Für einige Dayak – die Indigenen der Insel Borneo - galt traditionell als schönste Frau im Dorf, wer die längsten Ohrläppchen hatte. Noch heute sieht man ältere Dayak-Frauen mit Tätowierungen und schweren Ohrringen aus Silber oder Bronze, die die Ohrläppchen bis über die Schulter ziehen. Sie fühlen sich schön so, sagen sie. Und die Ohrringe („Hisang“) würden sie nicht stören bei der täglichen Arbeit. Dabei arbeiten in ihrer Kultur die Frauen täglich auf den Feldern und in den Wäldern – im Einklang mit der Natur und als Bewahrerinnen der Artenvielfalt.
Am 8. März ist Welt-Frauentag – ein Tag, an dem wir über die indonesischen Bewahrerinnen der Artenvielfalt berichten wollen. Schönheitsideale sind verschieden auf der Welt - und sie sind vergänglich. Was nicht vergänglich sein sollte, sind Traditionen der Bewahrung der Natur. Zur Kultur der indigenen Frauen Borneos gehört beides: Ein besonderes Schönheitsideal und ein besonderes Umweltbewusstsein.
Frauen übernehmen Verantwortung
Die Frauen der indigenen Völker Borneos sichern seit jeher die Ernährung ihrer Familien und Gemeinden. Sie verwalten das Saatgut für Reis, Mais, Hirse, Knollenfrüchte und Gemüse. Sie sammeln Wildpflanzen, wovon viele nur in Wäldern wachsen, und bestellen kleine Felder. Und sie wissen, wie man dies ökologisch nachhaltig tut. Eine starke Verbindung mit der Natur gehört zur kulturellen Identität der Dayak und sichert nicht zuletzt ihren Lebensunterhalt.
Schlüsselrolle für die Artenvielfalt
Ackerbau, der wenig bis keine Düngemittel benötigt, eine schonende Nutzung der Böden und das Sammeln von Wildpflanzen, ohne sie zu zerstören - das sind nur einige der nachhaltigen Methoden, mit denen die Dayak-Frauen ihre natürlichen Ressourcen und damit die Artenvielfalt ihrer Region bewahren. Ihr traditionelles Wissen kann auch in Zukunft entscheidend zum Erhalt der Biodiversität beitragen, gerät aber in Zeiten von Entwaldung und Palmölplantagen immer mehr unter Druck. Die Bedeutung indigener Frauen für das Überleben der Artenvielfalt sucht weltweit nach Anerkennung.
Im Herzen Borneos (Heart of Borneo) erstreckt sich einer der letzten großen Regenwälder Südostasiens – ursprünglich, artenreich und von weltweiter Bedeutung. Doch Palmöl- und Holzplantagen fressen sich immer weiter in Borneos Urwälder. Damit schwinden auch Heimat und Lebensgrundlage der indigenen Dayak. Deshalb soll ein riesiges Netzwerk aus Schutzgebieten und nachhaltig genutzten Wäldern das Herz Borneos bewahren.
Nicht nur in Borneo
In einer Welt, in der 70 Prozent der Armen in ländlichen Gebieten leben und über 40 Prozent der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft Frauen sind, spielen diese eine entscheidende Rolle bei der Umgestaltung von Nahrungsmittelproduktion und Konsum in Richtung Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Immer mehr Frauen in ländlichen Gebieten vertreiben ihre traditionell-ökologischen Nahrungsmittel auf Märkten, die sich mittlerweile auf solche Produkte spezialisieren, und werten damit die lokalen Lieferketten auf. Die Märkte bieten den Frauen auch die Möglichkeit, Wissen und Erfahrungen auszutauschen und so zu einer Verbreitung nachhaltiger traditioneller Praktiken beizutragen. Kulturen wie die der Dayak unterstützen sie darin. Der Trend hat das Potential, über ausgedehnte Netzwerke eine wachsende Zahl an Produzenten und Verbrauchern zu erreichen.
Die letzten langen Ohrläppchen
Die Hisang, die schweren Ohrringe der Dayak-Frauen, sind weniger Status-Symbol als viel mehr Zeichen für Stärke und Geduld. Vielleicht brauchen die Frauen diese Eigenschaften gerade jetzt – als Verfechterinnen der Artenvielfalt unserer Erde. Die Tradition der langen Ohrläppchen ist heute Geschichte. Doch das traditionelle Wissen der Dayak-Frauen muss bewahrt, die Rolle der Frauen gestärkt werden, um die Biodiversität zu erhalten und ein Leben im Einklang mit der Natur anzustreben.
Der WWF arbeitet weltweit mit und für Indigene – den wichtigsten Bewahrern der Natur und Verbündeten im Artenschutz.
- Borneo und Sumatra
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