepalungus. Dem WWF erzählte er von seiner Arbeit für den Waldschutz in der Region.
18. August 2021, 6:30 Uhr morgens, Siongiroi, Kenia.
Ein aufgescheuchter Schwarm Nilgänse begleitet den Sonnenaufgang eines wolkenverhangenen Morgens. Bei knapp über zehn Grad Celsius versinken unsere Gummistiefel in tiefem, schwarzem Matsch, der zur trockenen Jahreszeit eine Straße ist. Wir befinden uns im Südwesten Kenias, grob gesagt zwischen Viktoriasee und Nairobi. Viereinhalb Stunden Autofahrt liegt die Hauptstadt entfernt. Im Moment wahrscheinlich mehr. Gerade geht die jährliche große Regenzeit zu Ende, die in diesem Jahr erst spät eingesetzt hat und seither unsere Straßen überschwemmt. Unsere Kleider sind klamm von der feuchten, kühlen Luft. Doch nur während des Regens können wir Bäume pflanzen, die überleben.
Einsatz für Chepalungu
Siongiroi ist eine kleine Gemeinde mit etwa 19.000 Einwohnern – und zehn Baumschulen, die über das weitläufige Dorf verstreut sind. Mit mehr als 4.500 Setzlingen auf der Ladefläche unseres Pickups dicht an dicht zusammengebunden, holpern wir von dort aus fast eine Stunde lang durch Schlamm und riesige Pfützen. Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr Flächen neuen Grüns leuchten uns entgegen. Verschiedenes Grün verschiedener Größen – junger Wald in seinen unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Gut 250.000 Bäume haben wir in den letzten beiden Jahren hier gepflanzt. Für einen Wald, der wieder werden soll, wie er vor langer Zeit einmal war.
Wir, das sind heute insgesamt 16 Männer und 38 Frauen aus unserem Dorf und ich – Joseph Towett, Vorsitzender des Gemeindeforstverbandes. Dazu kommen mehr als 3.000 weitere Einwohner aus allen umliegenden Dörfern, die in jeder Regenzeit Setzlinge pflanzen. Tagelang, monatelang, mit bloßen Händen auf riesigen Flächen. Wir tun das auch für uns selbst. Denn unser Ziel an diesem und vielen weiteren Morgen sind die beiden, insgesamt rund 5.000 Hektar großen Chepalungu-Waldschutzgebiete nahe des Mara-Flusses – in denen es ohne uns bald keinen Wald mehr gäbe.
Nachdem der Wald verschwand
Rückblick, 7. Juni 2018, Kapchumbe-Block, Kenia
Es herrscht zugleich Hoffnung und Besorgnis, als sich die lokale Gemeinschaft in Kapchumbe zu einem ersten Workshop versammelt, der die Wiederherstellung unserer Wälder einläutet. 22 Männer und 13 Frauen sind wir, alle aus dem Bezirk Bomet rund um das Waldreservat Chepalungu. Es ist trockener geworden in den letzten Jahren in unserer eigentlich feuchten Region. Denn es fehlen die Wälder, denen Quellen und Bäche entsprangen. Nach jahrzehntelanger Übernutzung wurden sie während der Unruhen, die unser Land 2007 und Anfang 2008 nach den Wahlen erschütterten, endgültig zerstört. Die Wege zum Trinkwasser werden immer weiter, die Böden unfruchtbarer. Es fehlen die Ressourcen der Wälder. Und wir sind hier, um etwas dagegen zu tun. Wir sind Teil eines umfassenden Wiederaufforstungsprojektes des WWF gemeinsam mit der Bevölkerung und lokalen Behörden.
Chepalungu – Land der zwei Regenzeiten
Das Land rund um die Wälder Chepalungus ist ein Land ausgeprägter Jahreszeiten, mit zwei Regenzeiten: Unsere „große Regenzeit“ – geprägt von langanhaltenden Regenfällen – dauert normalerweise von etwa Mitte März bis April oder Mai. Die sogenannte „kleine Regenzeit“ mit ihren kurzen, heftigen Schauern beginnt Ende Oktober und zieht sich bis in den Dezember hinein.
Mehr als erhofft: Der erste Pflanz-Zyklus
Oktober 2019, Chepalungu Waldschutzgebiete
Das typische Bild sich häufender, kurzer und starker Regenfälle zeigt: Die kleine Regenzeit hat begonnen. Die Böden werden weicher, fruchtbarer und sollen nun zehntausende Baumsetzlinge aufnehmen, die in fünf Baumschulen örtlicher Gemeinden in den letzten Monaten herangezogen wurden. Aus gutem, überlebensfähigem Saatgut heimischer Arten: Wilde Afrikanische Olive beispielsweise, Afrikanischer Baumwacholder und Wasserbirne sind einheimische Laubbäume unserer Region. Sie sollen in den beiden Waldschutzgebietsblöcken Chepalungus wieder zu gesunden Wäldern heranwachsen, Klima und Wasserhaushalt stabilisieren und Vögeln und Wildtieren eine neue Heimat bieten.
