Illegale Siedlungen, Viehweiden, Jagd, Fischerei und Holzentnahme bedrohen nicht nur die Natur, sondern auch das tägliche Leben von fast 50 indigenen Familien auf dem Land der Nawa im Nordwesten Brasiliens an der Grenze zu Peru.
Seit 25 Jahren kämpfen die indigenen Nawa vergeblich um die Anerkennung ihres Territoriums im brasilianischen Regenwald. Von den Behörden im Stich gelassen, berichten sie von einem alarmierenden Anstieg an Übergriffen auf ihr Gebiet. Der WWF unterstützt die Indigenen bei der Abgrenzung und Überwachung ihres Territoriums und der Wälder.
Leben in einem Naturjuwel
Das indigene Territorium erstreckt sich über einen Teil des brasilianischen Nationalparks Serra do Divisor, der bekannt ist für seine Wasserfälle und ein selbst für den Amazonas außerordentlichen Artenreichtum.
Hier gehen die Tieflandregenwälder über in die Berge der Anden – und möglicherweise leben hier sogar noch unkontaktierte Völker! Darauf deuten zum Beispiel wandartige Geflechte aus Blättern und Weinreben hin, die in den Wäldern gefunden wurden.
„Wir haben beschlossen, unser Gebiet selbst abzugrenzen und Pfade an seinen Grenzen zu schaffen, um diese leichter kontrollieren und Invasionen bekämpfen zu können.“
Demarkierung: Grenzen ziehen für die Anerkennung
„Wir kämpfen seit über 20 Jahren um Anerkennung und haben von den Behörden keine Antwort erhalten. Wir werden nicht noch einmal so viele Jahre warten und dann immer noch nichts in der Hand haben“, sagt Railson Nawa, einer der Anführer der indigenen Gemeinschaft.
Das Problem: Obwohl die Nawa als indigenes Volk anerkannt sind, wurde ihr Land nach all der Zeit noch nicht offiziell demarkiert. Die Demarkierung legt die Grenzen eines indigenen Territoriums fest und ist Voraussetzung für die Anerkennung des Gebietes durch den brasilianischen Staat. „Wir haben beschlossen, unser Gebiet selbst abzugrenzen und Pfade an seinen Grenzen zu schaffen, um diese leichter kontrollieren und Invasionen bekämpfen zu können“, erklärt Railson den Weg der Nawa, den sie in Abwesenheit staatlicher Unterstützung nun gehen.
Auto-Demarkierung: Selbstabgrenzung als Überlebensstrategie
Die Pfade, welche die Nawa entlang der Grenzen ihres Territoriums anlegen, gleichen grünen Tunneln unter den hohen Bäumen. Regelmäßig gehen Gemeindeteams auf Patrouille, immer wieder finden sie Spuren der Zerstörung. Je länger die Grenzen nicht gezogen und geschützt werden, desto mehr Wald fällt Landwirtschaft, Weiden und nicht-indigenen Siedlungen zum Opfer.
Die Nawa kämpfen mit der Selbstdemarkierung um die Natur, die sie zum Überleben brauchen, um ihren Lebensraum, ihre Rechte auf ein abgegrenztes und reguliertes indigenes Land und ihre territoriale wie ethnische Anerkennung.
Drohnen im Regenwald
Der WWF und seine Partnerorganisation CPI-Acre aus Brasilien unterstützen die Nawa-Gemeinschaft in ihrem Kampf. Wir fördern die Ausbildung indigener Ranger:innen und helfen den Überwachungsmissionen mit modernster Technologie wie Kameradrohnen. Das dient nicht nur dem Schutz der Territorien, sondern ermöglicht auch eine effektive Weiterleitung von Beweisen an die Strafverfolgungsbehörden, um gegen illegale Eindringlinge vorzugehen.
Die Unterstützung der indigenen und traditionellen Gemeinschaften Brasiliens beim Erhalt ihrer Territorien ist das größte Projekt des WWF in Südamerika. Abgesehen von den Schutzmaßnahmen vor Ort setzen wir uns für die Stärkung der indigenen Beteiligung im öffentlichen und politischen Raum ein, fördern die Vernetzung indigener und traditioneller Völker der Region, unterstützen lokale indigene Organisationen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und bieten Rechtsberatung an.
„Wir brauchen Schutzgebiete dringend, aber sie müssen immer auch die Bedürfnisse der lokalen Gemeinschaften berücksichtigen. Die Menschen, die in den Wäldern leben, tragen entscheidend zu deren Erhalt bei.“
Nationalpark: Teil des Problems
Der Nationalpark Serra do Divisor (PNSD) wurde 1989 von der brasilianischen Regierung gegründet – jedoch ohne die dort lebenden, traditionellen und indigenen Gemeinschaften einzubeziehen. Im Gegenteil, die Umweltbehörde enteignete sie und siedelte sie um. Die Bevölkerung des Waldes, deren Gebiete nun durch den Nationalpark überlagert waren, wurde zu Eindringlingen abgestempelt. Das gehört zu den Gründen, warum die Demarkierung des Territoriums der Nawa seit Jahrzehnten scheitert.
Ohne Nationalpark wäre es weit schlimmer
Der Nationalpark braucht die Indigenen – und die Indigenen brauchen den Schutz des Nationalparks. Doch der Serra do Divisor steht in Gefahr, auf ein geringeres Schutzniveau herabgestuft zu werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits vor.
Das würde den Weg für Privateigentum und wirtschaftliche Aktivitäten ebnen und das Territorium der Nawa endgültig gefährden. Selbst eine geplante Autobahn zwischen Brasilien und Peru könnte durch das Gebiet genehmigt werden. Eine große Bedrohung für alle in Serra do Divisor lebenden Völker, die ohne die Anerkennung ihrer Gebiete bei der Planung nicht berücksichtigt werden müssen.
Es geht um viel
Der Kampf der Nawa-Indigenen für die Anerkennung ihres Territoriums ist nicht nur ein lokales Anliegen, sondern eine Auseinandersetzung um den Schutz indigener Rechte insgesamt und den Erhalt der Umwelt. So möchte der brasilianische Kongress einen Gesetzentwurf verabschieden (Marco Temporal) der besagt, dass nur solche Gebiete als neue Indigene Territorien ausgewiesen werden können, die bereits im Stichjahr 1988 von Indigenen bewohnt wurden. Damit wird missachtet, dass viele Indigen Völker, wie auch die Nawa, vor 1988 systematischen von ihren Gebieten vertrieben wurden. Der Marco Temporal würde die Demarkierung neuer Gebiete erschweren, die Lebensgrundlagen vieler Gemeinschaften bedrohen und den Regenwald weiter zerstören. Er wäre ein massiver Rückschritt für die Rechte der indigenen Bevölkerung Brasiliens und für den Schutz des globalen Klimas und der Biodiversität.
Es steht viel auf dem Spiel, aber die Nawa setzen sich mit Entschlossenheit und Mut für ihre Gemeinschaft und ihr Land ein. Sie verdienen jede Unterstützung.