Trotz aller Herausforderungen ist es dem WWF gelungen, das Naturerbe in weiten Teilen der Region zu bewahren. Gemeinsam mit seinen internationalen und lokalen Partner:innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, staatlichen Institutionen und privaten Unternehmen setzt der WWF alles daran, die ökologischen Schätze zu erhalten und gleichzeitig die Lebensgrundlagen der Bevölkerung zu sichern. Denn nur so kann Naturschutz langfristig erfolgreich sein. Hinzu kommt, dass meist mehrere Staaten in die Programme eingebunden werden müssen, deren Beziehungen zum Teil angespannt sind oder zwischen denen keine diplomatischen Beziehungen bestehen.
Die Ökoregion Kaukasus umfasst die Länder Armenien, Aserbaidschan und Georgien sowie Teile des Iran, Russlands und der Türkei. Wirtschaftliche und strukturelle Veränderungen, Krisen und Konflikte zwischen Staaten und ethnischen Gruppen erschweren eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Naturschutz und nachhaltige Entwicklung wie kaum ein anderes Thema in der Lage sind, Brücken zu bauen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu fördern.
Starkes Netzwerk für den Naturschutz
Im Laufe der Jahre ist es dem WWF und seinen Partner:innen gelungen, ein grenzüberschreitendes Netzwerk zur Koordination der Naturschutzarbeit aufzubauen. 1992 wurde das erste Projektbüro in Tiflis eröffnet, weitere folgten in Baku (Aserbaidschan) und Eriwan (Armenien).
Zusammen mit den nationalen Projektbüros des WWF Türkei und des WWF Russland entstand ein länderübergreifendes WWF-Netzwerk für Naturschutz, das von regionalen, nationalen und internationalen Partner:innen, wie Umweltministerien, Organisationen und Unternehmen, unterstützt wird. Die erfolgreiche Wiederansiedlung der gefährdeten Kropfgazelle im georgisch-aserbaidschanischen Grenzgebiet ist nur ein Beispiel für diese Zusammenarbeit.
2023 erleidet die ökoregionale Naturschutzarbeit im Kaukasus einen herben Rückschlag. Am 21. Juni 2023 erklärt die russische Generalstaatsanwaltschaft den WWF Russland für „unerwünscht“. Diese Entscheidung folgt einer bereits im März bekannt gegebenen Erklärung, in der der WWF als „ausländischer Agent“ eingestuft wurde. Der WWF Deutschland und das gesamte weltweite WWF-Netzwerk sind bestürzt darüber, dass unsere gemeinsame Naturschutzarbeit als „unerwünscht auf dem Territorium der Russischen Föderation“ eingestuft wird. Als Konsequenz hat der WWF Russland die schwierige Entscheidung getroffen, nicht mehr Teil des WWF-Netzwerks zu sein. Seither konzentriert sich die ökoregionale Naturschutzarbeit auf den Südkaukasus.
Erfolgreiche Naturschutzarbeit - grenzübergreifend
Auch wenn sich unsere Naturschutzarbeit nun auf den Südkaukasus beschränkt, bleibt unser Prinzip der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bestehen. Wir werden auch weiterhin im Südkaukasus mit Vertreter:innen von Regierungen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft an gemeinsamen Naturschutzstrategien und deren Umsetzung arbeiten. Gerade der Wunsch, das gemeinsame Naturerbe zu schützen, kann Nationen zusammenbringen.
In den vergangenen Jahren konnte der WWF gemeinsam mit Regierungen, internationalen Geber:innen und lokalen Initiativen wichtige Erfolge erzielen. So wurde eine gemeinsame Naturschutzstrategie, der „Ecoregional Conservation Plan for the Caucasus/ECP“, erarbeitet, auf deren Basis die Naturschutzarbeit kontinuierlich ausgebaut wird. So wird beispielsweise das Schutzgebietsnetz zunehmend durch Wildkorridore vernetzt, aber auch Wildhüter:innen können geschult und besser ausgestattet gegen Wilderei vorgehen.
Der ökoregionale Naturschutzplan für den Kaukasus
Der WWF hat sich in den letzten Jahren verstärkt in der Förderung grenzüberschreitender Naturschutzprojekte engagiert. Heute ist der WWF für die Länder des Südkaukasus ein wichtiger nichtstaatlicher Partner im Naturschutz. Und er motiviert sie immer wieder zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Zwischen 2000 und 2005 erstellte der WWF mit Unterstützung der deutschen Regierung und der KfW sowie unter Beteiligung von Expert:innen einen ökoregionalen Naturschutzplan mit festen Zielen, der seitdem in der Region sowohl den Regierungen als auch den vielen Nichtregierungsorganisationen als Leitfaden dient.
Im März 2006 wurde im Rahmen der Kaukasus-Initiative der Bundesregierung mit finanzieller Unterstützung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der amerikanischen MacArthur-Foundation der erste ökoregionale Naturschutzplan für den Kaukasus veröffentlicht.
Dieser sogenannte Ecoregional Conservation Plan (ECP) wurde mit Hilfe des WWF und unter breiter Beteiligung von Experten aus allen sechs Kaukasusländern erarbeitet. Darin wurden die Bedrohungen für die herausragende Biodiversität der Ökoregion analysiert und entsprechende Maßnahmen zu ihrem Schutz entwickelt. Der ECP ist damit ein umfassender Strategieplan für Biodiversitätsschutz und Regionalentwicklung im Kaukasus und soll nationalen und internationalen Organisationen und Regierungen als Handlungsleitfaden dienen, zum Beispiel für den Leopardenschutz.
Der WWF hat den ECP 2012 in einer zweiten überarbeiteten Version und 2020 in einer dritten überarbeiteten Version veröffentlicht. Die Umsetzung dieses Naturschutzplans ist Aufgabe aller Regierungen und Nichtregierungsorganisationen.
Ziel: Erhalt der Artenvielfalt
So konnten sich die Bestände wichtiger Schlüsselarten wie des Persischen Leoparden, der Bezoarziege – einer seltenen Steinbockart –, des Kaukasus-Marals oder des Gmelin-Mufflons in den Projektgebieten stabilisieren oder sogar erholen. Denn Ziel war es von Anfang an, die biologische Vielfalt zu erhalten und die Lebensgrundlagen der Menschen in allen Kaukasusländern zu sichern – auch über Grenzen hinweg. So tragen viele Naturschutzprojekte des WWF nicht nur zum regionalen Dialog, sondern auch zur Entwicklung bei.
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