Wilderei und der illegale Handel mit bedrohten Arten haben die biologische Vielfalt in Vietnam stark unter Druck gesetzt. Dramatisches Beispiel sind Nashörner: einst waren sie auch in Vietnam zu Hause, doch seit 2010 sind sie ausgestorben. Der Indochinesische Tiger streifte Anfang des Jahrhunderts noch durch die Wälder Zentralvietnams, doch seit mehreren Jahren gibt es keine gesicherten Nachweise mehr, ob es dort noch wildlebende Tiger gibt – laut IUCN gilt der Tiger in Vietnam als ausgestorben. Wieder andere Arten, über die mehr bekannt ist, sind vom Aussterben bedroht, der Asiatische Elefant gilt laut Roter Liste als „stark gefährdet“ – von ihnen gibt es in Vietnam nur noch weniger als 100 Tiere.
Vietnam ist eines der artenreichsten Länder der Welt. Mehr als 20.000 Pflanzenarten, 3.000 Fischarten, mehr als 1.000 Vogelarten und weit über 300 Säugetierspezies sind dort bekannt. Vietnam sieht sich jedoch auch mit einem ernsthaften Verlust an biologischer Vielfalt konfrontiert, der maßgeblich auf Wilderei zurückzuführen ist. Besonders betroffen: Schuppentiere – denn Vietnam ist ein wichtiger Knotenpunkt für den Pangolin-Schmuggel nach China.
Umschlagplatz für illegalen Handel
Seit einiger Zeit gehört Vietnam zu den größten Zentren des illegalen Artenhandels. Das Land ist in den letzten Jahren auf einen unrühmlichen Spitzenplatz gerutscht, ein wichtiger Umschlagplatz für Elefanten-Elfenbein, Schuppentier-Schuppen, Nashorn-Horn, Tiger-Produkte und andere illegale Produkte aus der Natur zu sein. Ein großer Teil der Ware geht nach China.
Der globale illegale Wildtierhandel ist ein lukratives Geschäft: Die Bruttoeinnahmen werden auf sieben bis 23 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Die Gewinnmargen sind enorm, doch bei den Menschen vor Ort, die wildern, landet von diesen Milliarden nur wenig. Häufig sind es wirtschaftliche Gründe, die die Menschen dazu bewegen, illegal zu jagen. Die Erträge der Landwirtschaft sind niedrig und reichen nicht aus, eine höhere Schulbildung für die Kinder zu ermöglichen oder Arztkosten zu bezahlen, wenn ein Familienmitglied krank wird.
Die Jagd auf Schuppentiere
Bejagt werden Pangoline vor allem wegen ihres Fleisches und ihrer Schuppen: Das Fleisch gilt als Delikatesse, den Schuppen werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin verschiedene, angebliche Heilwirkungen nachgesagt. Die Jagdmethoden sind vielfältig: Einige Jäger nutzen Hunde, mit deren Hilfe sie die meist nachtaktiven Pangoline auch tagsüber aufspüren können. Für die gezielte Jagd auf Schuppentiere werden aber auch Fallen – in der Regel sind das Schlingfallen – direkt am Eingang von Pangolin-Höhlen aufgestellt. Will das Tier in seine Höhle zurückkehren, verfängt es sich in der Schlinge und wird gefangen.
Oft werden Schuppentiere gar nicht gezielt bejagt, sondern landen „ganz nebenbei“ in den Fallen. Für die Jagd auf bodenlebende, kleine und mittelgroße Säugetiere nutzen Wilderer beispielsweise meterlange Barrieren aus Zweigen und Ästen, die in ihrer Funktion den Krötenschutzzäunen ähneln, die man aus Deutschland kennt – nur mit Schaden statt Nutzen für die Artenvielfalt. Diese Barrieren leiten die Tiere zu einem Durchgang, an dem dann meist eine Schlingfalle wartet.
Und auch bei Aktivitäten im Wald, die gar nichts mit der Jagd zu tun haben, werden Pangoline gewildert, beispielsweise wenn Bäume gefällt werden oder auf landwirtschaftlichen Flächen gearbeitet wird. Finden die Menschen bei ihrer Arbeit ein Schuppentier, wird es mitgenommen – ein lukrativer Nebenerwerb.
