Grileiros werden die Landdiebe in Brasilien umgangssprachlich genannt, abgeleitet vom portugiesischen Wort grilho für Heuschrecke. Denn gefälschte Eigentumsdokumente für Land im Regenwald werden gerne einige Tage zusammen mit Heuschrecken in eine Kiste gepackt, um durch deren Ausscheidungen und Knabberei die nötige Patina zu erhalten und alt zu wirken. Weit schlimmer aber ist, wie das entsprechende Land vorbereitet wird.
Ein quadratisches Loch zerreißt die Wildnis des Amazonas-Regenwaldes. Wie mit dem Lineal gezogen, etwa 10.000 Hektar groß und kein Einzelfall. Brandgerodete Flächen wie diese sind das Symptom einer perfiden Art von Landraub und eines Millionen-Geschäftes.
In kürzester Zeit zum Großgrundbesitzer
Man suche sich eine ausreichend große, ungenutzte Fläche Regenwald. Hat man Zugang mit Maschinen, können als Nebeneinkommen zunächst die Edelhölzer entnommen werden. Gegen Ende der Regenzeit lasse man alle großen Bäume fällen und die Fläche – schutzlos ohne Baumkronen – austrocknen. In der Trockenzeit zünde man das Ganze an. Schließlich beschäftige man einige Zeit einen Kleinbauern, der die Bewirtschaftung des Landes vortäuscht. Nach etwa fünf bis zehn Jahren klage man bei einem korrupten Beamten mit einer gefälschten Urkunde falsches Gewohnheitsrecht ein und behaupte, die Familie habe hier schon immer eine Farm gehabt. Mit echten, ergaunerten Papieren kann man nun über inzwischen sehr, sehr wertvolles Land verfügen.
Was nach einer absurden Anleitung zum Landraub klingt, ist im brasilianischen Amazonas-Regenwald traurige Realität. „Es geht dabei um riesige Flächen und um Millionen-Investitionen allein für das Fällen der Bäume auf so viel Land“, verdeutlich Roberto Maldonado, Südamerika-Experte beim WWF Deutschland, die Dimension. „Leider wird es immer mehr zum Muster, sich auf diese Weise auch das Land der Indigenen anzueignen.“ Die Landdiebe sind kapitalstarke Brasilianer, organisiert in einer gefährlichen Mafia und nicht selten verwickelt in Drogengeschäfte und Geldwäsche.
Wer kauft das Land im Regenwald?
Die Käufer sind Firmen und Großgrundbesitzer, vornehmlich Agrarbetriebe. Denn ein Landraub und anschließender Verkauf in großem Stil wie im brasilianischen Amazonas lohnt sich wirtschaftlich nur, wenn intensive Landwirtschaft betreiben wird. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen, um dem Ausverkauf des Regenwaldes Einhalt zu gebieten. Schon jetzt können die neuen Besitzer auf den entwaldeten Flächen vielleicht noch Soja anbauen, es aber nicht mehr verkaufen. Grund ist das Soja-Moratorium im brasilianischen Amazonas.
Im Falle von Soja, nach dem Rindfleisch das wichtigste Produkt aus dem Amazonas, kontrollieren sechs Händler fast den ganzen Markt. Auf Druck verschiedener Umweltschutzorganisationen, auch des WWF, haben sie sich verpflichtet, keinen Soja mehr von entwaldeten Flächen aus dem brasilianischen Amazonas zu handeln.
„Dieser Ansatz muss dringend auf das ganze Land erweitert werden“, so Roberto Maldonado. „Dadurch wird der momentan heiß gelaufene Landmarkt in Brasilien abgekühlt und Millionen-Investitionen in den Landraub lohnen sich nicht mehr.“
Kein Ausruhen möglich
Das Soja-Moratorium in Brasilien muss durch Umweltpolitik und internationalen Marktdruck jährlich neu verteidigt werden. Aufbauend auf dem Erfolg gilt es, ähnliche Ansätze nicht nur auf ganz Brasilien, sondern auch auf weitere Staaten Südamerikas auszudehnen und weltweit mehr Produkte und Lieferketten entwaldungsfrei zu gestalten. Beispielsweise durch das EU-Lieferkettengesetz. Abgesehen von der politischen Arbeit und Verhandlungen mit Unternehmen muss die betroffene Bevölkerung vor Ort einschließlich der indigenen Gemeinschaften in ihren Rechten gestärkt und ihre Lebensbedingungen verbessert werden. Nur so kann umfassender Waldschutz gelingen.