Rund 18.000 Quadratkilometer groß ist der sogenannte Western Forest Complex, abgekürzt WEFCOM. Insgesamt 17 Schutzgebiete grenzen hier aneinander und machen Thailands westliche Wälder zu einem der bedeutendsten Rückzugsgebiete für Wildtiere in Festland-Südostasien. Für die Tiger ist dies momentan der Ort, der ihr Überleben in Südostasien sichert. In Kambodscha, Laos und Vietnam sind die Großkatzen bereits ausgestorben. In Malaysia sind die Zahlen rückläufig, genau wie wahrscheinlich auch in Myanmar und auf Sumatra. Zurzeit einziger Hoffnungsschimmer für die Tigerpopulationen in Südostasien ist Thailand. Der Wald-Komplex dient außerdem als Korridor und Kreuzungspunkt für die Wiederausbreitung von Tigern und anderen Arten in nördlicher und südlicher Richtung entlang der Dawna-Tennasserim Landschaft.
Ihre Heimat ist der dichte Dschungel, hier sind sie perfekt getarnt und leben in aller Abgeschiedenheit – und doch sind sie gefährdet: Tiger. Die Wälder Thailands, vor allem aber die Nationalparks, sind die letzten Hochburgen wild lebender Tiger in Südostasien. Seit 2012 schützt der WWF zusammen mit dem thailändischen Department für Nationalparks die Tiger und ihren Lebensraum. Mit sichtbarem Erfolg.
Außergewöhnlich wild: Thailands Westlicher Waldkomplex
Dichte Urwälder, tosende Wasserfälle, grüne Gebirgsketten und schwer zugängliches, feucht-heißes Tiefland: Im äußersten Westen Thailands an der Grenze zu Myanmar erstreckt sich eine Wald-Wildnis, wie sie in Südostasien in diesem Ausmaß kaum noch zu finden ist. Schutzgebiete und Nationalparks reihen sich dicht an dicht und bewahren große, vielfältige Lebensräume für Tiger, Leoparden, Elefanten, Bären, zahlreiche Primaten, Vögel und Reptilien. Thailands westliche Wälder sind integraler Bestandteil der für den Artenschutz äußerst bedeutenden Dawna-Tennasserim Landschaft, die sich über die Grenze von Thailand und Myanmar erstreckt.
Einzige Chance für Tiger in Südostasien
Kamerafallen dokumentieren Schutzerfolge
2021 gibt eine erste Entdeckung ein ermutigendes Signal für die Erholung von Südostasiens Tigerbeständen in Thailands Westlichem Waldkomplex: Bei einer Patrouille finden Ranger:innen des Mae-Wong-Nationalparks den Kadaver eines Sambar-Hirsches. Den Spuren zufolge wurde das tote Tier bis zu 100 Meter weit durch das Dickicht geschleift.
Alles deutet auf einen Tiger hin. Der Mae-Wong-Nationalpark liegt etwa mittig zwischen Bangkok und Chiang Mai im äußersten Westen Thailands und ist eines von mehreren Schutzgebieten, welche der WWF in der Region unterstützt.
Es ist tatsächlich eine neue Tigerin!
Um ihren Verdacht zu bestätigen, installieren die Ranger:innen in der Nähe des Kadavers eine Kamerafalle – und warten. Zwei Tage später zeigt sich auf den Aufnahmen tatsächlich ein Tiger-Weibchen. Nach Abgleich mit der Datenbank bereits bekannter Tiere ist klar: Es ist eine bisher unbekannte, eingewanderte Tigerin.
Endlich werden außerdem junge Tiger wieder groß
2023 folgt die nächste Sensation: Kamerafallen zeigen eine Tigermutter, die drei Jungtiere führt. Spätere Aufnahmen beweisen: Sie werden unversehrt erwachsen und können schließlich ihre eigenen Reviere erobern. Danach wird dieselbe Tigerin erneut mit Nachwuchs fotografiert. Noch bis vor wenigen Jahren hätten durch die intensive Wilderei zwei aufeinanderfolgende, große Würfe kaum überlebt. Auch in anderen Nationalparks können Kamerafallen Tigermütter mit Jungen nachweisen.
Die Früchte jahrelanger Naturschutzarbeit
Seit 2012 unterstützt der WWF Thailand gemeinsam mit WWF-Büros aus anderen Ländern und in enger Zusammenarbeit mit der thailändischen Naturschutzbehörde, den Gemeinden vor Ort und den Lokalregierungen bereits die Maßnahmen zum Erhalt und zur Erholung der Tigerbestände im nördlichen Western Forest Complex. Seit 2016 ist der WWF Deutschland dabei. Nicht nur in Mae Wong, sondern auch in den oberhalb anschließenden Nationalparks Khlong Lan und Khlong Wang Chao und dem westlich gelegenen Umphang Naturschutzgebiet auf insgesamt einer Fläche von über 4.500 Quadratkilometern.
