Mehr als 80 Prozent der Kolumbianer:innen leben in den großen Städten und vielen kleineren urbanen Zentren des Landes. Hier kann sich das Leben der Menschen in mehr oder weniger geordneten und gewaltfreien Bahnen entfalten.
Kolumbien kommt nicht zur Ruhe. Auch knapp fünf Jahre nach der Unterzeichnung des Friedenvertrags zwischen der Regierung Santos und den Rebellen der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) ist das südamerikanische Land zerrissen. Mit dem Abkommen fand zwar ein jahrzehntelanger bewaffneter Konflikt ein offizielles Ende, doch zahlreiche strukturelle Probleme sind ungelöst.
Probleme in den ländlichen Regionen
Auf dem Land sieht das vielfach anders aus. Vor allem in abgelegenen ländlichen Regionen ist durch die Demobilisierung der FARC ein Machtvakuum entstanden, in dem linke Rebellengruppen, rechte Paramilitärs und Drogenkartelle noch immer um Einfluss, Geld und Kontrolle ringen. Nach den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen ist der Weg zurück ins zivile Leben für viele ehemalige Kämpfer:innen nicht einfach und oftmals lebensgefährlich.
Der Naturschutz ist in Gefahr
In dieser explosiven Lage bleibt auch der Schutz der einmaligen Natur des Landes auf der Strecke. Vielerorts herrscht Goldgräberstimmung. Ähnlich wie in Brasilien oder Bolivien sind die Abholzungsraten in Kolumbiens Amazonasgebiet zuletzt stark gestiegen.
Menschen, die sich dagegen wehren, leben gefährlich. Der Menschrechtorganisation Global Witness zufolge ist Kolumbien gerade für Naturschützer eines der gefährlichsten Länder der Welt.
Ein Beispiel und leider kein Einzelfall ist die Ermordung von Juan de Jesús Monroy und seinem Leibwächter Jeferson Mandela im Oktober 2020. Monroy hatte fast 30 Jahre in den Reihen der FARC gekämpft.
Während des Krieges verschlug es ihn in die im südlichen Kolumbien gelegene Gemeinde La Uribe im Departement Meta, wo vier Nationalparks aufeinandertreffen. Der dichte Dschungel der Parks mit seinem hügeligen Terrain machte die Gegend für die Rebell:innen zu einem strategisch wichtigen Ort.
Zugleich ist die Region von hohem ökologischem Wert, da hier sehr unterschiedliche Ökosysteme aneinandergrenzen. Die Nationalparks umfassen eine Fläche von 1,5 Millionen Hektar, was in etwa zweimal der Größe des Landes Berlin entspricht. Hier leben u.a. Dreifingerfaultiere, Aras, Pumas und zahlreiche andere bedrohte Arten.
Rückkehr in die Zivilisation
Nach dem Waffenstillstand kehrte Monroy zusammen mit einer Gruppe von 44 weiteren Ex-Kämpfer:innen in das zivile Leben zurück. Mit Unterstützung des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), der schwedischen Regierung, des WWF und anderer Organisationen gründete die Gruppe eine Landwirtschaftskooperative in dem Ort La Uribe.
Sie mieteten einen Bauernhof und kauften zehn Hektar Land. Dort wird nachhaltige Viehzucht betrieben (u.a. zur Vermeidung von Bodenerosion) und Agroforst-Kakao gewonnen. Ferner wurden Projekte für Ökotourismus aufgelegt; und sie richteten eine Baumschule für einheimische Baumarten ein.
Die Ermordung von Juan de Jesús Monroy
Aber dann kamen eines Tages die bis heute nicht identifizierten Killer. Es ist davon auszugehen, dass Monroy als ehemaliger FARC-Kämpfer und einflussreicher lokaler Anführer all jenen in der Region ein Dorn im Auge war, die alles daransetzen, die erfolgreiche Umsetzung des Friedensabkommens zu vereiteln.
Mit seinem Schicksal ist Monroy nicht allein: Hunderte Ex-Kämpfer:innen und lokale Friedens- und Entwicklungsaktivist:innen sind in den vergangenen Jahren in Kolumbien ermordet worden. Die den Friedensprozess begleitenden internationalen Organisationen im Land sind äußerst besorgt über diese Entwicklung und versuchen, mit Dialog, Projekten und anderen Maßnahmen zu einer Besserung der Lage beizutragen.
Der WWF gibt nicht auf
Das gilt auch für den WWF. Die Unterstützung der Arbeit der Kooperative in der Gemeinde La Uribe geht weiter.
„Unsere Arbeit zielt darauf ab, den Frieden zu stärken und damit gleichzeitig für den Erhalt der Artenvielfalt in den Nationalparks zu sorgen. Wir wollen den Dialog zwischen den verschiedenen Parteien fördern und die Lösung von landbezogenen Spannungen vorantreiben. Zugleich gilt es, die Lebensbedingungen der lokalen Gemeinschaften verbessern. Dies ist im Einklang mit unserem integrativen Naturschutzansatz, der auch den Schutz der Menschenrechte und die Förderung von Gerechtigkeit, Demokratie, Entwicklung und Sicherheit einschließt", erklärt Julia Gorricho, Kolumbien-Expertin des WWF.
- Frieden in Kolumbien stärken durch Inclusive Conservation
- Interview mit Beth Sua Carvajal Martinez