Das große Problem der Wälder in Deutschland heute ist nicht, dass wir sie massenweise und in Dimensionen von Fußballfeldern gemessen verlieren. Über diesen Punkt sind wir zum Glück lange hinweg. Das Problem unserer Wälder ist, dass sie nicht alt werden dürfen, dass sie aufgeräumt und für eine intensive Nutzung künstlich gestaltet werden.
Buchen können ganze 400 Jahre alt werden, Kiefern doppelt so alt und Eichen sogar tausend Jahre. Doch in unseren Wirtschaftswäldern werden die Bäume bereits mit 80 oder 90 Jahren, in der Blüte ihres Lebens, gefällt. Die Alters- und Zerfallsphasen fehlen. „Und gerade diese bringen in natürlichen Wäldern eine enorme Artenvielfalt hervor“, betont Albert Wotke, Programmleiter Flächennaturschutz beim WWF Deutschland: „Alte Baumpersönlichkeiten bieten Spechten Platz für ihre Höhlen. Fledermäuse können den Tag unter abgeplatzten Rinden verbringen. Pilze zersetzen kranke und abgestorbene Bäume. Tausende und abertausende Insekten haben einen fantastischen Lebensraum im Vergehenden, das in einem Kreislauf neues Leben hervorbringt.“
Geschwächte Widerstandskraft
Sind durch das Fällen und Wiederanpflanzen alle Bäume eines Waldes ähnlich alt und noch dazu von gleicher Art, sind sie auch alle nur gleich stark – oder eben gleich schwach, um Störungen Stand zu halten. Im Falle von Stürmen, Bränden oder dem Befall von Insekten ist oft der ganze Wald verloren.
Auch einem zunehmenden Trockenstress durch die Erderhitzung sind unsere heutigen Bäume nicht gewachsen. Vor allem weil die Artzusammensetzung der Wälder in Deutschland längst nicht mehr ihrem Ursprung entspricht, sondern das Ergebnis forstwirtschaftlicher Nutzungsüberlegungen ist. Viele unserer Wälder heute sind von standortfremden Baumarten geprägt, naturfern und nur knapp ein Viertel von ihnen ist älter als 100 Jahre.