„Aufregung, Spannung und auch ein bisschen Angst“, so beschreibt Shadrach Mwaba die Gefühle bei einer Wildtierexpedition. Shadrach arbeitet als Forschungspraktikant beim WWF Sambia und unterstützt das Department of National Parks and Wildlife (DNPW) und die Biolog:innen der gemeinnützigen Organisation Panthera bei der Löwenbesenderung im Sioma-Ngwezi-Nationalpark.
Im südlichen Afrika zwischen Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe liegt das Schutzgebietsnetzwerk Kavango-Zambesi, kurz KAZA. Hier sind auf 520.000 Quadratkilometern die „Big Five“ zu Hause: Elefanten, Leoparden, Nashörner, Büffel und natürlich Löwen. 15 Prozent der afrikanischen Löwenpopulation leben in KAZA. Doch immer öfter geraten der König der Savanne und der Mensch in Konflikt miteinander. Zum Nachteil aller Beteiligten – der Löwen, der Menschen und nicht zuletzt des gesamten Ökosystems. Ein wissenschaftliches Löwenbesenderungsprojekt im Nationalpark Sioma Ngwezi im sambischen Teil von KAZA soll nun dazu beitragen, diese Konflikte zu reduzieren.
Mit den Löwen leben
Was bei den Forscher:innen Gänsehaut hervorruft, ist für die rund zwei Millionen Menschen, die in KAZA zu Hause sind, tägliche Realität: Das Zusammenleben mit den Löwen birgt zahlreiche Herausforderungen, vor allem, wenn die Bevölkerung wächst und in Gebiete vordringt, die bisher den Wildtieren vorbehalten waren.
Auch für Shadrach Mwaba gehört der Konflikt zwischen Löwen und Menschen seit seiner Kindheit zum Alltag – er ist in Sambia auf dem Land aufgewachsen. Vielerorts finden die Löwen keine Beute mehr und reißen das Vieh der Menschen. Die Bäuerinnen und Bauern sinnen auf Vergeltung und töten die Löwen.
Auf gute Nachbarschaft
Mit der Besenderung der Löwen sollen nun Daten gesammelt werden, die Aufschluss über Beutevorlieben, Bewegungsmuster, Wanderrouten und Territorien der Tiere geben. Kennt man das Verhalten der Löwen, kann man Schutzstrategien entwickeln und Mensch-Tier-Konflikte vermeiden – eigentlich logisch. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn die Löwen im Sioma-Ngwezi-Nationalpark sind äußerst scheu. Schon lange versuchen die Wissenschaftler:innen, in dieser Region Löwen zu besendern, bisher ohne Erfolg. Im September 2020 ist es endlich gelungen: Sechs Tage hat die Expedition gedauert, bis Shadrach und sein Team zwei Löwen ausfindig machen und mit Halsbändern besendern konnten.
40 Minuten Narkose für die Forschung
Dafür werden die Löwen zunächst mit einem Narkosepfeil betäubt. Nach fünf bis zehn Minuten schlafen die Tiere, dann werden ihnen die Augen verbunden und das Halsband angelegt. Sie werden gewogen und vermessen, Blut-, Haar- und Kotproben bringen zusätzliche Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Tiere. Rund 40 Minuten dauert das Ganze, dann bekommen sie ein Gegenmittel verabreicht. In der Regel sind die Löwen spätestens nach ungefähr einer Stunde wieder auf den Beinen.
Den besenderten Löwen hat das Forscher:innen-Team nach dem Tierarzt des DNPW, der ihn aufgespürt hat, Jackson genannt. Die besenderte Löwin hat den Namen Lady Silowana bekommen, denn der Sioma-Ngwezi-Nationalpark befindet sich im sogenannten Silowana-Komplex in Südwestsambia.
Neues Leben für den Sioma-Ngwezi-Nationalpark
Wie viele andere afrikanische Nationalparks hat auch Sioma Ngwezi eine wechselvolle Geschichte hinter sich, berichtet Shadrach: „Ich habe das langsame Sterben der Wildtiere miterlebt. Ich habe gesehen wie Tiere – darunter auch Löwen – gewildert und als Buschfleisch verkauft wurden. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, im Naturschutz zu arbeiten."
„Wir Menschen haben die Naturschutzkrise verursacht, also müssen wir sie auch lösen!“
Die Daten, die die Besenderung von Jackson und Lady Silowana liefert, sind wie ein Mosaikstein beim Schutz der Wildtiere und der Menschen und ihren Nutztieren. Shadrach arbeitet an zahlreichen weiteren Maßnahmen, die den Löwenbestand in Silowana stärken sollen: Er wertet genetische Proben aus, schult die lokale Bevölkerung im Umgang mit Zusammenstößen mit Löwen und unterstützt das DNPW beim Aufstellen von Kamerafallen. Im Sioma-Ngwezi-Nationalpark plant Shadrach außerdem ein innovatives Pilotprojekt, das untersucht, ob der Einsatz von Eseln den Konflikt zwischen Menschen und Löwen entschärfen kann.
"Das Brüllen der Löwen in der unendlichen Savanne, die Nächte, in denen ich den Tieren folge, gehören zu den schönsten Momenten meiner Arbeit,“ schwärmt Shadrach. „Mein Traum ist es, dass die Zahl der Löwen zunimmt und sie ihre früheren Verbreitungsgebiete wieder besiedeln. Das mag ein ehrgeiziges Ziel sein, aber ich komme diesem Ziel jeden Tag einen Schritt näher."
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