In der Abgeschiedenheit des östlichen Himalaja haben acht indische Frauen einen Schritt gewagt, dem die meisten Männer ihres Dorfes mit Bedenken gegenüberstanden: Sie haben ein Restaurant eröffnet und servieren handgemachte, traditionelle Speisen. Die Frauen gehören dem indigenen Stamm der Monpa an und erhalten mit dem Restaurant nicht nur ihre Traditionen, sondern schützen auch die äußerst wertvolle Natur um sie herum.

Wo die Roten Pandas leben

Üppig grüne, nebelverhangene Wälder prägen die Täler und Berghänge des Bundesstaates Arunachal Pradesh im Nordosten Indiens. „Land der aufgehenden Sonne“ bedeutet der aus dem Sanskrit stammende Name dieser Landschaft, die sich vom Tiefland bis zu den Gipfeln des Himalaja erstreckt und eine atemberaubende Artenvielfalt beherbergt. Hier leben Rote Pandas, Schneeleoparden, Schwarzbären und die Hälfte aller Vogelarten Indiens. Zur reichhaltigen Pflanzenwelt gehören 500 verschiedene Orchideen und über 36 Rhododendron-Arten. Arunachal Pradesh ist noch außergewöhnlich stark bewaldet.

Das Restaurant am Ende des Himalaja

Traditionelles indisches Essen © Prianko Biswas
Traditionelles indisches Essen © Prianko Biswas

Die verschiedenen indigenen Völker, die Arunachal Pradesh besiedeln, sind bekannt für ihr reiches kulturelles Erbe, das eng mit der Natur verbunden ist. Eine große ethnische Gruppe sind die zumeist buddhistischen Monpa, deren Name so viel heißt wie „Menschen südlich von Tibet“.

In einem hundert Jahre alten, traditionellen Monpa-Steinhaus im malerischen Tal Chug – einem verborgenen Naturjuwel im Westen Arunachal Pradeshs – hat im März 2024 ein kleines, ganz besonderes Restaurant eröffnet. Hirse-Teigtaschen mit einer Füllung aus Fleisch, Kartoffeln und saisonalen Gemüsen gibt es hier zum Beispiel oder selbst gemachte Buchweizennudeln mit lokalen Kräutern. Den Buchweizen dafür pflanzen die Besitzerinnen auf Feldern neben ihrem Restaurant an, verarbeiten ihn aufwändig und winden den Teig durch eine traditionelle Nudelpresse aus Holz.

Jede Mahlzeit hat ihre Geschichte

„Außer Salz und Öl kaufen wir nichts auf dem Markt. Wir machen alles selbst“, erzählt die 40-Jährige Rinchin Jomba dem Reisemagazin Condé Nast Traveller, das sogar schon über das abgelegene Lokal berichtet hat.

„Als die Idee für das Restaurant zum ersten Mal in unserer Dorfversammlung zur Sprache kam, sagten viele Männer, dass wir das nicht schaffen würden.“ Rinchin gehört zu den acht mutigen Gründerinnen, die mit ihrem Restaurant Damu’s Heritage Dine auch ein Symbol setzen für die Stärkung der Frauen in ihrer Gemeinschaft. Damu bedeutet „Tochter“ in Duhumbi, der lokalen Sprache von Chug.

Maiskuchen und Yak-Käse

Hier entsteht der Teig für den Maiskuchen © Prianko Biswas
Hier entsteht der Teig für den Maiskuchen © Prianko Biswas

Die Monpa bauen traditionell Feldfrüchte wie Hirse, Mais und Gerste an, züchten Yaks – große Rinder, die auch unter extremen Bedingungen leben können – und ernähren sich von einer Fülle essbarer Pflanzen aus der Natur. Hauptbestandteil ihrer Küche ist Churra, fermentierter Yak-Käse. Mit frischem Yak-Käse werden die typischen, buttrigen Maiskuchen Churra Gombu gefüllt.

Doch die traditionellen Gerichte und Anbaumethoden der Monpa sind in der jüngeren Vergangenheit mehr und mehr in Vergessenheit geraten, genau wie anderes wertvolles Wissen ihrer Kultur.

