Himalaja bedeutet auf Sanskrit „Heimat des Schnees“. Dieser Name könnte bald seine Bedeutung verlieren: Schon jetzt sind die Temperaturen in den Hochgebirgslagen um 2,1 Grad Celsius angestiegen. Allein dadurch werden bis Ende des Jahrhunderts gut 20 Prozent des Eises in den asiatischen Hochgebirgen schmelzen.
Die Gebirgszüge des Himalajas beherbergen die meisten Gletscher außerhalb der Polarregionen, weshalb Asiens Hochgebirge auch als „dritter Pol“ der Erde bezeichnet wird. Doch der Klimawandel verändert die Landschaft: Gletscher schmelzen, die dichte Schneedecke und der Permafrostboden verschwinden.
Der Himalaja ist eine der empfindlichsten Ökoregionen der Welt, sie ist reich an Kultur und Artenvielfalt und der primäre Lebensraum für den bedrohten Schneeleoparden. Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich hier im Hochgebirge besonders schnell und drastisch – viele der Gletscher ziehen sich in rasantem Tempo zurück, steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und unberechenbare Wetterbedingungen stellen die Menschen und die Tierwelt der Region vor immense Herausforderungen.
Die Gletscher des Himalajas sind die Wassertürme Asiens und die Quelle vieler großer Flüsse, darunter Brahmaputra, Ganges und Indus. Die riesigen Süßwasservorräte des Himalajas und entlang seiner Flusssysteme versorgen fast ein mehrere hundert Millionen Menschen mit Frischwasser – für den häuslichen und industriellen Gebrauch, die landwirtschaftliche Nutzung, die Stromerzeugung und als Trinkwasser.
Hochgelegene Feuchtgebiete
Die Gletscher des Himalajas speisen nicht nur die großen Flüsse, sondern auch hochgelegene Feuchtgebiete (High-Altitude Wetlands, HAWs). Das sind Gebiete, die vorübergehend oder dauerhaft vernässt sind und sich mehr als 3.000 Meter über dem Meeresspiegel zwischen der Baumgrenze und der permanenten Schneegrenze befinden.
HAWs sind entscheidend für den Wasserhaushalt und die Wassersicherheit der Menschen und sind Lebensraum für viele Arten. Sie sind wichtiger Zwischenstopp entlang des Central Asian Flyway (CAF) und bieten Brut- und Nistplätze für viele Vogelarten, die diese Flugroute für ihre Wanderungen nutzen.
Klimawandel bedroht eine komplexe Ökoregion
Schreitet der Klimawandel weiter voran, wird bei einem Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius ein großer Teil der Gletscher stark abtauen. Dabei gibt es allerdings starke regionale Unterschiede: In Tibet, dem Westen Chinas und im östlichen und zentralen Himalaja werden bis zu zwei Drittel der Eismassen verschwinden. Dies hat weitreichende Konsequenzen auf die Nahrungsmittel-, Wasser- und Energiesicherheit der Bevölkerung sowie auf die Artenvielfalt – nicht nur im Himalaja, sondern in ganz Asien.
Seit Jahrzehnten taut in den Sommermonaten mehr Eis als neues durch Niederschläge nachwächst: Mehrere Meter verlieren die Himalaja-Gletscher so an Länge pro Jahr. In den letzten 150 Jahren sind sie im Durchschnitt um einen Kilometer geschrumpft, seit den 1970er Jahren verlieren die Gletscher am „Dritten Pol“ rund neun Prozent ihrer Eisfläche.
Noch versorgen die Eismassen die Quellgebiete der großen Flüsse und damit mehrere Millionen Menschen flussabwärts. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung des Himalajas und seiner Randgebirge leben in irgendeiner Art und Weise von der Landwirtschaft und sind gerade in den trockenen Monaten auf die Gletscher als Wasserspeicher angewiesen. Im Sommer speisen die Gletscher bis zu 40 Prozent der abfließenden Flüsse. Auf lange Sicht rechnen viele Expert:innen mit einem starken Rückgang der Abflussmenge.
Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf die Nahrungssicherheit der Menschen und die Energiegewinnung durch Wasserkraft in der gesamten Region. Vor allem das energiehungrige Indien braucht immense Mengen an Strom für seine chemische und metallurgische Industrie. Fällt ein Teil des Wasserkraftpotenzials weg, drohen empfindliche wirtschaftliche Einbußen.
Gemeinden für extremes Wetter rüsten
Die lokalen Gemeinden im östlichen Himalaja stehen nun vor der gewaltigen Herausforderung, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Sie müssen sich auf extreme Trocken- und Regenperioden einstellen und auf Extremwetterereignisse reagieren können. Der WWF unterstützt die Gemeinden dabei, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen.
In Bhutan zum Beispiel arbeiten Regierung, Gemeinden und der WWF daran, das Bersten des Gletschersees Thorthormi Tsho zu verhindern. Ein Team aus Hunderten von Arbeiter:innen aus dem ganzen Land, darunter Bäuerinnen und Bauern und Yak-Hirt:innen, versucht den See trocken zu legen, indem das Wasser abgeleitet wird.
Durch das Schmelzen der Gletscher bilden sich im Himalaja Gletscherseen in großer Zahl. Natürliche Barrieren aus Stein und Geröll halten das Schmelzwasser an Ort und Stelle. Doch durch die immer stärker werdende Schnee- und Eisschmelze füllen sich die Seen rapide und die natürlichen Dämme drohen zu bersten. Wenn das passiert, rast eine Lawine aus Wasser, Schlamm, Eis und Stein die Täler hinab. Mit verheerenden Folgen: Straßen, Brücken, Häuser, Menschen, Vieh und Ernten werden einfach weggespült.
Lebensgrundlagen diversifizieren
Der WWF hilft den Gemeinden vor Ort dabei, ihre Lebensgrundlagen zu diversifizieren und eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, die sowohl den Menschen als auch der Natur zugutekommt.
Der WWF schult beispielsweise Landwirt:innen darin, wie sie den Anbau der Feldfrüchte an sich verändernde klimatische Bedingungen anpassen können, um ihre Ernährung langfristig sicherzustellen. Dazu gehört etwa die Förderung von Gewächshäusern, Bienenzucht und der Anbau verschiedener klimaresistenter Nutzpflanzen und -Sorten.
Auch die Viehhaltung spielt in der Himalaja-Region eine wichtige Rolle. Der WWF schult Hirt:innen in nachhaltigem Weidemanagement und Anbau von Futterpflanzen auf marginalem oder degradiertem Land. Solche Aktivitäten erhöhen nicht nur die Ernährungssicherheit der Menschen, sondern schützen auch die Ökosysteme des Graslandes vor Überweidung.
Ganz besonders wichtig ist das Management von Wasserressourcen in der Region. Mit technischer und finanzieller Unterstützung des WWF legen so genannte „Water Smart Communities“ Schutzteiche, Bewässerungsteiche und Trinkwasserreservoirs an. Solche kleinen baulichen Maßnahmen dienen dem Zweck, in der Regenzeit den reichlich vorhandenen Niederschlag zu sammeln. Während der Trockenperioden kann das gespeicherte Niederschlagswasser dann genutzt werden. So wird der Druck auf die natürlichen Wasserressourcen und die Arten, die darauf angewiesen sind, verringert.
Nachhaltiger Plan für die Region
Der Klimawandel hat gravierende Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen im Hochgebirge und bedroht lokale dörfliche Gemeinschaften mit einer tiefen kulturellen Bindung an ihre Umwelt. Der WWF ist davon überzeugt, dass mit einer grenzüberschreitenden Vision für die nachhaltige Entwicklung im Himalaja echte Fortschritte bei der Bewältigung des Klimawandels erzielt werden können; und dadurch das Süßwasser und die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen in der gesamten Region auf Dauer gesichert werden kann.
Mit Ihrer Spende helfen Sie uns dabei, einen lebendigen Himalaja für Mensch und Natur erhalten.
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