Wälder gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Welt. Sie sind Lebensgrundlage für mehr als 1,6 Millionen Menschen und speichern etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs. Ihr Verlust ist ein zentraler Treiber der Klimakrise. Und trotzdem werden Wälder unaufhörlich abgeholzt: Wir verlieren durchschnittlich alle vier Sekunden Waldfläche in der Größe eines Fußballfeldes. 90 Prozent der abgeholzten Flächen werden schließlich für die Landwirtschaft genutzt, etwa für Sojaplantagen.
Die Nachfrage nach Soja steigt und steigt. Und um diese zu befriedigen, gehen einzigartige Lebensräume verloren, wird fruchtbarer Boden zerstört und Wasser verseucht. Zwischen 2001 und 2015 wurden mehr als acht Millionen Hektar Wald und Savannen zugunsten von Sojafeldern abgeholzt – hauptsächlich in Brasilien. Kein Wunder also, dass die Sojabohne mittlerweile zu den größten Risikorohstoffen für die weltweite Entwaldung gehört. Aber eine neue WWF-Studie zeigt Wege aus der negativen Soja-Spirale.
Soja – resistenter Proteinlieferant
Die Sojabohne gilt als eine der frühesten domestizierten Nahrungspflanzen und wurde bereits vor 9.000 Jahren in China angebaut. Im vergangenen Jahrhundert wurde die Sojaproduktion immer weiter ausgedehnt und liegt heute bei 360 Millionen Tonnen. Weltweit wird Soja auf einer Fläche von etwa 128 Millionen Hektar angebaut, das entspricht etwa 3,5-mal der Größe Deutschlands.
Der Grund für diesen durchschlagenden Erfolg: Die Sojapflanze lässt sich einfach kultivieren und die Bohne hat einen ausgesprochen hohen Eiweißgehalt. Soja gehört mittlerweile zu den wichtigsten Proteinquellen der Welt und wird hauptsächlich zu Mehl oder Öl verarbeitet. Obwohl man es auch direkt verzehren kann, wird es zum größten Teil als Tierfutter eingesetzt. Etwa 70 Prozent der Sojaernte wird an Geflügel, Rind, Milchvieh, Schweine und Aquakulturen verfüttert.
Aus Wald wird Soja
Die Zerstörung der Natur für den Anbau von Agrarrohstoffen macht sich besonders in den Tropen bemerkbar. Hier ist Sojaanbau mit fast einem Drittel für den größten Teil der Entwaldung verantwortlich, dicht gefolgt von Palmöl. Im brasilianischen Amazonasgebiet hat sich die Sojaanbaufläche in den vergangenen zwanzig Jahren sogar verzehnfacht. Der Amazonas-Regenwald und die Cerrado-Savanne gehören mittlerweile zu den am stärksten gefährdeten Ökosystemen des Planeten.
Treiber dieser Entwicklung ist – wie so oft – die Nachfrage. Und die wiederum kommt zu großen Teilen aus der Europäische Union (EU). Soja macht 47 Prozent der von der EU importierten Entwaldung durch Agrarprodukte aus. Viele europäische Unternehmen stehen an der Spitze der globalen Wertschöpfungsketten für Palmöl, Soja, Kakao und Co., welche die Abholzung der Tropenwälder vorantreiben.
Obwohl das Bewusstsein für das Problem deutlich gestiegen ist, liegen einer grundlegenden Veränderung einige Hindernisse im Weg. Es fehlt an rechtlichen Rahmenbedingungen – sowohl in Anbau-, als auch in Importländern – und an Transparenz innerhalb der Sojalieferketten. Selbst wenn sich ein Unternehmen zu entwaldungsfreien Lieferketten verpflichtet, ist es oft schwer, mit Sicherheit nachvollziehen zu können, aus welcher Region das importierte Soja stammt und welchen Weg es auf seiner Reise nach Europa zurückgelegt hat.
Finanzielle Anreize für nachhaltige Praktiken
Im Rahmen der WWF-Studie „Entwaldungs- und umwandlungsfreie Soja-Lieferketten“ wurde insbesondere die Soja-Lieferkette zwischen Brasilien und Deutschland beleuchtet. Die gute Nachricht: es ist genug Anbaufläche vorhanden. Expert:innen fanden heraus, dass in Brasilien großes Potenzial besteht, die Sojaexpansion durch finanzielle Anreize auf bereits gerodete Flächen zu verlagern. Für Landwirt:innen würde sich die Umstellung durch Subventionen der Regierung lohnen und sie müssten die nachhaltigeren Praktiken nicht selbst finanzieren.
WWF-Studie entwaldungs- und umwandlungsfreie Lieferketten
Kollektive Verpflichtungen und gemeinschaftliches Engagement
Sojaanbau und der Schutz von wertvollen Ökosystemen kann Hand in Hand gehen. Doch die Verantwortung für entwaldungsfreie Lieferketten liegt auf geteilten Schultern. Das Exportland Brasilien muss neue Gesetze gegen die illegale Zerstörung einführen sowie bestehende konsequent durchzusetzen.
Auf internationaler Ebene brauchen wir Besteuerungsmechanismen, die den nachhaltigen Anbau fördern und zum Schutz von Wäldern beitragen. Zudem geben rechtliche Rahmen wichtige Signale – so etwa der aktuelle Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission über den Ausschluss von Produkten aus dem EU-Markt, die mit Entwaldung in Verbindung stehen.
Transparenz und Aufklärung
Ein weiterer wichtiger Hebel liegt bei den Unternehmen selbst: Wenn diese ihre eigene Lieferkette transformieren, indem sie die Erwartungen an ihre Lieferanten ändern und Klarheit über die Herkunft des eingesetzten Sojas schaffen, tragen sie zu einem nachhaltigeren Sojaanbau bei. Ein standardisierter Informationsaustausch und ein einheitliches Datenmanagement innerhalb des Sektors können die Transparenz der Sojalieferketten verbessern.
Und auch die Rolle der Zivilgesellschaft ist wichtig, zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit oder der Beratung von Politik und Unternehmen. Denn nur gemeinsam ist eine entwaldungs- und umwandlungsfreie Sojaproduktion in Zukunft möglich.
Die Studie „Entwaldungs- und umwandlungsfreie Soja-Lieferketten“ wurde von Nextra Consulting durchgeführt und entstand im Rahmen des von dem BMZ beauftragten und GIZ geförderten Projekts „Tackling the main drivers of the deforestation and conversion in Brazil“
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