Wald ist Wirtschaft. Wirtschaft ist Forst. Denn heutzutage ist der Wald einer der wertvollsten Wirtschaftstreiber und damit Quelle der ökonomischen Begierde vieler Forst- und Landwirte. Das Resultat: Aus einem natürlichen Wald wird ein von Menschen geprägter Forst. So tragen die Forstwirtschaft, die Holzverarbeitung samt Zellstoff- und Papierindustrie zusammen 0,8 Prozent und damit 103 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Europa bei. Branchennahe Industrien wie Tourismus kommen noch hinzu. Fast drei Millionen Menschen verdienen allein in Europa ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit in der Forst- und Holzwirtschaft. Die europäischen Länder sind wichtige globale Nettoexporteure von Holzprodukten. Das sind die klaren Fakten auf der einen Seite.
Wirtschaft und Natur sind im Waldmanagement kein Entweder-oder. Vielmehr geht es um eine harmonische Balance sowie um innovative Konzepte für eine zeitgemäße, schonende Waldnutzung. Aus dem Forstsektor stammt die Grundidee des nachhaltigen Wirtschaftens, die beständig weiterentwickelt wird.
Klimaregulator versus Wirtschaftsmacht
Gleichzeitig sind Wald und Forstwirtschaft wie kein anderer Sektor mit dem Klima verbunden. Denn ein intaktes Waldökosystem beeinflusst das Klima in vielfältiger Weise positiv. So sind Bäume und Waldböden gigantische Kohlenstoffspeicher. Die Einnahmen der Waldeigentümer:innen in Europa für Naturschutzmaßnahmen und Kohlenstoffspeicherung im Wald liegen mit rund 180 Milliarden Euro weit über den Einnahmen für die gesamte Forst- und Holzwirtschaft. Wälder bedecken weltweit nur 30 Prozent der Landoberfläche, speichern aber etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs. Doch der Wald ist nicht nur Kohlenstoffregulator, sondern auch durch seine Wasserkreisläufe Klimaregulator. Er erfüllt darüber hinaus noch weitere wesentliche Funktionen für den Menschen, ist Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze sowie Trinkwasser- und Luftfilter.
Umgekehrt können sich Klimaänderungen negativ auf sein Gedeihen auswirken. Weltweit werden durch unkontrollierte Abholzung, Übernutzung und Brandrodung, insbesondere in den Tropen, jährlich über elf Millionen Hektar Naturwald zerstört. Das entspricht in etwa der Waldfläche, die in Deutschland insgesamt vorhanden ist. „Deshalb muss sofort gehandelt werden – zum Beispiel durch die Schaffung eines EU-Gesetz gegen Entwaldung”, berichtet Dr. Susanne Winter, Programmleiterin beim WWF Deutschland. Da den Tieren der Lebensraum fehlt, kommen sie auch häufiger mit dem Menschen in Kontakt. So erhöht sich das Risiko um ein Vielfaches, dass Tiere Erreger auf den Menschen übertragen. „Solch ein Gesetz muss die europäischen Märkte vor Produkten – wie Soja oder Rindfleisch – schützen, die mit unkontrollierter Entwaldung verbunden sind”, erklärt Winter. Gründe genug, die nachhaltige Waldwirtschaft neben dem Waldschutz als Chance für den ökologischen Wald der Zukunft zu sehen.
Was ist ein gesunder Wald?
Als gesund und zukunftsfähig gilt ein Wald, wenn er über seine natürliche Artenzusammensetzung und Waldstruktur verfügt. So sollte er alle Baumarten aufweisen, junge bis uralte Bäume und vor allem auch Mikrohabitate sowie viel Totholz. „Jede Form von Übernutzung, Umwandlung in Plantagen sowie Kahlschlagwirtschaft, bei der fast alle Bäume flächig gefällt werden, entspricht einer Störung des Waldklimas, trägt zur Kohlenstofffreisetzung bei und schadet der Biodiversität”, erklärt die Fachfrau.
Deshalb wird in Wäldern des WWF und anderen naturnah bewirtschafteten Wäldern die Holznutzung so geplant, dass Waldstrukturen erhalten bleiben oder sich neu entwickeln können. Das Ganze erfolgt selektiv – sozusagen in Form von „Cherry picking”. Abgeholzt wird nur der Baum, welcher vorher ausgewählt wurde.
