„Wenn ich krank werde, wo gehe ich dann hin?“ Bäuerin Sonia Miranda de Oliveira aus der Gemeinde Salva Terra im südlichen Teil des Bundesstaates Amazonas ist verzweifelt. Mit dem Boot dauert es zwei Tage, um von ihrem Dorf am Ufer des Flusses Aripuanã bis in die nächstgelegene Stadt Novo Aripuanã zu gelangen. Eine lokale Gesundheitsversorgung gibt es nicht. „Wir sind isoliert“, sagt die 50-Jährige, die mit acht Personen in einem Haushalt lebt. Einige davon haben bereits unter den typischen Corona-Symptomen gelitten. Getestet wurden sie nie.
Landraub, illegale Abholzung und kaum Zugang zum Gesundheitssystem. Mit diesen Problemen hatten die traditionellen Flussufergemeinden im Amazonas-Gebiet bereits vor der Corona-Pandemie zu kämpfen. Die aktuelle Lage verschärft die Situation dramatisch. Neben der fehlenden ärztlichen Versorgung kommt es zu lebensbedrohlichen Versorgungsengpässen. Der WWF hilft mit mit Lebensmittelkörben und Hygieneversorgung.
Der Weg zur Klinik ist weit
Gefährliche Abgeschiedenheit
Ähnlich ergeht es hier vielen Familien. Die traditionellen Flussufergemeinden an Flüssen wie dem Tapajós und dem Aripuanã sind durch ihre geografische Lage vom öffentlichen Gesundheitswesen abgeschnitten. Eine Abgeschiedenheit, die Menschen das Leben kosten kann.
Das musste der 37 Jahre alte Bootsführer Éberson Bonetto Barboza schmerzlich erfahren. Sein Dorf gehört zur Gemeinde Apuí etwa 500 Kilometer Luftlinie südlich von Manaus. Im Oktober 2020 verstarb Ébersons Sohn Jéferson nur wenige Tage vor seinem elften Geburtstag auf dem Weg in die Stadt. Er wurde nicht getestet, aber die Ärzte sind sich sicher, dass es sich um Covid-19 handelte.
Illegale Abholzung zerstört die Lebensgrundlagen
Früher lebte Éberson vom Verkauf von Kastanien und Copaiba. Jetzt muss er dabei zusehen, wie der Wald abgeholzt wird. „Als ich vor 16 Jahren hier ankam, war der Wald noch intakt“, erinnert er sich, „jetzt ist fast nichts mehr von ihm übrig.“ Die Zahlen geben Éberson recht.
Über 11.000 Quadratkilometer Wald gingen allein im vergangenen Jahr im Bundesstaat Amazonas verloren. Eine Fläche, viermal so groß wie das Saarland.
Wie der WWF die Gemeinden im Amazonas-Gebiet unterstützt
Die Bevölkerung im Süden des Bundesstaates Amazonas gehört zu den ärmsten Brasiliens; und die Corona-Krise verschärft ihre Not bedrohlich. Seit die Pandemie das Land heimgesucht hat, verteilt der WWF Nahrungsmittel und Hygieneartikel an die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Die letzte einer ganzen Reihe von Hilfsaktionen startete im Dezember 2020. Seither konnten über 170 Tonnen Lebensmittel, Masken, Desinfektionsmittel und andere Hygieneartikel an mehr als 7000 bedürftige, ländliche und indigene Familien übergeben werden.
Auch Éberson Bonetto Barboza und Sonia Miranda de Oliveira haben vom WWF Körbe mit Hilfslieferungen erhalten. Das kam gerade zur rechten Zeit, sagt Miranda de Oliveira. „Die Spenden haben uns das Leben gerettet.“
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Isoliert im Regenwald
Die Hilfslieferungen in die abgeschiedenen Flussufergemeinden zu bringen, ist eine logistische Herausforderung. Trotzdem erhielt auch der 73jährige Igino Souza einen Korb mit Grundversorgungsgütern vom WWF Brasilien. Er lebt mit seinem Sohn etwa zwei Bootsstunden von den letzten Dörfern des Aripuanã-Flusses entfernt im Regenwald.
Mehr noch als die akute Not beunruhigen Igino mafiös organisierte Landräuber, die seine Heimat bedrohen. „Solange ich lebe, werden mich diese Kerle nicht vertreiben“, knurrt Igino. Auch wenn er weiß, dass sein Widerstand gefährlich ist. "Ich mag den Wald, ich überlebe von ihm. Das Wenige, das mein Sohn und ich hier haben, ist Reichtum für uns." Außerdem fühlen sich Vater und Sohn hier sicher vor Corona. “Der Busch ist der gesündeste Ort auf Gottes Erde. Hier brauche ich keine Maske, um zu atmen”, so Igino Souza.
Die Hilfsaktion in Brasilien wurde mit Unterstützung des WWF Deutschland, dem Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Allianz für nachhaltige Entwicklung im Süden des Bundeslandes Amazonas und der Indigenen Organisation des Brasilianischen Amazonas (COIAB) durchgeführt.
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