1927 wurde der letzte Wisent im Kaukasus erschossen. Damit waren freilebende Wisente dort ausgerottet. Heute kehren die Wildrinder zurück in den Kaukasus.

Wisente waren einst in weiten Teilen Europas verbreitet. Doch schrumpfender Lebensraum und Bejagung führten bereits im 11. Jahrhundert zum Rückgang der Wisentpopulationen. Im Jahr 1927 wurde dann der letzte Wisent im Kaukasus erschossen. Damit waren die majestätischen Wildrinder in ihrem natürlichen Lebensraum ausgerottet.

Nur dank weniger Tiere in der Obhut zoologischer Einrichtungen konnte diese Tierart vor dem endgültigen Aussterben gerettet werden. Es überlebten jedoch nur 56 Wisente. Die gesamte heutige Wisentpopulation geht auf nur 12 Gründertiere zurück, die aus dem Zoo Berlin, Zoo Frankfurt, Zoo Budapest, Zoo Schönbrunn, Białowieża, Psczyna und dem Kaukasus stammten.

Um das weitere Überleben der Art zu sichern, wurde im August 1923 auf Initiative europäischer Zoodirektoren und Wissenschaftler im Berliner Zoo die „Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“ gegründet. Diese gemeinsamen Bemühungen sind somit der Vorläufer der heutigen Erhaltungszuchtprogramme für viele bedrohte Tierarten.

Rückkehr der Wisente nach Europa

 Wisent-Herde im Shahdag-Nationalpark © E. Khadirov / WWF
Wisent-Herde im Shahdag-Nationalpark © E. Khadirov / WWF

Der Wisent wird von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als bedrohte Tierart eingestuft. Heute gibt es weltweit wieder 8.225 Wisente in freier Wildbahn (Stand 2023).

Langfristig kann die Art jedoch nur erhalten werden, wenn es gelingt, überlebensfähige Wisentpopulationen in freier Wildbahn aufzubauen. Die Wiederansiedlung ist kein leichtes Unterfangen und ein langwieriger Prozess. Er beginnt mit der Auswahl eines geeigneten Wiederansiedlungsgebietes und der richtigen Tiere und endet noch lange nicht mit der erfolgreichen Eingewöhnung.

Denn auch wenn Wisente heute nicht mehr gejagt werden dürfen, gilt es, sie in ihrer neuen Heimat vor Wilderei zu schützen, ihre Entwicklung zu beobachten und die Tiere zum Beispiel vor Gefahren wie Krankheiten zu bewahren oder sie in Notzeiten in harten Wintern zu unterstützen.

Um langfristig auch eine harmonische Koexistenz zwischen Mensch und Wisent zu gewährleisten, müssen bei auftretenden Konflikten effiziente Minderungs- und Kompensationsmaßnahmen mit den Betroffenen, wie Waldbesitzer:innen und Landwirt:innen, und den Behörden erarbeitet und umgesetzt werden.

Wiederansiedlung des Wisent im Shahdag Nationalpark

Die Tiere für die Wiederansiedlung des größten Landsäugetiers Europas in seinem ehemaligen Lebensraum im Südkaukasus werden aus dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm für Wisente (EAZA/EEP) bereitgestellt. Ab 2019 werden jährlich zehn Wisente aus Zoos und Tierparks des EAZA/EPP über den Tierpark Berlin in den 130.000 Hektar großen Shahdag-Nationalpark transportiert. Der Tierpark Berlin spielt dabei eine zentrale Rolle, denn hier werden die Wisente aus zoologischen Einrichtungen in ganz Europa zunächst aneinander gewöhnt, damit sich eine Herde bilden kann, und dann auf die 4.000 Kilometer lange Reise vorbereitet.

Dazu werden die Kolosse in speziell angefertigten Transportkisten per LKW von Berlin zum Flughafen Frankfurt/Hahn gebracht und von dort mit einem Transportflugzeug in den Kaukasus geflogen. Im Auswilderungszentrum am Fuße des großen Kaukasusgebirges angekommen, werden die Tiere weiter auf ihre „Mission“ vorbereitet.

„Die richtige Auswahl der Tiere, ein sicherer Transport sowie ein den Rahmenbedingungen angepasster Auswilderungsprozess sind im komplexen Umfeld eines solchen Projektes keine Selbstläufer. Es bedarf eines professionell eingespielten Teams, bestehend aus vielen engagierten Personen wie Wildbiolog:innen, Tierärzt:innen, Wildpfleger:innen, Wildhüter:innen u.v.m.. Nur so konnten in den letzten Jahren einige Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden“.

WWF-Experte Aurel Heidelberg

Wisente sind anfälliger für Krankheiten

 Wisentkuh mit Kälbern im Shahdag-Nationalpark © E. Khadirov / WWF
Wisentkuh mit Kälbern im Shahdag-Nationalpark © E. Khadirov / WWF

Da der Wisent vor fast 100 Jahren vom Menschen in freier Wildbahn ausgerottet wurde und nur wenige Wisente in zoologischen Einrichtungen überlebt haben, sind die Tiere durch einen genetischen „Flaschenhals“ gegangen, der sie bis heute anfälliger für Krankheiten macht.