So funktioniert nachhaltige Waldwirtschaft
„Die nachhaltige Waldbewirtschaftung als dynamisches und sich entwickelndes Konzept verfolgt das Ziel, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Werte aller Arten von Wäldern zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu erhalten und zu verbessern." (Waldübereinkunft der Vereinten Nationen, 2007)
Wirtschaftlich nutzbar sollten nur ausgewählte reife Bäume sein. Doch wie gelingt es, den Wald nachhaltig zu bewirtschaften? „Dafür sollten maximal 50 bis 60 Prozent des Zuwachses reifer Wälder genutzt werden. Den Rest benötigt das Ökosystem für den Erhalt der natürlichen Strukturen und Nährstoffkreisläufe”, weiß Susanne Winter. Ein weiterer wichtiger Aspekt, um eine Balance herzustellen, ist die Aufforstung von bereits gerodeten und degradierten Flächen. Weit mehr als 350 Millionen Hektar Aufforstungsfläche sollten bis 2030 neu geschaffen werden.
Das Gesamteinkommen aus Waldeigentum in Europa ist, neben den Holzerlösen, mit 723 Milliarden Euro bereits sieben Mal höher als das Einkommen aus der Forst- und Holzwirtschaft. Vor diesem Hintergrund engagiert sich der WWF auch auf politischer Ebene. Als Best Case für den zukünftigen Waldschutz in der EU gilt die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, in der es eine verbindliche Quote für den Schutz der Lebensräume gibt.
Naturnahes Waldmanagement bedeutet darüber hinaus auch, dass die noch vorhandenen Urwälder geschützt werden und der Wald für die Bildung sowie Forschung mit innovativen Konzepten zur Verfügung steht. Darunter zählt auch, den Wissensaufbau zu unterstützen – ob in Form von Tourismusinformation, Wissenschaft oder Aufklärungsarbeit.
Gefährlicher Trend zum Holz
Holz boomt. Unsere Wälder werden weltweit übernutzt. Nie war die Nachfrage nach der Ressource größer. Das ist unter anderem auf den Trend hin zu nachhaltigeren Produkten mit der falschen Annahme zurückzuführen, dass eine Holznutzung klimaneutral sei. Die Verwendung als Baumaterial ist eine langlebige Nutzungsform und damit nicht das eigentliche Problem. Gefährlich sind die zunehmende Holznutzung zur Verbrennung für Wärme und Energie und die kurzfristigen Nutzungsformen für beispielsweise Verpackungen und Papier.
Papiertaschentücher oder die Unmengen an Versandpaketen als Resultat des gestiegenen Online-Handels sind der sprichwörtliche „Tot für den Wald”. Jährlich steigt der weltweite Papierverbrauch. Derzeit liegt die Produktionsmenge von Papier, Pappe und Karton bei besorgniserregenden 420 Millionen Tonnen.
Umso wichtiger ist es, dass sofort die noch vorhandenen Naturwälder geschützt und alle anderen nachhaltig bewirtschaftet werden. Gefordert ist dabei jede:r – und gebraucht werden für diese Aufgabe alle: Politik und Gesellschaft genauso wie Universitäten und Verbände oder Unternehmen. Auch auf diesen Ebenen ist der WWF aktiv. Das betrifft beispielsweise Unternehmenskooperationen und interdisziplinäre, globale Projekte zur Aufforstung von degradierten Flächen.
Gütesiegel: Hilfe für Konsumenten
Damit die Konsumenten die Möglichkeit haben, klassifizierte Produkte zu kaufen, existieren in Deutschland zwei ökologische Gütesiegel. Waldbesitzer und Forstbetriebe, die bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen die erforderlichen Standards der Nachhaltigkeit einschließlich des Natur- und Artenschutzes erfüllen, können eine freiwillige Zertifizierung durchlaufen und erhalten für ihr Holz ein entsprechendes Siegel. Nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) sind aktuell rund 1,44 Millionen Hektar und nach Naturland etwas mehr als 50.000 Hektar zertifiziert.
Doch bringen solche Siegel etwas? „Definitiv ist die Zertifizierung ein Schritt in die richtige Richtung”, erklärt Susanne Winter. „Denn die ökologisch wertvollen Siegel sind nicht nur ein Unterscheidungskriterium für potenzielle Käufer, sondern auch ein Instrument, langfristig nachhaltigere Holzprodukte zu entwickeln.” Für Verbraucher empfiehlt sich daher umso mehr der Kauf von zertifizierten Holzprodukten – insbesondere aus Recyclingmaterialien. Zusätzlich raten die Experten, den Verbrauch von kurzlebigen „Einmal“-Produkten deutlich zu reduzieren und beim Kauf zudem auf Regionalität der Produkte zu achten. Ob weniger Online-Shopping oder ein aktives politisches Umweltengagement – jede:r kann sofort aktiv werden und zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung beitragen. Das ist die beste Gesundheitsvorsorge für Mensch und Wald.
Weitere Informationen:
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