Ein ausgiebiges, ganz besonderes Waldbad können naturbegeisterte Wanderer in Thüringens „Urwäldern von Morgen“ nehmen und dabei nicht nur Körper, sondern auch Geist trainieren. Wie eine Kette reihen sich entlang der waldreichen Höhenzüge Thüringens zahlreiche Waldwildnisgebiete aneinander, in denen die Säge ruht und Natur wieder Natur sein darf.

Aus Alt wird Neu: Totholz bietet Lebensraum und Nahrungsangebot © Thomas Stephan / WWF
Aus Alt wird Neu: Totholz bietet Lebensraum und Nahrungsangebot © Thomas Stephan / WWF

Erlebbar werden diese so selten gewordene Wälder durch die Thüringer Urwaldpfade. Auf 16 Thüringer Urwaldpfaden kann die Besonderheit der „Urwälder von morgen“ hautnah erlebt werden. Vom Menschen in Ruhe gelassene Wildnis ist hier spürbar, Prozessschutz greifbar, Schönheit, Funktion und Mehrwert eines deutschen „Urwaldes von morgen“ erlebbar. Ein Gewinn für Mensch und Natur!

Die aus der Nutzung genommenen Wälder gehören fast vollständig dem Natura 2000-Netz an und weisen naturnahen, teils urwaldähnlichen Charakter auf. Durch die von WWF und Naturkundemuseum Erfurt entwickelten und vom Landesumweltministerium unterstützten Thüringer Urwaldpfade werden die Waldwildnisgebiete naturschutzfachlich betreut und erlebbar gemacht. Den Wanderer führt es dabei über moosbedeckten Waldboden, an von unzähligen Insekten und Pilzen besiedeltem Totholz vorbei, bis hin zu mal mehr, mal weniger wasserreichen Auen- und Feuchtwaldgebieten.

Bedrohte Tierarten

Fast unbemerkt begleiten die Besucher dabei ganz besondere Waldbewohner: sogenannte Urwaldrelikt-Arten.

Urwaldrelikt-Arten sind sehr seltene, kleine und für die meisten Wanderer:innen kaum sichtbare Käferarten wie der Knochenglanzkäfer oder der Eremit. Gegenüber Veränderungen reagieren sie extrem empfindlich; sie leben daher fast ausschließlich in naturnahen Wäldern und Urwäldern. Neben anderen Käfern, Insekten, Pilzen, Moosen und Flechten, erfüllen die hochspezialisierten Holzzersetzer eine bedeutsame ökologische Funktion für die Prozesse in „Urwäldern“. Ihr Vorkommen ist deshalb ein Beweis für naturschutzfachlich besonders wertvolle Flächen. Im Gebiet der „Hohen Schrecke“ wurden beispielsweise über 400 holzbewohnende Käfer nachgewiesen, 20 von ihnen sind Urwaldreliktarten.

Das macht der WWF

Schwarzatal © Thomas Stephan / WWF
Schwarzatal © Thomas Stephan / WWF

Doch ob Tiere, Pflanzen oder Pilze – die für natürliche Wälder standortheimische biologische Vielfalt ist noch immer stark gefährdet. Bis zum Mittelalter war Mitteldeutschland noch zu großen Teilen von uralten Wäldern bedeckt. Nach und nach mussten sie großflächigen Siedlungen, Äckern und Weiden und später forstlich geprägten Wirtschaftswäldern weichen. Infolge intensiver Nutzung sowie durch Belastungen wie z.B. Immissionen, Zerschneidungen und Grundwasserabsenkungen wurden Thüringens Wälder zusätzlich in ihrer Artenzusammensetzung und Bestandsstruktur erheblich verändert. Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung dazu entschieden 5 % der Waldfläche Thüringens aus der forstlichen Nutzung zu nehmen.

Das Projekt„Thüringer Urwaldpfade – Wege in die Urwälder von morgen“ des WWF in Kooperation mit dem Naturkundemuseum in Erfurt unterstützt die Anstrengungen der Landesregierung. Der Öffentlichkeit werden naturschutzfachliche Argumente präsentiert, um Akzeptanz für Wildnis im Allgemeinen und Urwald im Besonderen zu schaffen: Durch Prozessschutz lassen sich in Wäldern wieder alle Waldentwicklungsphasen, von der Aufbau- bis zur Zerfallsphase, finden. Insbesondere alte Baumbestände und im Wald verbleibendes Totholz bieten eine Vielzahl an strukturreichen Lebensräumen, fördern die biologische Vielfalt und verbessern die Regenerationsfähigkeit der Wälder. Nicht zuletzt bieten Urwälder von morgen eine wichtige Referenzfläche im ökologischen Monitoring im Vergleich zu künstlich geschaffenen Kulturlandschaften. Denn: Ob Klimawandel, Hochwasser oder Orkane – Das wilde Deutschland hält auch für den Menschen wertvolle Anpassungsstrategien bereit.

Das Projekt wird über die Förderinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen (FILET), Programm zur Förderung von Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft (ENL) gefördert. Die Fördermittel werden von der Thüringer Aufbaubank ausgereicht. Hier investieren Europa und der Freistaat Thüringen in die ländlichen Gebiete.

Mehr Informationen unter: www.thueringer-urwaldpfade.de

So können Sie helfen