In der Gemeinde La Chorrera im Herzen des kolumbianischen Amazonasgebiets arbeiten der WWF, die Stiftung „Puerto Rastrojo“ und eine Gruppe lokaler Indigener daran, deren traditionelles Waldgebiet zu kartieren und die Schätze der Natur zu katalogisieren. Chela Umire ist Mitglied einer Gruppe Indigener, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Zustand der Wälder in ihrer Heimat zu bewerten.

Chela Umire © Luis Barreto / WWF-UK
Chela Umire © Luis Barreto / WWF-UK

Chela Umire hat viele Aufgaben: Sie bereitet in ihrer Freiluftküche die Mahlzeiten für ihre Familie zu, sie arbeitet an traditionellem Feder-Kopfschmuck, den sie selbst entwirft und in ihrem eigenen kleinen Laden verkauft; oder sie kümmert sich um die „Chagra“ der Familie – das ist eine traditionelle agroforstliche Parzelle im Wald, auf der sie Obst, Gemüse, Maniok und anderes für ihre Familie anbaut.

Chela Umire lebt in La Chorrera, einem Dorf mit etwa 300 Einwohner:innen, das im indigenen Reservat „Predio-Putumayo“ im Herzen des kolumbianischen Amazonasgebiets liegt.

Landwirtschaft, Jagd und Fischerei sind die Lebensgrundlagen der Menschen hier. 

Kartieren des traditionellen Gebiets

Ab und zu geht Chela Umire aus einem anderen Grund in den Wald: Sie ist Mitglied des „Ecosystem Services Assessment (ESA) Technical Team“, einer Gruppe Indigener, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das traditionelle Waldgebiet zu kartieren und den Reichtum der Natur darin zu katalogisieren. Ihr hohes Verständnis der Natur ist dabei von enormem Wert. Die Gruppe schätzt aus ihrer Sicht ein, wie gesund der Wald ist und analysiert die Auswirkungen des Raubbaus an der Natur.

„Indigene Territorien sind enorm wichtig für den Naturschutz“, erklärt Pia Escobar Gutierrez vom WWF Kolumbien. „Die Tatsache, dass die indigenen Gemeinschaften den Wald auf traditionelle Weise nutzen, hat diese Gebiete über so viele Jahre hinweg erhalten.“ Die Zahlen belegen das eindrucksvoll: Das fast zwei Millionen Hektar große Gebiet um La Chorrera ist zu mehr als 90 Prozent intakt.

Die Bedeutung der Arbeit im Wald

Mitglieder eines ESA-Technical-Teams unterwegs © Luis Barreto / WWF-UK
Mitglieder eines ESA-Technical-Teams unterwegs © Luis Barreto / WWF-UK

Zusammen mit der lokalen Indigenen-Organisation Azicatch unterstützt der WWF die Arbeit des Teams, die traditionelles Wissen und moderne Naturschutzpraxis verbindet. Ziel ist es, die indigene Entscheidungsfindung und Regierungsführung zu stärken und einen Umweltmanagementplan für das Gebiet zu erstellen.

Um den Wald zu untersuchen, stellte Azicatch vier Teams zusammen; sie repräsentieren die indigenen Völker der Bora, Muinane, Ocaina und Huitoto.

Jedes Team besteht aus mindestens einem Ältesten oder Weisen und einer Frau. Die kolumbianische Umweltstiftung Puerto Rastrojo sorgt für die technische Ausbildung.

In den Wäldern katalogisieren die Teams, was sie „Nutzungsräume“ nennen. Es sind die Orte im indigenen Territorium Predio-Putumayo, an denen die Gemeindemitglieder anbauen oder sammeln, was sie zum Leben brauchen, wie etwa die „Chagras“ oder auch der Fluss.

Der Reichtum der Natur ist bedroht

Der Dschungel ist sehr wichtig für uns: Wir leben in ihm, wir leben von ihm – wir sind von ihm abhängig“, erzählt Chela Umire, die im Kartierungsteam das Volk der Muinane vertritt. „Der Wald sichert unsere Ernährung.“

Und dennoch ist auch hier Aufklärung um den Wert der Natur notwendig: „Obwohl wir im Dschungel umgeben von so vielen Reichtümern leben, schätzen wir ihn nicht immer", sagt Chela Umire. Größte Bedrohung ist die Entwaldung. Auch die Indigenen benötigen Holz aus dem Wald. „Wir fällen manchmal zu viele Bäume und stehen am Ende ohne Holz da. Dann müssen wir weit fahren, um Holz für die Häuser zu holen.“

Doch es gibt noch weit größere Bedrohungen für den Wald. „Bedrohungen von außen“, so Escobar Guitérrez. Es sind „Leute, die von außen eindringen, aber auch junge Indigene, die das traditionelle Wissen verlieren“, die so den Wald und seine Reichtümer gefährden.

Und genau hier setzt die Arbeit der ESA-Teams an: Das traditionelle Wissen zu bewahren ist das Herzstück des Projekts.

Der Traum vom gesunden Amazonas

Chela Umire gibt Wissen an ihre Tochter weiter © Luis Barreto / WWF-UK
Chela Umire gibt Wissen an ihre Tochter weiter © Luis Barreto / WWF-UK

„Mein Traum für den gesamten Amazonas ist es, dass wir alle von einer gesunden Umwelt profitieren“, erzählt Chela Umire. „Mein Traum ist es, dass der Fluss seinem natürlichen Lauf folgen kann, dass die Wälder erhalten bleiben und wir sie so bewahren, wie wir es früher getan haben. So wie es unsere Großeltern getan haben, mit dem Wissen, das sie an uns weitergegeben haben: dass wir unsere Umwelt achten, ohne sie zu zerstören.“

Chela Umire ist stolz auf ihre Arbeit im Team, denn sie leistet einen Beitrag, genau diesen Traum zu erfüllen. „Es ist wirklich wichtig, dass wir das gesamte Gebiet des Muinane-Territoriums kennenlernen“, sagt sie.

„Um die Natur bewahren zu können und um sagen zu können: „Wir sind hier. Das ist, was wir haben. Wir haben unsere Umwelt nicht zerstört, wir haben sie geachtet und uns um sie gekümmert.“

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