Immer weniger Pangoline in Asien
Die anhaltende Jagd auf Pangoline in ganz Asien hat ihre Zahl dort dramatisch reduziert – alle vier asiatischen Arten werden auf der Internationalen Roten Liste der IUCN als stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft. In Vietnam kommen zwei Arten vor: Sunda- und Chinesisches Schuppentier. Der jahrzehntelange illegale Handel hat dort zu einem dramatischen Rückgang der Bestände geführt. So sehr, dass die Wilderer inzwischen kaum noch Tiere finden und der Nachschub an Pangolin-Schuppen zum großen Teil aus den afrikanischen Beständen stammt; auch hier gibt es vier Schuppentierarten.
Schuppentiere sind die meistgeschmuggelten Säugetiere der Welt. Jahr für Jahr werden weltweit wohl mehr als 100.000 Tiere illegal gehandelt. Die Besorgnis über das dramatische Ausmaß der Wilderei von Schuppentieren hat dazu geführt, dass alle acht Schuppentierarten im Jahr 2016 in den Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES aufgenommen wurden. Damit ist der internationale kommerzielle Handel vollständig verboten.
Doch „Verbote nutzen nur dann etwas, wenn sie auch durchgesetzt werden können“, so Dr. Arnulf Köhncke, Fachbereichsleiter Artenschutz beim WWF Deutschland. „Es bedarf in vielen Ländern Asiens und Afrikas schärferer Kontrollen und einer strikten Umsetzung der Gesetze, um den Druck auf Wilderer und Schmuggler zu erhöhen und gleichzeitig die Absatzmärkte auszutrocknen“, unterstreicht Köhncke.
Schutz der Schuppentiere in Vietnam
Zwischen 2016 und 2021 griffen die Behörden in Vietnam 2.156 Pangoline und 44.408 Kilogramm Schuppentier-Schuppen auf. Der Großteil der gehandelten Schuppen stammt aus afrikanischen Ländern. Aufgrund der Einschränkungen während der Corona-Pandemie ging die Zahl der Aufgriffe im Jahr 2020 zunächst stark zurück, doch seit Anfang 2021 werden wieder mehr illegale Aktivitäten beobachtet.
Wichtigster Faktor im Kampf gegen Wilderei in Vietnam sind Ranger:innen. Auf ihren Patrouillen durchstreifen sie die Wälder und entfernen Schlingfallen, wann immer sie sie finden. Zwischen 2010 und 2022 entfernten Ranger:innen in Zusammenarbeit mit dem WWF in zwei Schutzgebieten mehr als 150.000 Schlingfallen. Doch noch immer entdecken und zerstören die Wildhüter:innen in diesen beiden Schutzgebieten durchschnittlich mehr als 35 Drahtschlingen pro Tag. Immerhin hat sich diese Zahl seit Beginn der Patrouillen um mehr als die Hälfte reduziert. Doch noch sind es zu viele Fallen, denn diese sind nicht teuer und werden immer wieder neu aufgestellt. Die Gefahr für die Fallensteller ist gering: Strafe droht nur, wenn die Wilderer auf frischer Tat ertappt werden.
Konkret hilft der WWF vor Ort bei Ausrüstung und Ausbildung der Ranger:innen. In den Projektdörfern setzt der WWF Mechanismen um, mit deren Hilfe die Einwohner:innen von Einnahmen aus Waldschutzverträgen profitieren. In den Städten leistet der WWF Aufklärungsarbeit, um die Nachfrage nach Wildfleisch von bedrohten Tierarten zu verringern. Verstöße gegen den illegalen Handel mit Wildtieren durch Restaurants, traditionelle medizinische Geschäfte und Märkte in Hue und Da Nang, den ehemaligen städtischen Zentren für den Konsum von Wildtieren, gingen bereits um mehr als 90 Prozent zurück.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dieser Trend nach dem Abklingen der Corona-Pandemie von Dauer ist. Doch die Zeichen stehen gut, denn eine Umfrage unter Verbraucher:innen zum Wildtierkonsum und -handel in Vietnam ergab, dass die Mehrheit der Gesellschaft die Schließung illegaler Wildtiermärkte befürwortet.
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