Das kleine Dorf Tompoko im Herzen der Demokratischen Republik Kongo ist von Sümpfen umgeben, die es weitestgehend von den Hauptstraßen abschneiden. Etwa 400 Menschen leben hier.
Der Nationalpark Salonga ist eines der letzten intakten und weitgehend unberührten Biotope unserer Erde. Um den Park herum leben jedoch natürlich auch Menschen und das zumeist unter der Armutsgrenze. Wie soll man jemanden davon überzeugen, die Wälder nicht auszubeuten, der seine Familie ernähren muss?
Wie der Wald sich leerte…
Dimaro Ndombe, einer der Dorfältesten von Tompoko, erinnert sich noch gut, wie ein massiver Anstieg der Wilderei Anfang der 1980er Jahre die Wälder leerte. Trotz Schutzgebiet. „Plötzlich gab es keine Elefanten, Pinselohrschweine und anderes Wild mehr“, erzählt Dimaro. Von der Jagd wie vorher konnten die Dorfbewohner nun kaum noch leben. Noch dazu waren die Feldfrüchte, die sie damals anbauten, extrem anfällig für Krankheiten. Dimaro beschreibt, wie ihr Dorf verarmte. Es gab keinen Schulunterricht mehr für die Kinder, das reetgedeckte Schulhaus verfiel mehr und mehr. Tiere zur Jagd in der Gegend um das Dorf gab es so gut wie keine mehr und innerhalb des Nationalparks war (und ist) die Jagd verboten. Denn Nationalparks sind nach kongolesischem Recht nur mit speziellen Genehmigungen zu betreten und von jeglicher Nutzung ausgeschlossen.
Schutz geht nur gemeinsam mit der Bevölkerung
Bofenda Batumba Nkoy war früher Ranger im Salonga Nationalpark und weiß, wie bedeutend die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung ist. „Immer wieder hörte ich: Bofenda ist derjenige, der uns verbietet, Fleisch und Fisch zu essen! Was essen wir jetzt?“ Die Menschen hier sind stark abhängig von den natürlichen Ressourcen des Waldes und Wilderer stammen häufig aus den angrenzenden Dörfern.
Die Menschen in Salonga
Rund 300.000 Menschen leben in der Anrainerzone des Salonga Nationalparks, durchschnittlich sind das etwa neun Einwohner pro Quadratkilometer. Überwiegend gehören sie zur großen afrikanischen Volksgruppe der Bantu. Doch auch einige indigene Gemeinschaften vom Volk der Twa leben hier.
Die Menschen hier leben hauptsächlich von Jagd, Fischfang und Waldnutzung. Ergänzt wird das durch kleinbäuerliche Landwirtschaft. Will man den Nationalpark unter Einbezug der hier lebenden Menschen schützen, muss man Einkommen schaffen, die eine Alternative zur Jagd und dem Verkauf von Wild darstellen. Das ist in erster Linie eine verbesserte und nachhaltige Landwirtschaft, für die nicht immer wieder neuer Wald gerodet werden muss.
Fotostrecke: Entwicklungshilfe in Salonga
Modellbauern für Salonga
Das Parkmanagement von Salonga, bestehend aus Mitarbeitern des WWF und der kongolesischen Naturschutzbehörde, schult zusammen mit den Hilfsorganisationen Oxfam und ISCO Bauern in moderneren Anbaumethoden und einer effizienteren Selbstorganisation. Der Park stellt auch verbessertes Saatgut bereit. Die Bauern geben ihr Wissen und selbst vermehrtes, robusteres Saatgut an die Gemeinden weiter. Bauernverbände sorgen für eine Verbreitung der neuen Anbaupraktiken.
„Jetzt wissen wir, dass die Erträge höher sind, wenn wir die Samen in einzelnen Reihen aussäen. Wir haben auch gelernt, fruchtbare Böden von unfruchtbaren zu unterscheiden und die Zeiten der Aussaat besser zu planen. In Gruppen schaffen wir heute in nur einer Woche, wofür wir früher alleine mehr als einen Monat gebraucht haben.“ Der 45-jährige Banssango ist einer der Pilotbauern, die in Salonga ausgebildet werden. Er kommt aus der Nähe der Stadt Dekese im Süden des Nationalparks.
Der lange Trip nach Kinshasa
„Um unsere Familien zu ernähren, jagten wir früher Tiere wie Antilopen, Gazellen, Schuppentiere oder Elefanten. Jetzt haben wir die Jagd aufgegeben“, erzählt Banssango. Er steht auf dem Markt in Kinshasa, rund 700 Kilometer Luftlinie von seinem Heimatort entfernt. Der WWF-Partner Oxfam hatte ein Schiff organisiert, mit dem Banssango und 17 weitere Kleinbauern insgesamt 126 Tonnen Maniok, Reis, Mais, Erdnüsse und andere Feldfrüchte zum Verkauf in die Hauptstadt bringen konnten. „15 Tage brauchte unser Boot, einige hatten Angst vor der langen Reise, aber seit unserer Ankunft in Kinshasa haben wir wirklich gute Gewinne erzielt.“ Nicht nur eine verbesserte Landwirtschaft ist wichtig für die Menschen in Salonga, sondern auch der Zugang zu profitableren Märkten.
Salonga gilt als Weltnaturerbe in Gefahr
Um das Parkmanagement zu verbessern, hat der WWF das gemeinsame Management mit der kongolesischen Naturschutzbehörde übernommen. Nachdem der Vertrag 2015 unterschrieben wurde, dauerte es noch ein Jahr bis der WWF tatsächlich gemeinsam mit der kongolesischen Naturschutzbehörde die Leitung des Schutzgebietes übernommen hat. Neben dem Management des Nationalparks setzt der WWF mit verschiedenen Partnern auf die Entwicklung der Region, um den Druck auf Wälder und Wild zu minimieren.
Umweltbildung und Gemeindeorganisation
„Der Salonga Nationalpark ist ein Juwel. Die Gemeinden und die Provinzregierungen müssen das begreifen und uns helfen, ihn zu schützen.“ Parkdirektor Pierre Kafando arbeitet schon lange für den WWF und spricht ein großes Problem an: Das mangelnde Bewusstsein für die global bedeutende Artenvielfalt des Nationalparks. „Das wollen wir durch Aufklärung ändern und wir tun noch viel mehr: Wir helfen den Gemeinden bei der Schaffung von mehr Struktur und besserer Verwaltung.“ Besser organisierte Gemeinden können soziale und wirtschaftliche Probleme besser benennen und angehen. „Dann können wir mit den Gemeinden erarbeiten, wie man den Lebensstandard heben und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen schonen kann“, sagt Pierre Kafando.
Ohne Schutzgebiet hätten wir keine Schule
In armen, strukturschwachen Regionen wie Salonga gehören zur Verbesserung der Lebensbedingungen auch Aufbau und Wiederaufbau von Infrastrukturen wie Brücken, Schulgebäuden, Gesundheitszentren und Straßen. Auch hierfür übernehmen der WWF und seine Partner in Salonga Verantwortung.
Dass die Maßnahmen Erfolg zeigen, beweist Dorfältester Dimaro Ndombe aus Tompoko, als er gefragt wird, ob sie ohne Schutzgebiet nicht besser dran seien: „Wenn es den Park nicht gäbe, hätten wir weder den Markt noch eine Schule. Tompoko wäre wieder arm und unsere Kinder Analphabeten. Menschen von überall her würden in unseren Urwäldern jagen und fischen. Nein, wir dürfen den Park nicht verschwinden lassen! Wir würden es bereuen, wenn unsere Kinder niemals Elefanten zu Gesicht bekämen.“
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