So können Insekten wie Fliegen oder Mücken Krankheitserreger oder Parasiten von Hausrindern auf Wisente übertragen, ohne dass die Hausrinder direkten Kontakt zu den Wisenten haben – so geschehen im Shahdag-Nationalpark, wo das Moraxella-Bakterium durch Insekten von Hausrindern aus umliegenden Rinderherden auf die Wisente im Auswilderungszentrum übertragen wurde.

Die dadurch ausgelöste Augeninfektion in Verbindung mit einem Fadenwurmbefall (Nematoden) kann bis zur völligen Erblindung der Tiere führen, was ein Überleben der erkrankten Tiere in freier Wildbahn de facto unmöglich macht. „In den ersten beiden Jahren hatten wir einige Tiere mit entsprechenden Symptomen“, erzählt Aurel Heidelberg. „Da sich diese Tiere damals noch in der Auswilderungsstation befanden, konnten sie behandelt werden“.

Infektionswege unterbrechen

„Um den noch fragilen Wisent-Bestand nachhaltig vor solchen oder ähnlichen Krankheiten zu schützen, haben wir Maßnahmen ergriffen, die grundsätzlich den Übertragungsweg von Hausrindern auf Wildrinder grundsätzlich unterbrechen bzw. das Infektionsrisiko minimieren“, erklärt Aurel Heidelberg.

 WWF-Wildhüter im Shahdag-Nationalpark © E. Khalilov / WWF
WWF-Wildhüter im Shahdag-Nationalpark © E. Khalilov / WWF

„So werden die im Spätherbst transportierten Tiere nach der Eingewöhnungsphase im Auswilderungszentrum bereits im Frühjahr in die hochgelegene Kernzone des Nationalparks entlassen. Die regelmäßige Überwachung der Tiere durch die Wildhüter, auch mit Hilfe moderner GPS-Halsbänder, bestätigt, dass diese Maßnahmen greifen, die nachgewiesenen Infektionen sind stark zurückgegangen“, so Aurel Heidelberg weiter.

„In diesem Jahr (2024) hatten wir nur einen Fall mit Symptomen. Ob wir auch in Zukunft noch infizierte Tiere behandeln werden, hängt von vielen Faktoren ab“, sagt Aurel Heidelberg, zuständiger Projektleiter beim WWF Deutschland. „Wir müssen uns auch an den Gedanken gewöhnen, dass einzelne Tiere Krankheiten erliegen – dies ist Teil eines natürlichen Anpassungsprozesses.“

Es streifen wieder Wisente durch den Kaukasus

Trotz natürlicher Verluste wie Todesfälle durch Krankheiten oder innerartliche Kämpfe durchstreifen nach nur fünf Jahren (Stand September 2024) bereits 64 Wisente die Bergmischwälder und Almwiesen des Nationalparks.

Wisent-Herde im Shahdag-Nationalpark im Kaukasus © E. Khalilov / WWF
Wisent-Herde im Shahdag-Nationalpark im Kaukasus © E. Khalilov / WWF

Die Bilder der Herden, die nun bis auf über 2.000 Meter Höhe durch eine vom Menschen nahezu unberührte Naturlandschaft ziehen, beeindrucken auch Wisentexpert:innen und geben ein wenig Hoffnung, dass der Mensch es noch in der Hand hat, das weltweite Arten- und Wildtiersterben zu stoppen.

„Bis 2028 werden wir gemeinsam mit der EAZA und dem Tierpark Berlin weitere 50 Wisente in das Projektgebiet transportiert und ausgewildert haben. Damit sind wir auf dem besten Weg, unser Ziel, einen überlebensfähigen Wisent-Bestand mit mindestens 130 erwachsenen Tieren zu erreichen“, so Aurel Heidelberg.

„Die Zusammenarbeit mit dem WWF im Rahmen des Wisent-Wiederansiedlungsprojekts im Kaukasus ist für uns von großer Bedeutung. Diese Kollaboration zeigt, wie entscheidend starke Partnerschaften im Artenschutz sind, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Wir blicken stolz auf die ersten fünf Jahre unserer gemeinsamen Bemühungen zurück und sehen, dass wir zusammen wirklich etwas bewegen können – zum Wohl bedrohter Arten und der Natur als Ganzes. Dieses Projekt ist ein inspirierendes Beispiel dafür, was möglich ist, wenn wir Expertise und Engagement bündeln.“

Dr. Andreas Knieriem, Direktor Zoo und Tierpark Berlin

Helfen Sie dem WWF, die Wisente zu retten

Die Wiederansiedlung der Wisente in Aserbaidschan ist ein gemeinsames Programm des aserbaidschanischen Umweltministeriums, des WWF, des Tierparks Berlin, des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Dachverbandes für Zoos und Aquarien (EAZA/EEP) und der aserbaidschanischen Nichtregierungsorganisation IDEA. Gleichzeitig wird das Projekt durch eine Vielzahl von Einrichtungen, Institutionen und Förder:innen wie der Rewildering Europe Stiftung, Zoologischen Gärten, der European Bison Friends Society (EBFS) u.v.m. unterstützt.

Helfen Sie uns, die Wisente zurück in ihre alte Heimat zu bringen und die letzten Wildrinder Europas dauerhaft zu retten!

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