Doch der Weg lohnt sich: Auf 2.640 Quadratkilometern (einer Fläche etwa so groß wie das Saarland) entfaltet sich dort im afrikanischen Dschungel eine nahezu unberührte, atemberaubende und ungewöhnlich artenreiche Wildnis. Zahlreiche der im Schutzgebiet lebenden Tiere und 114 der über 2.000 verschiedenen Pflanzenarten sind endemisch, kommen also nur in dieser Region vor. Das macht den Campo Ma’an Nationalpark so einzigartig und schützenswert.
Wer ins Herz des Campo Ma’an Nationalparks tief im Südwesten von Kamerun vordringen will, muss erhebliche Strapazen auf sich nehmen. Bei drückender Hitze geht es über eine holprige Landstraße durch dichten, dampfenden Regenwald. 150 Kilometer sind es vom Badeort Kribi am Golf von Guinea bis zur kleinen Stadt Campo an der Grenze zu Äquatorialguinea.
Biodiversitäts-Hotspot im grünen Herzen Afrikas
Der Campo Ma’an Nationalpark gehört zu den letzten Rückzugsgebieten der vom Aussterben bedrohten Westlichen Flachlandgorillas. Noch ziehen dort außergewöhnlich große Gruppen von bis zu 30 Gorillas auf der Suche nach Knollen, Wurzeln und jungen Pflanzentrieben gemächlich über die saftig grünen, bis zu 800 Meter hohen Berghänge.
Schimpansen und Mandrills hangeln sich laut kreischend durch die Baumwipfel. Seltene Waldelefanten treffen sich auf den sumpfigen Waldlichtungen, den sogenannten Bais, um im Wasser und Boden nach nahrhaften Mineralien zu graben. Leoparden dösen in schwülwarmer Luft auf den Ästen mächtiger Urwaldbäume.
Und über allem liegt der vielstimmige Klangteppich von mindestens 300 verschiedenen Vogelarten unter dem tropischen Blätterdach: Darunter Graupapageien – die größten afrikanischen Papageien – und die lebhaften, in allen Farben schillernden, langschnäbeligen Nektarvögel.
Menschengemachte Gefahr in Regenwald
Die größte Gefahr ist – wie so oft – der Mensch: Kamerun lässt kräftig in die Infrastruktur investieren, um seine reichhaltigen Rohstoffvorräte zu fördern und Investoren das Geschäft zu erleichtern.
Der Bau der unterirdischen 1.000 Kilometer langen Tschad-Kamerun-Ölpipeline zu Beginn der 2000er Jahre an den Atlantik-Hafen von Kribi war ein erster Schritt und hat den Lebensraum zahlreicher dort beheimateter indigener Völker zerstückelt und wertvolle Rückzugsräume seltener Tierarten zerstört.
Der Campo Ma’an Nationalpark wurde 1999 als Ausgleich für die negativen Folgen des Projekts für Umwelt und Biodiversität gegründet. Aber die rasante wirtschaftliche Entwicklung schreitet trotzdem voran: Im Jahr 2021 ist in Kribi der größte Tiefseehafen Zentralafrikas entstanden. Weitere Infrastrukturprojekte im Land sind geplant, darunter ein neuer Staudamm und eine 1.500 Kilometer lange Eisenbahnstrecke.
Mitarbeiter:innen erforschen das Leben und die Aktivitäten einer Gorilla-Gruppe und gewöhnen sie so an menschliche Nähe.
Überleben sichern: Nachhaltiger Schutz für die Westlichen Flachland-Gorillas
Um den wertvollen Lebensraum der Westlichen Flachlandgorillas und der anderen etwa 120 Säugetierarten (55 größere und 68 kleine Säuger, 23 davon vom Aussterben bedroht) im Campo Ma’an Nationalpark zu bewahren, unterstützt der WWF ein Programm, das im Wesentlichen auf drei Säulen basiert:
Es beginnt mit der Gorilla-Habituierung: also Gewöhnung von Gorillas an Menschen.
Mitarbeiter:innen erforschen das Leben und die Aktivitäten einer Gorilla-Gruppe und gewöhnen sie so an menschliche Nähe. Sie studieren das Verhalten der Tiere, untersuchen ihre Rastplätze und analysieren Fäkalien. Dabei arbeitet der WWF eng mit lokalen und indigenen Anwohner:innen zusammen, die hier verantwortlich tätig sind.
Die Gorilla-Habituierung dient auch dem vorsichtigen und nachhaltigen Aufbau von Ökotourismus-Projekten u.a. mit geführten Trekkingtouren zu den habituierten Gorillas, Bootsfahrten auf dem wild-romantischen Ntem River und Besuche in einem der kleinen, von Indigenen bewohnten 155 Dörfern rund um den Nationalpark. Der Ökotourismus bietet den Menschen hier eine wichtige Einkommensalternative zur Plünderung der Wälder und Wilderei und zeigt Besucher:innen, wie wertvoll und schützenswert die Tiere und ihr Lebensraum sind.
Doch Tourismus und Gorilla-Habituierung bergen immer auch die Gefahr, dass gefährliche Krankheiten und Viren von Menschen auf Tiere – oder umgekehrt – übertragen werden. Um beide Gruppen zu schützen, gibt es im Campo Ma’an Nationalpark ein regelmäßiges Gesundheitsmonitoring im Rahmen eines „One health“-Programmes.
Im April 2019 hat der WWF ein Feldlabor für molekularbiologische Untersuchungen und Tests auf Viren, Bakterien und Parasiten aufgebaut. Das Feldlabor betreibt dauerhaft ein lokaler Tierarzt, der auch regelmäßig Kot- und Urinproben und die Überreste verendeter Tiere untersucht. So entsteht ein Frühwarnsystem für Ebola, Anthrax und andere schwere Krankheiten – auch Corona.
Das Feldlabor dient zudem als mobile Klinik und als Anlaufstation für Ärzt:innen, die Kranke und Verletzte behandeln und regelmäßige Vorsorge anbieten für Mitarbeiter:innen, die im Ökotourismus und Naturschutz arbeiten und deren Familien. So wird das Habituierungs-, Ökotourismus- und Gesundheitsvorsorge-Projekt des WWF im Campo Ma’an Nationalpark zu einem Gewinn für alle Beteiligten. Für die lokale und indigene Bevölkerung, Wildtiere und ihre Besucher:innen.
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