Der Transport der Setzlinge ist nicht einfach. Immer wieder sind wir gezwungen anzuhalten und unseren Lastwagen aus dem Schlamm zu schieben, während wir uns auf matschigen Wegen durch holpriges Gelände schlängeln. Als Teamleiter ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Setzlinge rechtzeitig am Standort ankommen – und dass wir genügend Leute vor Ort haben. Denn wir müssen schnell sein mit unseren Pflanzungen, bevor der Boden durch den Klimawandel im unberechenbarer werdenden Regen versiegt und unsere Setzlinge austrocknen.
30.000 neue Bäume waren in dieser kleinen Regenzeit unser Ziel. 51.472 Setzlinge schaffen wir schließlich.
Bewirtschaftung und Mitbestimmung
Wir Menschen hier sind abhängig vom Wald. Er versorgt uns mit Brennholz, Holzkohle, Weideflächen, Nahrung und Produkten wie Honig zum Verkauf. Die neuen Wälder Chepalungus stehen unter Schutz. Sie stellen unsere Lebensgrundlage wieder her und wir sind froh darüber. Inzwischen pflanzen einige unserer Kleinbauern sogar eigene Waldstücke auf ihren Parzellen.
In den Randbereichen der Chepalungu-Waldblöcke werden zusätzlich verschiedene Obst- und schnellwachsende Baumarten gepflanzt, die von uns umliegenden Gemeinden nachhaltig genutzt werden können. Für die Planung sind wir selbst verantwortlich, es ist unsere Initiative.
Bäume pflanzen allein reicht nicht aus
Juni 2020, Chepalungu, Singorioi Block
Wieder stehen wir mit Gummistiefeln in sumpfigem Morast, obwohl die Trockenzeit inzwischen begonnen hat. Vor uns liegt eines der vielen Feuchtgebiete in den Chepalungu-Reservaten. Sie haben unter der Abholzung der vergangenen Jahre stark gelitten. Nun wo sie geschützt sind, kommt der Druck von einer anderen Seite: der Überweidung.
Seit jeher lassen die Menschen der Region ihr Vieh wild in den Wäldern weiden. Das ist weit mehr als eine Tradition. Es ist das Einzige, was in der sonst kargen Gegend funktioniert. Doch es hindert die Feuchtgebiete und den Wald daran, sich zu erholen und gefährdet die neuen Baumpflanzungen. Das Vieh wird in Zukunft draußen bleiben müssen. Zumindest für die nächsten Jahre. Deshalb errichten wir Schutzzäune auf dem unebenen Gelände.
Drei weitere Regenzeiten – Über 250.000 Bäume
November 2021, Chepalungu
Unseren ersten Pflanzungen im Herbst 2019 folgten drei weitere Regenzeiten – Anfang 2020, Ende 2020 und Anfang 2021 – mit drei ähnlich erfolgreichen Pflanzzyklen. Fast 50.000 neue Bäume kamen mit jeder Regenzeit dazu, 100.000 Setzlinge im Durchschnitt pro Jahr. Außerdem ein breites Netz an Pflege, Kontrolle und Schutz, in welchem sich unsere lokale Bevölkerung organisiert. Viele Einheimische, vor allem arbeitslose Jugendliche und Frauen, freuen sich mit jeder Regenzeit erneut auf die Pflanzungen, da sie dadurch ein Einkommen erzielen. Manchmal engagieren wir bis zu 150 Menschen für eine Pflanzaktion. Langsam wird der Wald wieder zu dem, was er einmal war und wir sind sehr stolz darauf.
Heute stehe ich vor den jungen Wäldern Chepalungus, während unsere Gemeindemitglieder die jungen Bäume in ihren verschiedenen Blöcken pflegen. Glücklich blicke ich vor mich in das Schutzgebiet und zurück auf über 250.000 Bäume, mit denen wir das Gebiet während der letzten vier Regenzeiten wiederbelebt haben. Über 80 Prozent der Setzlinge überleben bisher. Eine Rate, mit der wir mehr als zufrieden sein können. Gemeinhin gelten bereits 60 Prozent als Erfolg.
Voller Hoffnung blicke ich in die Zukunft. Auf all die Setzlinge, die noch folgen sollen. Unser Werk ist nicht getan, die Pflanzungen sollen die nächsten Jahre weitergehen und ausgebaut werden, um zu einem intakten, wilden Wald in Chepalungu heranzuwachsen, Lebensgrundlage einer ganzen Region.