Es ist jedes Mal ein bisschen wie Geschenke auspacken, wenn WWF-Projektpartnerin Lise Hanssen und ihr Team eine Kamera einsammeln und die Bilder auf dem Computer speichern: Was mag diesmal wohl drin sein? Doch außer enormer Spannung steckt ungeheuer viel Arbeit in ihrem Projekt: Sie erfassen systematisch die Säugetierarten in der Region. Dazu liefern 124 Kamerafallen, die im Vorjahr installiert wurden, viele Tausend Fotos aus dem Mudumu-Nationalpark und den umliegenden Schutzgebieten.
Kaum eine Stunde ist vergangen, seit die Sonne nach einem fantastischen Farbspektakel hinter dem Horizont verschwunden ist. Es wird Nacht im Mudumu-Nationalpark in Namibia. Sternenlicht taucht die Landschaft in eine geheimnisvolle Atmosphäre. Die Zeit der dämmerungsaktiven Räuber Afrikas ist angebrochen; die Zeit der Wildhunde, Leoparden – und der Löwen. Es raschelt und zirpt. Weiter entfernt ist ein Brüllen zu hören. Dann ein leises Klick-Klick: Ein junges Löwenmännchen hat auf seinem nächtlichen Streifzug den Infrarotsensor einer Fotofalle ausgelöst.
Planbar ist das nicht
Großes Glück aus der Projektregion im Mudumu-Komplex: In dem vom WWF finanzierten Löwenprojekt hatte die Projektleiterin ein glückliches Händchen. Sie stellte genau an den Stellen Kamerafallen auf, die sie für den Wurf von Löwenbabys für geeignet hielt. Und sie sollte Recht behalten. Bei der Auswertung konnte sie das sprichwörtliche Ergebnis ihrer Arbeit sehen: Neugeborene Löwen bei ihrer Mutter. Sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Freuen Sie sich mit uns und danken wir den Mitarbeiter:innen vor Ort, ohne die der Schutz der Löwen im KAZA nicht möglich wäre.
Nächtliche Fotos bringen Licht ins Dunkel
Die Wissenschaftler sind noch immer dabei, den umfangreichen Datenschatz zu sichten und zu bewerten, doch eines steht jetzt schon fest: Der Aufwand hat sich in jeder Hinsicht gelohnt! Mehr als 40 Säugetierarten sind bereits identifiziert worden. Leoparden, Geparden, Wildhunde, Hyänen, Serval, Karakal, Erdwolf ... und natürlich Löwen. Doch nicht nur das: Dank der Fotofallen wissen wir jetzt, dass das Löwen-Rudel im Mudumu-Nationalpark aus 13 Tieren besteht – davon vier Jungtiere.
Auch die jungen Männchen aus dem Wurf des Vorjahres halten sich noch in der Nähe ihrer Geburtsstätte auf, das zeigen die nächtlichen Fotos. Doch der Moment scheint gekommen, da sie ihr Streifgebiet ausdehnen, um nach einer Zeit als Einzelgänger mit etwas Glück ein eigenes Rudel zu erobern. Eines der jungen Männchen trägt einen Sender und so wissen wir, dass es kürzlich den Kwando-Fluss nach Botswana durchschwommen hat.
Sender helfen bei der Ortung
In allen Nationalparks des Mudumu-Komplexes zusammen wurden im vergangenen Jahr zudem 13 Löwen mit GPS-Halsbändern ausgestattet, davon acht Löwinnen. Die Sender geben stündlich die Position der Tiere durch. So können die Bewegungen der Rudel via Satellitenortung verfolgt werden. Auch fünf Junglöwen, die schon alt genug sind, um sich von der Familie abzusetzen, tragen GPS-Halsbänder. Es ist wichtig zu wissen, wie sich die Jungtiere durch die vernetzten Schutzgebiete von KAZA bewegen, um Löwenbestände an anderen Orten zu erreichen.
Löwen nutzen Korridore
Fotofallen und Sender helfen auch zu verstehen und zu erfahren, wo und wodurch die Ausbreitung der Tiere erschwert wird. In diesem Jahr gab es diesbezüglich Grund zur Freude, denn zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Löwen den Wildtier-Korridor zwischen den benachbarten Schutzgebieten Mudumu und Nkasa Rupara tatsächlich nutzen. Das ist eine großartige Nachricht, denn jedes für sich ist zu klein, um lebensfähige Populationen von Löwen zu tragen. Diese Korridore sind daher wahrlich ein Schlüssel zur Schaffung eines „Netzes für das Leben“.
Und es geht noch weiter mit tollen Nachrichten: Acht Löwen sind – so bestätigen Aufnahmen aus Fotofallen – aus dem Mudumu- in den Nkasa Rupara-Nationalpark eingewandert. Erst 2014 waren hier 17 „Problemlöwen“ von staatlicher Seite getötet worden, weil sie viele Rinder gerissen hatten. Jetzt können hier wieder Löwen Fuß fassen – auch dank der vom WWF finanzierten mobilen blickdichten Zäune und der fest installierten Kraals aus Maschendrahtzäunen für Rinder. Diese verhindern den für die Löwen oft tödlichen Mensch-Tier-Konflikt.
Das Besendern und das Auswerten der Daten hat der WWF in Zusammenarbeit mit dem namibischen Ministerium für Umwelt und Tourismus und der Schutzorganisation Panthera durchgeführt. Das erfreuliche Gesamtfazit: Die Zahl der Löwen im Mudumu-Komplex hat sich stabilisiert!
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