Als erstem südostasiatischem Land ist es Thailand 2024 gelungen, seine Bestände wildlebender Tiger wieder zu vergrößern: Ein enormer Erfolg, der auch von den ansonsten kaum noch vorhandenen, riesigen zusammenhängenden Waldlandschaften im Western Forest Complex getragen wird.
Trotzdem ist die Gefahr nicht gebannt
Dank der kontinuierlichen und langjährigen Schutzarbeit wird in der Projektregion aktuell keine Wilderei auf Tiger oder ihre Beutetiere mehr verzeichnet. Trotzdem sind selbst in den Nationalparks illegale Aktivitäten wie Abholzung und die Wilderei kleinerer Wildtiere längst nicht gebannt. „Anhaltende Überwachung ist nach wie vor dringend nötig”, so Markus Radday, der die Projekte für den WWF Deutschland betreut. „Auch um das Eindringen professioneller Tiger-Wilderer zu verhindern, die Jagd auf die leider lukrative Großkatze machen.”
Ranger:innen gegen Wilderei und Abholzung
Der WWF bildet in verschiedenen Nationalparks Wildhüter:innen umfassend aus, stellt Feld- und Patrouillenausrüstung zur Verfügung und unterstützt den Aufbau und die Unterhaltung der notwendigen Infrastruktur wie Trainingszentren und Ranger:innen-Stationen.
lm Jahr 2024 legten insgesamt 33 Patrouillenteams über 16.000 Kilometer auf ihren Überwachungsmissionen zurück.
Insbesondere die SMART-Technologie hat dabei zu einer höheren Effizienz der Patrouillen beigetragen.
SMART (Spatial Monitoring and Reporting Tool) ist eine Software, mit deren Hilfe die Ranger:innen ihre Beobachtungen per Handy direkt während ihrer Patrouille eintragen und anschließend in Kontrollsysteme und digitale Karten überspielen können.
Kamerafallen als wichtiger Teil der Schutzarbeit
Die Ranger:innen sind ebenfalls dafür zuständig, Kamerafallen in den dichten Regenwäldern zu installieren, ihre Aufnahmen zu sichern und auszuwerten. Auch darin müssen sie regelmäßig geschult werden. Seit Beginn der Projektarbeit im Jahr 2012 überwachen der WWF und die Schutzgebietsverwaltungen die Tiger und ihre Beutetiere kontinuierlich mit Kamerafallen. Aufnahmen von Tigermüttern mit Jungtieren wecken besonderes Interesse, denn sie dokumentieren das Fortbestehen und im besten Fall Wachstum der Bestände.
Ohne Beute keine Tiger, ohne Gras keine Beute
Gibt es nicht ausreichend Beutetiere, können vor allem junge Tiger verhungern, die noch nicht ausreichend Jagderfahrung besitzen. Der WWF überwacht deshalb in Thailands Westlichen Wäldern auch die Beutetierbestände, vor allem verschiedene Huftierarten.
Wir verbessern die Lebensräume und Bedingungen für diese Huftiere, indem wir Wildäsungsflächen und künstliche Salzlecken anlegen und pflegen.
Wir wildern außerdem Sambar-Hirsche aktiv wieder aus und werben landesweit für den Schutz des Banteng, ein Wildrind, das vom Aussterben bedroht ist. Über 40 Jahre waren die Bantengs aus den Nationalparks der Westlichen Wälder verschwunden. Seit einigen Jahren nun kehren sie zurück, wie unsere Kamerafallen belegen. Auch Wildschweine, Elefanten und die ebenfalls bedrohten Muntjak-Hirsche haben die Kamerafallen gesichtet. All das gibt Anlass zur Zuversicht.
Sambar-Hirsch-Auswilderung
Der Schutz der wilden Wälder
Wie wichtig der Schutz der Wälder und Arten sind, darüber klären die Wildhüter:innen aus Thailands Westlichem Waldkomplex auch in Schulen und Gemeinden auf und sensibilisieren insbesondere für den Tigerschutz. „Unter den richtigen Bedingungen können Tigerbestände sich tatsächlich erholen“, betont Markus Radday vom WWF Deutschland.
„Der Tiger bleibt jedoch eine vom Natur- und Artenschutz vollkommen abhängige Art. Dies erfordert, dass kontinuierlich Ressourcen für seinen Schutz bereitgestellt werden, insbesondere, um das Zusammenleben von Tigern und Menschen zu ermöglichen”. Thailands Westliche Wälder spielen für den Erhalt der Tiger in Südostasien eine bedeutende Rolle. Sie sind eine der letzten großen, zusammenhängenden Waldlandschaften im südostasiatischen Raum. Das müssen sie unbedingt bleiben – und sogar wieder noch wilder werden.
- Mekong-Region