Wenn Traditionen Monokulturen weichen

Erste Monokulturplantagen der kommerziellen Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte wie große Straßen machen sich in Arunachal breit. Gleichzeitig leiden die Monpa und andere Indigene der Region unter schwierigen Lebensbedingungen und mangelnder Ernährungssicherheit. Die Menschen hier sind abhängig von der Natur um sie herum, doch greifen in einigen Regionen selbst auf den Monokulturanbau von Kohl und Tomaten zurück, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Anbaumethoden verschlechtern die Böden und eine Abwärtsspirale beginnt.

Seit Ende 2022 stärkt der WWF Deutschland in enger Zusammenarbeit mit dem WWF Indien die Rechte der Indigenen im Westen Arunachal Pradeshs und unterstützt sie darin, ihre Lebensgrundlagen nachhaltig zu sichern. Dazu gehört auch das Restaurant am östlichen Ende des Himalaja.

Kulturelles Erbe und Natur bewahren

Die Frauen bauen alle Zutaten selbst an © Prianko Biswas
Die Frauen bauen alle Zutaten selbst an © Prianko Biswas

Das WWF-Projekt in Arunachal belebt und erhält das kulturelle Erbe und die traditionelle Landwirtschaft, die beide in engem Einklang mit der Natur stehen und fördert den ökologischen Anbau. Gleichzeitig ist der nachhaltige Tourismus eine wichtige Einnahmequelle zur Verbesserung der Lebensgrundlagen unter Wahrung der natürlichen Ressourcen.

Erste Hotels gab es bereits im Chug Tal, betrieben aber nicht von der lokalen Bevölkerung, sondern von Geschäftsleuten aus anderen Städten. Und gerade in abgelegenen Regionen wie dieser birgt nicht-nachhaltiger Tourismus einmal mehr die Gefahr von Vermüllung und Zerstörung.

Die Schutzgebiete der Monpa

Ein weiteres, großes Problem der Monpa und anderen Indigenen der Region: Ihre Land- und Nutzungsrechte sind zwar traditionell verankert, jedoch nicht offiziell und gesetzlich anerkannt, genauso wenig wie ihre Gemeindeschutzgebiete. Bereits seit 20 Jahren baut der WWF Indien in Arunachal Pradesh nämlich gemeindebasierte Schutzgebiete auf. Sie werden von den indigenen Gemeinden selbst verwaltet, die Teile der Wälder unter Schutz stellen und andere Gebiete zur geregelten, nachhaltigen Nutzung ausweisen.

Studien bescheinigen derartigen Gemeindeschutzgebieten höchste Artenschutzerfolge. Diese können die Natur oft sogar besser bewahren als ein Nationalpark. Zumal sie die Bedürfnisse und Kenntnisse der lokalen Bevölkerung einbeziehen – und die Ausweisung wie das Management staatlicher Schutzgebiete langwierige und aufwendige Prozesse sind.

Politische Arbeit und Citizen Science

Die Gründerinnen vor ihrem Restaurant © Prianko Biswas
Die Gründerinnen vor ihrem Restaurant © Prianko Biswas

Mit neun Gemeindeschutzgebieten im westlichen Arunachal Pradesh an der Grenze zu Bhutan arbeitet der WWF nun eng zusammen, um ihre Verwaltung zu stärken. Politisch setzen wir uns für ihre gesetzliche Anerkennung ein.

Außerdem bildet der WWF zusätzlich Gemeindemitglieder im Monitoring der wildlebenden Arten ihrer Heimat aus, damit sie einerseits den Artenschutz in aller Abgeschiedenheit aktiv unterstützen und andererseits als Naturführer:innen im gemeindebasierten Tourismus arbeiten können.

Die Stimmen und Geschichten der Monpa und anderen indigenen Gemeinschaften dieser wertvollen und faszinierenden Ökoregion sollen gehört und weitergetragen werden! Zudem müssen die Gemeinden die Kraft und die Rechte haben, das zu bleiben, was sie immer waren: Traditionelle Hüter:innen der Artenvielfalt und der natürlichen Ressourcen im Land der aufgehenden Sonne.

Das Projekt des WWF Deutschland in Arunachal Pradesh wird gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Fördertitels für private deutsche Träger (bengo).

Unterstützen Sie die Arbeit des WWF

  • Himalaja © Shutterstock / Olga Danylenko / WWF Himalaja-Region - das Dach der Welt

    Der Himalaja ist die höchste Gebirgskette der Welt und die großen Flüsse Asiens entspringen hier. Die Region gehört zu den kontrastreichsten Lebensräumen weltweit mit großem Artenreichtum. Weiterlesen...